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PolitikAfrika

Massaker von Conakry - Prozessauftakt nach 13 Jahren

Cristina Krippahl
28. September 2022

Es sollte eine friedliche Kundgebung werden - doch Regierungstruppen eröffneten das Feuer, 157 Menschen starben. Jetzt müssen sich der frühere Junta-Führer Moussa Camara und seine Gehilfen vor Gericht verantworten.

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Guinea Beisetzung Opfer Conakry Massaker 2009
Massaker in Conakry 2009: Jetzt werden die Täter zur Verantwortung gezogen.Bild: Seyllou/AFP/Getty Images

Saran Cisse ist eine Überlebende des Massakers von 2009 in Conakry. Noch heute hat sie Albträume von dem Tag im Stadion, als die Sicherheitskräfte begannen, in die Menge zu schießen. Ein junger Mann versuchte, ihr zu helfen, über eine Mauer zu springen, um der Gewalt zu entkommen. "Ich stand direkt auf der Mauer", sagt die 38-Jährige im DW-Interview. "Als ich meinen Kopf drehte, um ihn zu bitten, mir herunterzuhelfen, sah ich ihn zu Boden fallen. Er wurde niedergeschossen. Das bringt mich immer noch zum Weinen."

An diesem Tag - es war der 28. September - hatten sich Zehntausende Menschen im Stadion von Conakry versammelt, um die Stärke der Opposition zu demonstrieren und den Machthaber Moussa "Dadis" Camara von seiner Kandidatur für das Präsidentenamt im Januar 2010 abzuhalten. 

Guinea Beisetzung Opfer Conakry Massaker 2009
Verzweiflung und Wut nach dem MassakerBild: Getty Images/AFP/Seyllou

Er war erst neun Monate zuvor durch einen Militärputsch in Guinea an die Macht gekommen. Darauf eröffneten Soldaten, Polizisten und Milizionäre das Feuer auf friedliche Demonstranten. Binnen zwei Stunden töteten sie mindestens 157 Menschen. Tausende weitere wurden laut dem Bericht einer internationalen Untersuchungskommission verletzt, mindestens 109 Frauen vergewaltigt. Die tatsächlichen Zahlen dürften jedoch höher sein.

Die Rückkehr von Moussa Camara

Exakt 13 Jahre später, am Jahrestag des Massakers, hat nun vor einem guineischen Gericht der Prozess gegen insgesamt elf Angeklagte begonnen - nur wenige Kilometer von dem Stadion entfernt, in dem sich die Gewalttaten ereigneten. Eigens angereist war auch Karim Khan, der Chefankläger des Internationalen Gerichtshofs in Den Haag, der sich zum Auftakt an die Versammelten wandte. Der 28. September sei ein Tag der Trauer geworden, sagte Khan in Conakry: "Ihr habt den Raum geschaffen, daraus einen Tag der Hoffnung zu machen." Sein Büro werde den Prozess "genau beobachten".

Zu den mutmaßlichen Drahtziehern des Massakers gehören der ehemalige Juntaführer Camara und drei seiner einst mächtigen Militärs, Moussa Tiegboro Camara, Claude Pivi und Cherif Diaby. Sie müssen sich jetzt - nach Jahren des Wartens auf Gerechtigkeit für die Bevölkerung - vor Gericht verantworten.

Guinea Ehemaliger Junta-Chef Moussa Dadis Camara
Der ehemalige Junta-Chef Moussa Dadis Camara steht jetzt vor Gericht in ConakryBild: dpa/picture-alliance

Ihre Anwälte haben den Prozess als einen Versuch bezeichnet, ihre Mandanten zu verhaften. Dadis Camara, der im Exil in Burkina Faso lebte, ist kürzlich nach Guinea zurückgekehrt, um sich dem Richter zu stellen. Tiegboro, Pivi und Diaby hatten in den 13 Jahren seit dem Massaker Schlüsselpositionen in der Armee inne. Sie alle wurden kurz vor Prozessbeginn inhaftiert.

