Lars von Trier schockt in Cannes
16. Mai 2018Vor der Premiere wurde Lars von Trier auf den Filmfestspielen in Cannes mit Standing Ovations begrüßt. In seinem neuen Film mit Matt Dillon und Uma Thurman geht es um den frustrierten Architekten Jack, der das Morden zur Kunst adeln will. Dem Applaus folgten nach kurzer Zeit Buh-Rufe: Mehr als 100 Zuschauer verließen vorzeitig den Saal. Als "unerträglich" und "grausam" wurde "The House That Jack Built" im Nachhinein beschrieben.
Nach sieben Jahren wieder in Cannes: Lars von Trier
Der dänische Regisseur bricht regelmäßig Tabus in seinen Filmen und zeigt besonders brutale und sexuell explizite Szenen. Vor der Premiere hatte das Filmfestival in Cannes eine schriftliche Warnung herausgegeben: Der Film sei nichts für sensible Gemüter. Der 62-Jährige war das letzte Mal vor sieben Jahren auf den Filmfestspielen gewesen. Damals löste er einen Skandal aus, als er Sympathie für Adolf Hitler bekundete. Die Festivalleitung von Cannes erklärte ihn daraufhin als unerwünscht.
In seinem neuen Film werden zwei kleine Kinder mit der Jagdflinte ermordet, einer Frau werden mit einem Küchenmesser beide Brüste abgeschnitten. Die eine Brust klatscht Jack an die Windschutzscheibe eines parkenden Autos, die andere verwendet er fortan als Portemonnaie.
Uma Thurman inszeniert Lars von Trier als dumme, nervige Frau. So nervig, dass er ihr nur wenige Minuten auf der Leinwand lässt, bevor Jack sie mit einem defekten Wagenheber erschlägt. In "The House That Jack Built" behandelt Lars von Trier Frauen noch brutaler als in seinen anderen Produktionen. Zahlreiche Besucher werfen dem Regisseur vor, der Film sei frauenverachtend und eine gezielte Provokation der #MeToo-Bewegung.
Kontroverse Reaktionen auf Twitter
Nach der Zuschauerflucht in Cannes gaben mehrere Journalisten auf Twitter ihre Meinungen über den Film preis und berichteten, was sich im Kinosaal abspielte. Ein Journalist des Branchenblatts "Variety" postete ein Foto von Besuchern, die gemeinsam den Kinosaal verließen und schrieb: "Sowas habe ich auf einem Filmfestival noch nie gesehen. Mehr als 100 Leute sind aus dem Film von Lars von Trier 'The House That Jack Built' abgehauen, der die Verstümmelung von Frauen und Kindern zeigt." Es sei keine Form der Unterhaltung oder der Kunst, zu zeigen, wie Kinder erschossen werden, schrieb eine andere Journalistin.
Zuschauer, die im Kinosaal sitzen blieben, berichteten, dass zwar viele Leute frühzeitig gegangen, aber eben auch viele sitzen geblieben seien. Sie twitterten, dass der Film am Ende Applaus geerntet habe. Das zeige, dass der Regisseur ein Meister der Provokation sei und weiterhin für Kontroversen sorgen werde.
Das Online-Magazin "The New Current" berichtete, dass es völlig normal sei, dass sich das Publikum auf Filmfestspielen oft für einen Film nur 10-15 Minuten Zeit nehmen würde. Das Verlassen des Kinosaals könne nicht verfrüht als Boykott interpretiert werden.
Viele Kritiker, die bis zum Ende blieben, äußerten sich allerdings negativ über den Film. Er sei zu brutal, zu blutig und mit zweieinhalb Stunden zu lang. Dennoch gab es gleichermaßen Zuschauer, die von der Produktion beeindruckt waren. Matt Dillon sei in seiner Rolle als Serienkiller Jack brillant und verdiene eine Würdigung, argumentierten sie.
Das viele Gerede und Getwittere bringt dem Film vor allem eins ein: PR. Viele User schrieben, dass sie von der Berichterstattung über den Boykott im Saal neugierig geworden seien und den Film nun einmal mehr sehen müssten.
Jury-Präsidentin Cate Blanchett hat sich zur der Vorstellung des Films bislang nicht geäußert.
md/rey (dpa/zeit online)