Fischereipolitik in Europa
29. Mai 200988 Prozent aller EU- Fischbestände gelten als überfischt, einige Fischarten wie der Nordsee-Kabeljau sind sogar vom Aussterben bedroht. Und das trotz strenger Auflagen und ständig sinkender Fangquoten. Woran liegt das? Die EU gibt offen zu, dass ihre Fischereipolitik der letzten 20 Jahre versagt habe. Trotz aller Regelungen fangen die Fischer immer weniger Tiere. Die europäische Fischereipolitik soll deshalb neu geordnet werden. Ein Grünbuch sorgt bereits in Fischerkreisen für Furore: Darin ist von einer drastischen Verringerung der EU-Fischerei-Flotte die Rede, von nachhaltiger Fischerei, ja sogar die Abschaffung der Fangquoten könnte eine Option sein. Dafür sollen die Fischer mehr Verantwortung übernehmen.
Das Aus für Familienunternehmen?
In Frankreich sorgt dieses EU-Grünbuch für unterschiedliche Reaktionen: Frankreich liegt beim Fischfang im europäischen Vergleich hinter Spanien und Dänemark zusammen mit Großbritannien an dritter Stelle. In den letzten 30 Jahren hat sich die französische Fischfangflotte um über die Hälfte verringert und liegt derzeit bei 7500 Schiffen. Die übergroße Mehrheit der französischen Fischerei-Betriebe wird in Familientradition geführt. Und genau diese kleinen Betrieben fürchten jetzt das Aus, weil die EU - laut ihrem Grünbuch - die unrentable und viel zu große europäische Fischereiflotte verkleinern will.
Pro und Contra Fangquoten
Damit sich die dezimierten Fischbestände erholen können und Fische nicht zu jung, also bevor sie sich vermehrt haben, gefangen werden, gibt es Fangquoten. Einmal im Jahr tritt dafür z. B. der Internationale Rat für Meeresforschung (ICES) zusammen, um Empfehlungen für die Fangquoten in der Ostsee zu geben. Hering und Dorsch sind die Arten, die dort von den Berufsfischern am stärksten befischt werden. Experten fordern seit Jahren, etwa beim Dorsch, die Quoten in der Ostsee zu senken - sehr zum Ärger der Fischer, die um ihre Existenz fürchten.
Nicht nur die europäischen Meere sind leer
Überfischung, Flottenüberkapazität, umfangreichen Finanzhilfen und trotzdem rückläufige Fänge der europäischen Fischer: Die derzeitige Fischereipolitik der EU hat versagt. Das steht wörtlich in der Einführung zum neuen Grünbuch der EU zur Fischereipolitik. Doch die europäischen Fischer sind nicht die einzigen, die in immer leereren Meeren fischen müssen. Das Problem ist im wahrsten Sinne des Wortes schon bis an die Küsten Afrikas geschwappt. So fürchten beispielsweise auch im Senegal immer mehr Fischer um ihre Existenz. Daran trägt die EU eine wesentliche Mitschuld, weil sie durch verlängerte Abkommen mit dem Senegal jahrelang die afrikanischen Gewässer befischen konnte. Inzwischen sind diese Abkommen ausgelaufen, weil es vor der senegalesischen Küste nicht mehr genügend Fische gibt.
Mehr Eigenverantwortung
Naturschutzorganisationen wie der Worldwide Fund for Nature (WWF) setzen deshalb auf die Pläne im neuen Grünbuch der EU, den Fischern mehr Eigenverantwortung zu übertragen. Die Union hofft, dass die Fischer dann genauer darauf achten, wie viel Fisch welcher Art gefangen wird. Die EU appelliert außerdem an den "mündigen" Verbraucher, der beim Fischkauf darauf achten soll, dass der Fisch im Kühlregal auch umweltfreundlich gefischt wurde und nicht zu den gefährdeten Arten gehört.
Slow Food für den Artenschutz
Eine Forderung, die auch die italienische Feinschmeckerorganisation "Slow Food" unterstützt. Sie propagiert den langsamen Genuss und Essen als Kulturgut. Über die Jahre hinweg sind die Feinschmecker auch immer mehr zu Kämpfern für nachhaltige Landwirtschaft und den Erhalt der Artenvielfalt geworden. Und so werben sie dafür, neben den bekannten und oft überfischten Fischarten auch des Öfteren neue, unbekannte und deshalb ungefährdete Fische auszuprobieren. Das schmeckt und ist auch noch gut für die Fischbestände.