FC Bayern meisterlich
26. Mai 2020Ein Effekt von Geisterspielen - das ist schon jetzt am dritten Spieltag nach der Corona-Pause offensichtlich - ist der, dass der Heimvorteil dahin ist. Überproportional oft setzt sich bislang das Gästeteam durch, wenn der Heimmannschaft der "zwölfte Mann" fehlt, das Publikum. In bisher 22 Partien gab es nur drei Heimerfolge, zwölfmal triumphierten dagegen die Auswärtsmannschaften. Ohne die Anfeuerung von den Tribünen ist Fußball eben der nackte Qualitätsvergleich zweier Teams. Und den hat im Spitzenspiel der Bundesliga der FC Bayern für sich entschieden. Der Tabellenführer aus München gewann 1:0 (1:0) und war auch wirklich dieses eine Tor besser als der Verfolger Borussia Dortmund.
1:0 in Sachen individuelle Klasse
Beide Mannschaften spielten auf hohem technischem Niveau, aber die Münchener einen Tick genauer. Bei den Dortmundern kamen viele der Pässe ins Sturmzentrum nicht an, sodass sich Supertalent Erling Haaland im Strafraum gegen Bayerns Abwehrroutinier Jerome Boateng aufrieb. Der einzige Treffer des Abends resultierte aus einem Geniestreich. Nationalspieler Joshua Kimmich nutzte mit einem gefühlvollen Lupfer gnadenlos aus, dass BVB-Torwart Roman Bürki etwas zu weit vor seinem Kasten stand. Klasse gemacht. Und diese individuelle Klasse machte den Unterschied.
1:0 auch im Taktikduell
Münchens Trainer Hansi Flick gewann auch das Taktikduell gegen BVB-Coach Lucien Favre. Flick setzte seine Defensive auf den zuletzt überragend aufspielenden Dortmunder Offensivspieler Julian Brandt an. Der sah sich häufig nicht nur einem, sondern zwei Gegenspielern gegenüber und konnte dadurch nicht wie sonst die Strippen in der BVB-Offensive ziehen. Favre agierte nicht, sondern reagierte nur. In der zweiten Hälfte nahm er Brandt aus dem Spiel und brachte für ihn den hochtalentierten, aber wohl noch leicht angeschlagenen Jadon Sancho. Warum stellte er den Engländer nicht an die Seite des deutschen Nationalspielers? Gemeinsam wären Sancho und Brandt vielleicht in der Lage gewesen, den Bayern-Riegel zu knacken. Doch zu dieser Risikovariante fehlte Favre der Mut. Erst in den letzten Minuten setzte er alles auf eine Karte - zu spät.
Wer soll dem FCB noch gefährlich werden?
Dieses 1:0 war zwar keine Demütigung für den BVB, wie es sie in den letzten beiden Bundesliga-Duellen in München, die mit 5:0 und 4:0 für die Bayern endeten, gegeben hatte. Und doch dürfte dieser knappe Erfolg der Bayern die Vorentscheidung im Titelrennen sein. Sieben Punkte vor dem Zweitplatzierten bei sechs noch ausstehenden Spielen - noch nie hat ein Tabellenführer in der Bundesliga-Geschichte in dieser Situation einen so großen Vorsprung verspielt. Und wer sollte die Bayern auf ihrem Weg zum achten Titel in Serie stoppen? Der BVB hat seine letzte realistische Chance verspielt. Die Münchener können sich eigentlich nur noch selbst schlagen. Doch nach dem meisterlichen Auftritt in Dortmund glaubt daran wohl niemand mehr. Denn im Spiel elf gegen elf ohne Publikum zeigt sich noch deutlicher, dass die Bayern mal wieder einfach die Besten sind.