Eine Kultur der Straflosigkeit

Dem UN-Bericht zufolge ist die lange Verzögerung die unmittelbare Folge einer Kultur der Straflosigkeit, die dafür sorgte, dass Guineas Sicherheitskräfte praktisch "unantastbar" waren.

Im ganzen Land brachten Guineerinnen und Guineer ihre Hoffnung auf ein faires Gerichtsverfahren zum Ausdruck, in dem die Schuldigen bestraft werden. "Wenn dieser Prozess normal abläuft, werden die Menschen zufrieden sein. Es muss jetzt ein Ende haben", sagte Mohamed Samake, ein Bewohner des Bezirks Sogbe in der Region Kankan, vor Prozessbeginn der DW.

Eine Überraschung, die Gerüchte befeuert

Guinea wird seit Jahrzehnten von autoritären Regimen regiert. Der Chef der derzeitigen Junta ist Mamady Doumbouya, der 2021 nach elf Jahren ziviler Herrschaft durch einen Staatsstreich an die Macht kam. Doumbouya überraschte die Guineer im Juli, als er verlangte, dass der Gerichtsprozess noch in diesem Jahr stattfinden solle. Schnell kursierten Gerüchte, dass es Absprachen zwischen Doumbouya und Dadis Camara gebe und dass der Prozess tatsächlich nach der ersten Anhörung auf unbestimmte Zeit verschoben werden solle.

NO FLASH Guinea Conakry Massaker 2009
13 Jahre mussten die Angehörigen der Opfer auf den Beginn des Gerichtsprozesses wartenBild: AP

Der Anwalt Iseny Sall von der guineischen Organisation für die Verteidigung der Menschen- und Bürgerrechte (OGDH) kennt die Skepsis, mit der manche in Guinea dem Prozess entgegenblicken. Er wolle aber erst einmal abwarten, wie sich die Ereignisse entwickeln, bevor er das Justizsystem des Landes in Zweifel ziehe. "Es ist kein Sieg", sagte Sall im Vorfeld der DW. "Es ist ein Schritt im Verfahren." Und fügte hinzu: "Das Verfahren muss zu Ende geführt werden. Der Prozess muss in Anwesenheit aller Angeklagten stattfinden, dabei ist das Prinzip der Unschuldsvermutung zu beachten." Auch Opfer müssten zu Wort kommen, damit die Richter "das Gesetz in aller Unparteilichkeit darlegen können".

"Der Prozess ist eine gute Sache"

Die derzeitige Militärjunta Guineas steht zunehmend unter Druck, nachdem es ihr nicht gelungen ist, einen schnellen Zeitplan für die Rückkehr zur Demokratie aufzustellen. Die Lage spitzt sich zu: Letzte Woche fror die Wirtschaftsgemeinschaft Westafrikanischer Staaten (ECOWAS) die finanziellen Vermögenswerte der Junta ein und untersagte ihren Mitgliedern Reisen in die Region. Die Entwicklungsbank des Blocks erklärte, sie werde auch die Finanzierung von Projekten in Guinea aussetzen.

Mohamed Camara, ein Aktivist der Zivilgesellschaft in Sogbe, geht davon aus, dass der Prozess das angeschlagene Image Guineas nach mehreren Putschen und Menschenrechtsverletzungen verbessern könnte. Das westafrikanische Land ist reich an Bodenschätzen wie Bauxit und Gold. Dennoch gehört Guinea nach wie vor zu den ärmsten Ländern der Welt, was Analysten auf seine Geschichte politischer Instabilität zurückführen.

"Wir haben seit 2010 auf diesen Prozess gewartet, und endlich haben die guineischen Behörden und das Justizsystem beschlossen, Licht in den Fall zu bringen", sagte Camara. "Das ist wirklich eine gute Sache."

Mitarbeit: Eric Topona, Karim Kamara und Bangaly Conde

Aus dem Englischen adaptiert von Martina Schwikowski.