Mehr Rechte, weniger Besitz
26. Januar 2009In Bolivien zeichnet sich nach der Volksabstimmung vom Sonntag (25.01.2009) eine Mehrheit für eine neue Verfassung ab. Nach inoffiziellen Hochrechnungen vom Montag stimmten 58 bis 60 Prozent der Wähler für das neue Grundgesetz, das den indianischen Gemeinschaften mehr Rechte bringen soll. Der sozialistische Präsident Evo Morales bezeichnete die Verfassung als angenommen. "Der Kolonialstaat ist zu Ende," sagte er. "Heute haben wir ein neues Bolivien mit Chancengleichheit für alle Bolivianer gegründet." Die Abstimmung verlief friedlich.
Die neue Verfassung soll die Rechte der indianischen Bevölkerungsmehrheit im ärmsten Land Südamerikas stärken und ermöglicht dem Präsidenten eine weitere Amtszeit. Bisher war eine Wiederwahl nicht möglich.
Geteiltes Land
Entgegen dem landesweiten Trend zeichnet sich nach Angaben der Tageszeitung "La Razon" in den konservativ regierten Tieflandprovinzen eine Mehrheit gegen die neue Verfassung ab. Die Abstimmung verdeutlicht erneut die Spaltung des Landes in zwei politische Lager: Im wohlhabenderen östlichen Flachland wurde die Verfassung mehrheitlich abgelehnt. Fünf Staaten stimmten mit Nein, nur in vier Staaten überwogen die Ja-Stimmen. Die indianische Hochlandbevölkerung, die Morales zum Sieg verholfen hatte, stellt jedoch die Mehrheit im Land.
Das endgültige Ergebnis wird frühestens nach zehn Tagen erwartet. Zu der Abstimmung waren vier Millionen Bolivianer aufgerufen. Die Abstimmung verlief friedlich.
Intransparentes und undemokratisches Verfahren?
Für Dezember 2009 sind vorgezogene Präsidentschafts- und Parlamentswahlen geplant. Die Opposition kritisiert das Zustandekommen des Verfassungsentwurfs als intransparent und undemokratisch. Zudem sei keiner der 411 Paragrafen mit der vereinbarten Zwei-Drittel-Mehrheit von der verfassunggebenden Versammlung beschlossen worden.
Rechte der Indianer
Die neue Verfassung enthält Bestimmungen, die der indianischen Bevölkerungsmehrheit mehr Rechte geben sollen. Den indianischen bäuerlichen Völkern und Nationen ist der Schutz ihrer kulturellen Identität, ihrer sozialen wie politischen Strukturen und Institutionen zugesichert, sie erhalten Garantie für eine Selbstbestimmung. Für kleinere Völker werden Sitze im Parlament reserviert.
Die Richter des Obersten Gerichts sollen künftig gewählt und nicht mehr vom Präsidenten ernannt werden. Zudem garantiert der Staat das Recht auf Ernährung, Gesundheitsversorgung, Bildung, Arbeit, Rente, Trinkwasser und angemessene Entlohnung.
Begrenzter Besitz von Privatland
In einer zweiten parallelen Abstimmung votierten nach vorläufigen Angaben 78 Prozent der Wahlberechtigten für eine Begrenzung des privaten Landbesitzes auf 5000 oder 10.000 Hektar. Bisher sind 50.000 Hektar Privatland erlaubt.
Die Regierung betonte, dass sich an den gegenwärtigen Landbesitzverhältnissen zunächst nichts ändern werde. Jedoch erlaubt die neue Verfassung dem Staat zukünftig Land zu beschlagnahmen, das seine "landwirtschaftliche und soziale Funktion" nicht erfüllt. (kap)