Chefanklägerin Fatou Bensouda
11. Februar 2013Die 52-jährige Juristin ist die erste Frau auf diesem Posten und die erste Afrikanerin. Im kleinen Staat Gambia geboren, studierte sie in Nigeria und schlug später eine Karriere als Juristin in ihrem Heimatland ein. Sie brachte es bis zur Generalstaatsanwältin, später wurde sie Rechtsberaterin des Internationalen Strafgerichtshofs für Ruanda und stellvertretende Anklägerin des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) in Den Haag.
Ein Strafgerichtshof nur für Afrikaner?
Afrika ist der Kontinent, mit dem sich der Internationale Gerichtshof am meisten befasst. Dies trug ihm bisher viel Kritik ein. In Den Haag sitze die weiße westliche Welt über Afrika zu Gericht, hieß es. Der IStGH sei eigentlich ein Afrika-Gerichtshof.
Doch Fatou Bensouda lässt diese Kritik nicht gelten. Nicht nur die verfolgten Täter seien Afrikaner, sondern auch ihre Opfer, sagte sie bei einem Vortrag vor der Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin. Der Internationale Strafgerichtshof helfe ihnen und versuche, für sie Gerechtigkeit zu erlangen. Er greife nur dort ein, wo die einheimische Justiz nicht in der Lage oder willens sei, Kriegsverbrechen zu verfolgen und aufzuklären. In vielen Fällen hätten sich die afrikanischen Staaten selbst an Den Haag gewandt und um Hilfe gebeten. Zum Beispiel Mali. Die Regierung des von Bürgerkrieg gebeutelten Landes hatte den IStGH aufgefordert, die seit Januar 2012 von bewaffneten und terroristischen Gruppen verübten Verbrechen im Norden des Landes zu untersuchen. Vor einem Monat nahm Chefanklägerin Bensouda die Arbeit auf. Sie habe Grund anzunehmen, dass es in Nordmali zu schweren Verbrechen wie Morden, Verstümmelungen, Folterungen, Vergewaltigungen und Plünderungen gekommen sei, erklärte sie auf der Internet-Seite des Gerichts. Ihr Büro werde eine gründliche Untersuchung vornehmen, die Verantwortlichen finden und den Opfern Gerechtigkeit bringen, versprach sie.
Erste Verurteilung, erster Freispruch
Derzeit untersucht der Internationale Strafgerichtshof schwerste Verbrechen in sieben afrikanischen Ländern, darunter Libyen, Sudan und die Demokratische Republik Kongo. Im vergangenen Jahr fiel sein erstes Urteil: der kongolesische Warlord Thomas Lubanga Dyilo wurde wegen der Rekrutierung von Kindersoldaten zu 14 Jahren Gefängnis verurteilt. Im Dezember wurde ein anderer Angeklagter, der kongolesische Milizenführer Mathieu Ngudjolo Chui, freigesprochen. Man hatte ihm vorgeworfen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit verübt zu haben. Er soll verantwortlich sein für Massaker an mindestens 200 Menschen, für Vergewaltigungen und die Rekrutierung von Kindersoldaten. Doch das Gericht kam zu dem Schluss, dass die Beweise nicht ausreichten, um seine Schuld zweifelsfrei zu belegen. "Dieses Urteil zeigt, dass der Internationale Strafgerichtshof wirklich ein rechtsstaatliches Gericht ist, wo jeder Einzelne ein faires Verfahren bekommt und die Möglichkeit erhält, seine Unschuld zu beweisen", sagt Bensouda stolz. Gleichwohl habe sie gegen das Urteil Berufung eingelegt.
Vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag steht auch Jean-Pierre Bemba, ein früherer Vizepräsident des Kongo. Er wurde im Mai 2008 in Brüssel verhaftet und an den IStGH überstellt. Ihm wird vorgeworfen, als Militärführer zahllose Fälle von Mord und Vergewaltigung in der Zentralafrikanischen Republik verantwortet zu haben. Noch in diesem Jahr wird das Urteil erwartet. Sollte er schuldig gesprochen werden, könnte das Urteil weitreichende Auswirkungen haben, sagt Chefanklägerin Fatou Bensouda: "Die Richter werden über Jean-Pierre Bembas individuelle Verantwortung entscheiden, aber ihr Urteil könnte einen wichtigen Abschreckungseffekt haben. Es könnte das Verhalten von Tausenden anderen militärischen Führern beeinflussen, in den 121 Vertragsstaaten des Internationalen Gerichtshofs und sogar darüber hinaus."
Zuversicht
Fatou Bensouda blickt voller Zuversicht in die Zukunft. Der IStGH habe seit seiner Gründung vor elf Jahren bedeutende Fortschritte gemacht, sagte sie in Berlin. Das System, das auf dem sogenannten Rom-Statut basiert, schütze die Rechte von mehr als 2,3 Milliarden Menschen, die in den 121 Vertragsstaaten lebten. Doch auch Menschen aus Ländern, die sich dem Gericht nicht unterworfen haben, könnten in Den Haag Gerechtigkeit verlangen.
Gleichwohl gäbe es auch Schwierigkeiten und Hindernisse. So verfüge der Gerichtshof nicht über eine eigene Polizei und sei daher auf die Kooperation der Staaten angewiesen, um Verdächtige festzunehmen. Außerdem seien seine finanziellen Mittel begrenzt und die Verfahren, die sich oft über viele Jahre hinzögen, seien aufwändig und teuer.
Bensouda mahnte, dass die Unabhängigkeit des Gerichts gewahrt bleiben müsse. Es könne sich weder erpressen lassen, noch politische Entwicklungen berücksichtigen. "Niemals wird das Gericht auf politische Überlegungen Rücksicht nehmen, wie zum Beispiel die Aussicht auf Friedensverhandlungen", sagte sie. Nur wenn Täter zur Verantwortung gezogen würden und Opfern Gerechtigkeit widerfahre, könne eine Gesellschaft eine belastende Vergangenheit überwinden und nach vorne schauen. Das Ziel müsse es sein, der Straflosigkeit von Verbrechern ein Ende zu bereiten.