Solingen gehört zu Deutschland
Fünf junge Türkinnen im Alter zwischen vier und 27 Jahren starben in den Flammen. Rechtsradikale deutsche Ausländerfeinde hatten sie vor 25 Jahren in Solingen entfacht. Nur ein halbes Jahr zuvor waren in Mölln drei Türkinnen im Alter von zehn, 14 und 51 Jahren bei einem Brandanschlag von ebenfalls rechtsextremistischen Deutschen ums Leben gekommen. Solingen war nicht der erste und auch nicht der letzte Nachweis dafür, dass ein menschenverachtendes Gedankengut in Deutschland weiterhin existiert.
So belasten auch die vom "Nationalsozialistischen Untergrund" (NSU) in den Jahren zwischen 2000 und 2007 begangenen Morde an acht Türken, einem Griechen und einer Deutschen das Image Deutschlands. Nicht zu vergessen die Serien gewalttätiger Übergriffe auf Ausländer und die Brandanschläge auf Flüchtlingsheime im ganzen Land.
Solingen muss mit dem Makel leben
Solingen gehört zu Deutschland, ebenso wie die Menschen aus anderen Kulturkreisen und mit anderen Religionen. Die "Klingenstadt" im wunderschönen Bergischen Land muss damit leben, nicht mehr nur als Ursprung für rostfreies Besteck weltweit bekannt zu sein. Solingen muss auch mit dem Makel leben, der Ort eines der brutalsten von Neonazis begangenen Verbrechens in der Geschichte der Bundesrepublik zu sein.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier kann nicht laut und oft genug dazu aufrufen, den Rechtsradikalismus in Deutschland zu bekämpfen. Dieser Kampf ist eine der vordringlichsten Aufgaben der Verantwortlichen in Berlin wie in den Bundesländern. Der unaufhaltsam erscheinende Aufstieg der Alternative für Deutschland (AfD), die ihr rechtsradikales Gedankengut immer unverfrorener darlegt, beweist aber auch, dass nicht alle Wähler verstanden haben, worum es geht. Es geht um ein Deutschland ohne Spannungen zwischen der einheimischen und der zugewanderten Gesellschaft. Die Anerkennung aller Menschen auf Augenhöhe, unabhängig von ihrer Nationalität, muss zur Normalität werden.
Kein Wahlkampfthema
Deutschland sollte zu einem Land weiterentwickelt werden, in dem Integration im normalen Alltag gelebt wird, anstatt dauernd nur darüber zu reden. Das kann nur erreicht werden, wenn das Grundgesetz als nicht zu überbietendes Leitbild von allen Menschen in diesem Land unabhängig von ihrer Abstammung, ihrem Namen oder ihrer Religion akzeptiert wird. Dazu bedarf es aber auch der Einsicht der türkischen Politiker, auf die Mobilisierung von türkischen Staatsbürgern in der Diaspora für ihre innenpolitischen Ziele zu verzichten.
Außenminister Mevlüt Cavusoglu wäre deshalb gut beraten, bei seinen Reden aus Anlass des 25. Jahrestages des Brandanschlags von Solingen ein Beispiel an Mevlüde Genc zu nehmen und für Aussöhnung zu plädieren. Als Plattform für den Wahlkampf in der Türkei ist Solingen auf keinen Fall geeignet.
Mevlüde Genc, die in Solingen zwei Töchter, zwei Enkelinnen und eine Nichte verlor, plädiert trotz ihres Schmerzes unermüdlich für Aussöhnung, um nicht die Gräben zwischen Türken und Deutschen zu vertiefen. Sie hat den Politikern auch in ihrem Heimatland Türkei aufgezeigt, wie dem Hass auf beiden Seiten Einhalt geboten werden kann. Sie symbolisiert die menschliche Größe, die auch von Politikern in beiden Ländern erwartet werden muss. Mevlüde Genc gehört mit ihrem Kopftuch und ihrer Religion ebenso zu Deutschland wie die Stadt Solingen, die stolz auf ihre aus Anatolien zugewanderte Mitbürgerin sein sollte.
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