Manga und Anime in Deutschland
Manga ist mehr als ein Hype unter Teenies. Die japanischen Comics haben eine lange Geschichte und feiern in Europa - nicht erst seit der Pandemie - große Erfolge. Wie Manga (und Anime-Filme) nach Deutschland kamen.
Vielfalt an Stoffen
Manga gibt es in riesiger Vielfalt: Unterschieden wird in "Kodomo" für kleine Kinder, "Shōjo" für weibliche Jugendliche, "Shōnen" für männliche Jugendliche, "Seinen" für (junge) Männer und "Josei" für (junge) Frauen. Die drei Letzgenannten, die japanisches Alltagsleben behandeln, werden erweitert durch eine Vielzahl von Science-Fiction-Welten oder die Darstellung sexueller Fantasien.
Frühe Anime-Serien im deutschen TV
Im deutschen Fernsehen wurden Animes in den 1970ern und 1980ern erstmals einem breiteren (Kinder-)Publikum bekannt. Bei Kinderserien wie "Heidi", "Biene Maja" oder "Wickie und die starken Männer" handelte es sich um Koproduktionen, die Stoffe westlicher Kinderliteratur aufgriffen. Europäisch vertraut und kindgerecht, wurde das deutsche Publikum gleichwohl mit dem Stil der Animes bekannt gemacht.
Sailor Moon und andere Mädchen-Heldinnen
Die Popularität von Animes und Manga oder Mangas (im Deutschen gibt es im Plural beide Schreibweisen), die meist ihre Vorlagen waren, wuchs quasi gleichzeitig. In den 1990er Jahren wurden einige japanische Animes im deutschen Fernsehen gezeigt, etwa "Sailor Moon" oder "Mila Superstar". Bis heute haben die starken Mädels eine beachtliche Fanbase in Deutschland.
Akira: Gemischte Resonanz für erste Mangareihe
"Akira" war 1991 das erste Manga in Deutschland: Das 2200 Seiten lange, mehrbändige Epos von Katsuhiro Otomo erzählt vom Überlebenskampf einer Gruppe Jugendlicher und Kinder mit besonderen Kräften in einem postapokalyptischen Tokyo. Während die Erstausgabe noch koloriert wurde, sind Manga heute - wie in Japan - meist schwarz-weiß und werden von hinten nach vorne gelesen.
Dragonball: Durchbruch für Manga in Deutschland
Den Durchbruch in Deutschland brachte 1998 die Serie Dragonball: Die 8000 Seiten umfassende Abenteuer-Saga von Akira Toriyama wurde ein Riesenerfolg und rettete den schwächelnden Comic-Verlag Carlsen aus einem wirtschaftlichen Tief. Nun schwarz-weiß und in japanischer Leserichtung, im günstigen Taschenbuchformat, wurden die Manga zum Hit bei Jugendlichen und Kindern.
Historische Manga
Manga haben auch eine historische Dimension, wie Japan nicht müde wird zu betonen. Da wird gerne eine direkte Linie gezogen zu den Bildgeschichten im Holzdruck, die ab 1680 in Japan zu einem Massenphänomen wurden. Der berühmteste grafische Erzähler der Edo-Zeit (1603 bis 1868), Katsushika Hokusai (1760-1849, hier im Selbstporträt), nannte sie Manga.
Pokémon: Manga all around the world
In den original Faltheften der Edo-Zeit finden sich ebendiese skurrilen Wesen, die im 21. Jahrhundert als Pokémons ihren Weg in die Kinderzimmer fanden: Sie alle leiten sich aus dem reichen Kosmos der Yokai ab, der japanischen Dämonen. Diese wundersamen bis aberwitzigen Wesen haben nicht nur die Manga- und Games-Kultur, sondern auch den japanischen Horror- und Monsterfilm inspiriert.
Alte Dämonen, neu inszeniert: Die Netflixisierung
Auch "Chihiros Reise ins Zauberland" über den Besuch eines kleinen Mädchens in einem Badehaus für die 40 Millionen Götter Japans hat seinen Ursprung in dieser fantastischen Welt. Hayao Miyazaki hat sie zu einem Anime ausgemalt, das über Netflix ein weltweites Publikum erreichte.
Neue Ufer: Manga goes Hollywood
Der Dreiklang von Manga - Anime - Videospiel wurde mittlerweile von Hollywood ergänzt. So kam 2017 eines der bekanntesten Mangas "Ghost in the Shell" von Masamune Shirow als reale Blockbuster-Verfilmung in die Kinos. Mit Scarlett Johansson in der Hauptrolle wird also in Zeiten einer unter Druck geratener Filmindustrie nach den Marvel Comics nun auch die reichhaltige Manga-Welt ausgeschlachtet.
"Der Gott des Manga": Osamu Tezuka
Osamu Tezuka (1928-1989) gilt als Begründer des modernen Manga: Er verstand sich als Humanist und Pazifist, skeptisch gegenüber den rasanten technologischen und gesellschaftlichen Entwicklungen und sensibel in seiner Auseinandersetzung mit seiner Zeit. "Astro Boy", "Black Jack", "Prinzessin Saphir" und "Kimba" sind seine bekanntesten Werke.
Naoki Urasawa und weitere Stars der Szene
Die künstlerische Qualität der Arbeiten von Mangaka wie Naoki Urasawa (Bild), Jiro Taniguchi und dem kürzlich verstorbenen Kazuki Takahashi wird heute auch im Westen mit großen Ausstellungen und Retrospektiven gefeiert. Manga wird immer mehr als wertvolles Kulturgut, nicht nur als vorübergehender Jugendkult, anerkannt.
Manga adressieren aktuelle Fragen
Manga adressierten schon früh im Westen tabuisierte Themen: So gibt es für Homosexualität ganze Manga-Sparten - etwa die Shōnen-Manga für die Liebe zwischen Männern. Heute stellt "The Gender of Mona Lisa" von Tsumuji Yoshimura die Frage nach geschlechtlicher Identität. Das Manga spielt in einer Welt, in die alle Menschen geschlechtslos geboren werden, und thematisiert damit aktuelle Fragen.