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Lieber tot als nach Hause

Stefanie Suren5. September 2002

Rattengift im Strumpf, Zyanidkapseln im BH. Falls sie nach Nordkorea zurück müssen, bringen sie sich um sagen viele Flüchtlinge. Denn in der Heimat drohen ihnen Folter, Konzentrationslager und vor allem: Hunger

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Die 15 koreanischen Flüchtlinge bei ihrer Flucht in die deutsche BotschaftsschuleBild: AP

Auch die 15 Nordkoreaner, die sich am Dienstag (3. September 2002) in die deutsche Botschaftsschule in Peking geflüchtet haben, waren völlig ausgehungert. Das berichtet der deutsche Arzt Norbert Vollertsen, der sich in Seoul für die Belange der Flüchtlinge einsetzt.

Die Strafe für unerlaubtes Verlassen Nordkoreas ist bestenfalls sieben Jahre Lagerhaft. Schlimmstenfalls: Hinrichtung. Vollertsen baut bewußt auf die Solidarität der Deutschen. Doch China will nicht wie Ungarn zu DDR-Zeiten eine Flüchtlingswelle ermutigen. In den letzten Monaten hatte die chinesische Regierung bereits rund 80 Flüchtlinge ausreisen lassen.

Flucht vor Hunger

Frau in Nordkorea
Im Dezember verteilte das Rote Kreuz Weizen an die hungernde BevölkerungBild: AP

Mitarbeiter des UN World Food Programm (WFP) rufen derweil eindringlich zu Lebensmittelspenden für Nordkorea auf. Wegen Mangel an Spenden musste die UN letzten Monat ihre Lebensmittelhilfe für die von Hungersnot gebeutelte Bevölkerung stark einschränken. In ihrer Verzweiflung essen einige Menschen frisch geschnittenes Gras und sieben sich Algen aus dem Meer, so die UN. Seit mehreren Jahren herrscht Hungersnot in Nordkorea. Ausgelöst durch Misswirtschaft und verstärkt durch Naturkatastrophen. 1992 führte die nordkoreanische Regierung Lebensmittelrationierung ein, die jedem Bürger nur ein Viertel des lebensnotwendigen Nahrungsmittelbedarfs zugestehen, berichtet die Hilfsorganisation Amnesty International.

Mehr als 150.000 Nordkoreaner sind vor der Hungersnot über die meist ungesicherten Grenzen nach Nordchina geflohen. Dort leben sie als illegale Einwanderer. Der südkoreanische Geheimdienst gibt an, seit 1953 hätten rund 1500 Nordkoreaner die Grenze nach Südkorea überschritten. Die Hälfte von ihnen in den letzten 5 Jahren. Doch nicht alle können dem Hunger entkommen. Zwei Millionen Menschen sollen nach Angaben von Amnesty seit 1995 in Nordkorea verhungert sein.

Am Tropf der UN

Hans Stehling von der Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ) war im Dezember in Nordkorea. Im Gespräch mit DW-WORLD berichtet er, dass in dem "abgeschottesten Land der Welt" Hunger und Kälte zum Alltag gehören. "Es gibt keinen Handel, keine Rohstoffe, keine Energie" sagt er. Selbst in Pjöngjang haben die Häuser keine Heizung und kein Wasser. Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion bleiben die Wirtschaftshilfen aus dem Ostblock aus.

Das Auswärtige Amt schätzt, dass wegen des Energiemangels nur noch 20 Prozent der Industrie arbeitet. Und auch die Landwirtschaft könne die Bevölkerung nicht ernähren, denn nur 20 Prozent der Bodenfläche seien wirtschaftlich nutzbar. Laut Auswärtigem Amt kann die Ernährung der Bevölkerung nur durch internationale Hilfe gesichert werden. Doch nachdem schon die UN keine flächendeckende Hilfe mehr leisten kann, haben sich auch andere Organisationen zurückgezogen. Denn: ihre Spenden wurden zu oft an Parteifunktionäre umgeleitet, berichtet Amnesty.

Klammern an der Macht

Sämtliche innenpolitischen Maßnahmen dienten ausschließlich dem Machterhalt, sagt das Auswärtige Amt über die kommunistische Regierung Nordkoreas. Die Bevölkerung würde völlig von der Außenwelt abgekapselt und in ständiger Unwissenheit gehalten. Deshalb sei es nur sehr schwer möglich ein verlässliches Bild über Menschenrechtsverletzungen zu erhalten. Doch die Tatsache, dass mehr und mehr Flüchtling tödliches Gift bei sich tragen, für den Fall, dass China sie ausweist, spricht für sich.