Stasi - Die Behörde verschwindet, die Akten bleiben
12. April 2016Die Verpackung wird verändert, der Inhalt bleibt gleich. Und vor allem: Der Inhalt bleibt zugänglich. Niemand hat die Absicht, neugierige Blicke in die Unterlagen des 1990 aufgelösten DDR-Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) künftig zu verwehren. Das ist der sachliche Kern jener Vorschläge, die von einer Experten-Kommission zur Zukunft der Stasi-Akten-Behörde vorgelegt wurden. Und dieses Ergebnis stand schon fest, als der Bundestag die Kommission im Sommer 2014 einsetzte. Es ging und geht also nur noch um den Weg und die Form. Dass sich die Beteiligten damit schwertun, ist beim hochemotionalen Thema Stasi unvermeidlich.
Ein Schlussstrich nach dem Motto "Deckel drauf" kam zu keinem Zeitpunkt infrage. Das wäre auch absurd und in keiner Weise zu begründen. Schließlich haben seit den frühen 1990er-Jahren Millionen Menschen von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, ihre Akte einzusehen. Zu lesen, was die Stasi über sie wusste. Spitzel-Berichte, die oft von Kollegen, Freunden oder sogar Verwandten stammten. Dass derlei kontaminiertes Material das familiäre und gesellschaftliche Klima vergiften könnte, war damals ein oft zu hörender Einwand. Und trotzdem war es richtig, auf die Opfer zu hören. Sie wollten ihr Schicksal endlich in die eigenen Hände nehmen.
Stasi-Akten können weiter erfasst und erforscht werden
Die Akten weiter unter Verschluss zu halten, wäre ein später Triumph für die Stasi gewesen. Zu einem Zeitpunkt, als der DDR-Geheimdienst schon Geschichte war. Diese Geschichte weiter aufzuarbeiten, auch das wird durch die empfohlene Reform weiter möglich sein. Neu ist, dass die Unterlagen formal in den Bestand des Bundesarchivs überführt werden sollen. Dort können sie auch künftig eingesehen und erforscht werden. Der Unterschied zu heute besteht lediglich darin, dass sie nicht mehr von einem Bundesbeauftragten verwaltet werden. Bürokratisch formuliert: Die Dienstaufsicht übernimmt mittelfristig ein Archivar.
Den Nutzern der Stasi-Akten kann es egal sein, bei wem sie ihren Antrag auf Akten-Einsicht stellen - sei es aus persönlichen, wissenschaftlichen oder journalistischen Gründen. Nichts wird sich ändern. Wenn es nach der Experten-Kommission geht, sollen die Unterlagen physisch sogar an ihren angestammten Orten verbleiben. Das wäre schon aus praktischen Erwägungen sinnvoll, weil ein Umzug mit enormen Kosten verbunden wäre. Alles an den historischen Stasi-Standorten in Berlin und im übrigen Ostdeutschland zu belassen, wäre außerdem ein begrüßenswertes Zugeständnis an die Gefühle der Opfer. Akten-Einsicht am authentischen Ort, wo einstmals die Täter ihr Unwesen trieben. Eine Lösung, die sich in 25 Jahren bewährt hat. Dabei sollte es bleiben.
Roland Jahn und seine Vorgänger haben Maßstäbe gesetzt
Roland Jahn wird also wohl der letzte von insgesamt drei Bundesbeauftragten für die Unterlagen des einstigen DRR-Staatssicherheitsdienstes sein. Er sowie seine Vorgänger Marianne Birthler und Joachim Gauck haben Maßstäbe gesetzt, die beispiellos im Umgang mit der deutschen Diktatur-Geschichte sind. Drei ehemalige Bürgerrechtler, die DDR-Unrecht aus eigenem Erleben kennen. Das verlieh ihnen und der Arbeit ihrer Behörde denkbar große Glaubwürdigkeit.
Und weil sie von den Abgeordneten des Deutschen Bundestages gewählt wurden, war und ist ihr Wirken auf besondere Weise politisch legitimiert. Dass diese ehrenvolle Übertragung von Verantwortung nach Jahn niemand mehr zuteil wird, darf man bedauern. Aber ein Vierteljahrhundert nach der friedlichen Revolution in der DDR kann die Aufarbeitung der SED-Diktatur auch unter anderen Rahmenbedingungen weitergehen. Dafür bieten die Empfehlungen der Experten-Kommission eine gute Grundlage.
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