Griechische Tragödie
23. Juli 2012Es ist wieder Troika-Zeit in Griechenland. Die Kassenprüfer von Internationalem Währungsfonds (IWF), Europäischer Zentralbank (EZB) und EU-Kommission sind zurück in Athen und werden in dieser Woche mit ihrer Arbeit beginnen. Bis Mitte September sollen die Prüfer herausfinden, ob Griechenland seine zugesagten Sparmaßnahmen umsetzt. Wie im März, als es um den teilweisen Schuldenerlass für Griechenland durch private Anleger ging, werden die Kassenprüfer von einem vielstimmigen Konzert aus Äußerungen der Kreditgeber und der griechischen Empfänger begleitet. Die griechische Regierung malt die Gefahr einer kurz bevorstehenden Staatspleite an die Wand. Die Geberländer fabulieren über einen Austritt Griechenlands aus der Euro-Währungsgemeinschaft und eine Ende der Hilfszahlungen. Auch im Mai und im Juni vor den griechischen Parlamentswahlen wurden extreme Positionen aufgebaut, um am Ende einen Kompromiss zu finden.
Entscheidung im September
Der neue Akt im griechischen Drama wird sich wahrscheinlich bis Mitte September hinziehen. Diesen Zeitplan hat zumindest Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble in einem Interview mit der "Bild-Zeitung" erkennen lassen. Er sagte, die Euro-Finanzminister entscheiden, wenn der Prüfbericht der Troika vorliegt. Die hat offenbar den Auftrag, ihren Bericht erst nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Eilverfahren gegen den permanenten Euro-Rettungsfonds ESM am 12. September vorzulegen. Die Finanzminister kommen am 14. September zu einem lange geplanten Treffen auf Zypern zusammen. Zypern hat die EU-Ratspräsdentschaft inne und steht mit seinem Hilfsantrag selbst auf der Tagesordnung der Minister.
Die griechische Regierung sollte nach den urprünglichen Plänen bereits im Juni weitere Sparpakete beschließen, um dann im Gegenzug im Juli weitere 31 Milliarden an Hilfskrediten zu bekommen. Die fließen jetzt erst einmal nicht, weil die neue griechische Regierung die zugesagten Sparpläne noch nicht vollständig vorgelegt hat. So unmittelbar bevorstehend kann die Staatspleite nicht sein, denn jetzt ist offenbar bis Mitte September Geld da, um Gehälter und Ausgaben des Staates zu decken. Die Europäische Zentralbank stundet dazu die Rückzahlung von eigentlich fälligen Staatsanleihen. Auch im März hatte der damalige Finanzminister Evangelos Venizelos mit einer Pleite Griechenlands gedroht. Die ist dann doch nicht eingetreten, obwohl sich die Auszahlung von Hilfskrediten bis in den Mai verzögert hatte.
Rösler: Mehr als skeptisch
Mit den Äußerungen über einen freiwilligen Austritt der Griechen aus der Euro-Zone baut Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler Druck auf, um die griechische Regierung zum Handeln zu zwingen. Rösler zeigte sich im ARD-Fernsehen sehr skeptisch, ob Griechenland in der Euro-Zone bleiben kann. "Ich sage hier sehr klar: Wenn Griechenland seine Auflagen nicht erfüllt, dann kann es keine weiteren Zahlungen mehr an Griechenland geben." Ähnliche Drohungen hatten bereits Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble und die Bundeskanzlerin Angela Merkel formuliert. Merkel hatte aber nie von einem Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone gesprochen.
Der Internationale Währungsfonds macht mit seiner angeblichen Absicht, sich an zusätzlichen Hilfspakten für Griechenland nicht zu beteiligen, das Gleiche. Der neue griechische Regierungschef Antonis Samaras wollte die Reformen eigentlich um zwei Jahre strecken. Das würde ein drittes Hilfspaket in einem Umfang von 10 bis 50 Milliarden Euro notwendig machen. Diese Zusage will in der EU und beim IWF im Moment niemand machen. Über diese zeitliche Streckung und das dritte Hilfspaket ist übrigens bereits im März in Brüssel gesprochen worden. Doch die EU-Finanzminister haben diese Diskussion auf deutschen Druck hin aus den Protokollen gestrichen, sagen EU-Diplomaten in Brüssel. Da nicht absehbar ist, welche Folgen ein Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone in Kombination mit einem Währungsschnitt hätte, haben die Finanzminister bislang von diesem Schritt abgesehen.
Chatzimarkakis: Griechen geben sich Mühe
Da sich die deutsche Bundesregierung sehr hart darauf festlegt, dass Griechenland kein Geld mehr bekommen soll, wenn es nicht alle Auflagen erfüllt, wird der Bewegungsspielraum in diesem neuen Akt des griechischen Finanzdramas sehr klein. Der EU-Parlamentarier Jorgo Chatzimarkakis, Deutscher mit griechischen Wurzeln, kritisiert den Druck, der jetzt unter anderem vom Wirtschaftsminister aufgebaut wird, als unverantwortlich. "Die griechische Politik kämpft gerade darum, die Maßnahmen, die in der Wahlkampfzeit leider nicht umgesetzt wurden, sehr rasch umzusetzen. Für sie ist es ein Schlag ins Gesicht, gerade für den neuen Finanzminister Yannis Stournaras, der wirklich alles gibt, um hier die Dinge in Ordnung zu bringen", sagte Chatzimarkakis der Deutschen Welle. Der EU-Abgeordnete gehört übrigens der gleichen Partei, FDP, an wie Bundeswirtschaftsminister Rösler.
Dauerhaftes Durchfüttern?
Die Kassenprüfer von der Troika haben Athen bereits im Vorfeld ihrer Reise eine Liste mit 210 unerledigten Aufgaben übermittelt. Es erscheint beim jetzigen Reformtempo in Griechenland fast unmöglich, dass diese Liste bis Mitte September tatsächlich abgearbeitet werden kann. Der Finanzexperte und Anlageberater Philipp Vorndran hält das Rettungskonzept für Griechenland für gescheitert. Schon vor zwei Jahren habe er gewarnt, dass Griechenland bankrott sei. "Griechenland hat kein Geschäftsmodell, um innerhalb des Euro zu überleben. Daran hat sich überhaupt nichts geändert. Für uns ist klar, dass Griechenland früher oder später den Ausweg aus der Euro-Zone suchen muss", sagte Vorndran der Deutschen Welle. Die Alternative, die auf Dauer deutschen Wählern nicht zu vermitteln sei, sehe so aus: "Wir stellen uns hin als starke Volkswirtschaften, Finnland, Deutschland, Holland und Österreich, und sagen, wir subventionieren diesen hoffungslosen Fall dauerhaft durch."
Dass das griechische Drama in diesem Sommer vielleicht auf seinen Höhepunkt zusteuert, läßt sich aus einem finanzpolitischen Schritt der Europäischen Zentralbank herauslesen. Die EZB will keine griechischen Staatsanleihen mehr als Sicherheiten für Kredite akzeptieren. Das bedeutet, die EZB will keine weiteren "Ramsch"-Papiere in ihre Bilanz aufnehmen. Sie sitzt bereits auf einem hohen zweistelligen Milliardenbetrag an griechischen Papieren. Die würden sofort wertlos, sollte Griechenland die Euro-Zone verlassen und eine neue Währung einführen müssen. Die EZB müsste dann gewaltige Verluste verkraften. Die Anteilseigner der EZB müssten eventuell sogar haften. Die Anteilseigner sind die Euro-Staaten, und die werden wiederum von den Steuerzahlern finanziert.