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Politik

Gerade nochmal gutgegangen

8. Februar 2019

War da was? Drohte ein deutsch-französisches Zerwürfnis auf offener Brüsseler Bühne? Und warum will Präsident Macron nicht mehr mit Kanzlerin Merkel zusammen auftreten? Christian F. Trippe untersucht Szenen einer Ehe.

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Belgien, EU-Gipfel - Emmanuel Macron, Präsident von Frankreich und Bundeskanzlerin Angela Merkel
Überworfen oder einfach nur ernsthaft zusammen? Frankreichs Präsident Macron und Bundeskanzlerin Merkel (im November 2018)Bild: Getty Images/O. Andersen

Es war ein politischer Affront, wie ihn sonst nur Staaten einander zufügen, die sich in herzlicher Abneigung gegenüber stehen. Kommt solch ein Affront aber zwischen Ländern vor, die gerade erst ihre ach so unverbrüchliche Freundschaft vertraglich festgeschrieben haben, dann muss es Liebe sein. Oder enttäuschte Liebe. Was bekanntlich noch schlimmer ist. 

Seit vier Jahren betreibt ein russisch-geführtes Konsortium den Bau einer Erdgas-Pipeline quer durch die Ostsee. Nord Stream 2 heißt das Projekt, und es war von Anfang an bei den Osteuropäern in der EU unbeliebt, bei manchen regelrecht verhasst. Doch da an dem Konsortium neben deutschen Firmen auch ein halbstaatlicher französischer Energieriese beteiligt ist, fanden die Gegner der Röhre in Brüssel keine Handhabe, es zu stoppen. Wenn sich Deutschland und Frankreich unterhaken, dann bestimmen sie nun mal den Kurs in der EU.

Deutsche Welle Dr. Christian F. Trippe TV Berlin
DW-Redakteur Christian F. TrippeBild: DW/B. Geilert

Dann plötzlich am Donnerstag die Kehrtwende - so schnell, dass es in Berlin so manchem Atem und Sprache verschlug. Die französische Regierung, hieß es aus Paris, reiht sich ein in die Gegner von Nord Stream 2. Auf der Zielgeraden sollte das Projekt noch abgefangen werden, indem die EU es mit Auflagen derart beschwerte, dass es mittelfristig unwirtschaftlich hätte werden können. So das Kalkül der Gegner von Nord-Stream 2. Doch dazu kam es nicht. Um eine  vertrackte Geschichte abzukürzen: In letzter Minute einigten sich Deutschland und Frankreich am Freitag auf einen jener sprichwörtlichen Brüsseler Kompromisse: Viele Worte, viel Geklingel, ansonsten bleibt alles beim Alten. 

Merkel verteidigt Nord Stream 2

Wohlfeile Absichten - zu wenige Taten

Warum also das Ganze? Warum diese Drohung mit einem Seitenwechsel, ausgesprochen zu einem Zeitpunkt, als Bundeskanzlerin Angela Merkel sich mit Vertretern jener ostmitteleuropäischen Länder traf, die die Pipeline partout verhindern wollten - aber nicht wussten, wie? Doch das war nicht der einzige Affront. Zuvor schon hatte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron mitgeteilt, dass er nächste Woche nicht zur Münchner Sicherheitskonferenz kommt, wo er mit der Bundeskanzlerin gemeinsam hätte auftreten sollen.

In Paris wachsen seit langem die Frustrationen darüber, dass mit den deutschen Partnern in Sachen gemeinsamer Sicherheitspolitik zu wenig voran geht. Dass wohlfeil formulierten Absichten zu wenige Taten in Berlin folgen. Deutsche und Franzosen wollen gemeinsam Flugzeuge und Panzer bauen, die entsprechenden Absichtserklärungen sind unterschrieben - doch die beiden können beim Rüstungsexport keine gemeinsame Linie finden. Zu unterschiedlich die strategischen Kulturen. 

Ostseepipeline Nord Stream 2
Nord Stream 2: nur vordergründig ein Streit zwischen Deutschland und FrankreichBild: picture-alliance/dpa/B. Wüstneck

So darf nun also munter spekuliert werden, ob Macron den Auftritt mit Merkel - offiziell aus Terminschwierigkeiten - nicht wegen eben dieser Differenzen abgesagt hat. Weil er keine Lust auf erneute Sonntagsreden hat, sondern in der Sache weiterkommen will. Im deutsch-französischen Freundschaftsvertrag von Aachen haben die beiden eine verzahnte Außen- und Sicherheitspolitik verabredet. Im gleichen Vertrag steht auch, dass beide Seiten sich bei allen wichtigen europapolitischen Entscheidungen vorab festlegen wollen auf eine gemeinsame Linie. 

Das ist beim Hickhack um die Gaspipeline nicht geschehen. Doch auch Berlin neigte und neigt immer wieder zu politischen Alleingängen, die nicht mit dem Partner in Paris abgestimmt sind. So gesehen erscheint der Krach um Nord Stream 2 in anderem Licht: Als Retourkutsche, bei der es auch darum geht, wer in Zukunft über den Fahrplan bestimmt. Und somit als Ausdruck eines Machtkampfes. Was sich liebt, das rangelt auch um die Macht.