Ausgerechnet in Saudi-Arabien, das Land, das Grundrechte und auch Religionsfreiheit ignoriert und aus dem wohl der Auftrag zur barbarischen Ermordung von Jamal Khashoggi vor gut zwei Jahren kam, fand das Treffen von Religionsvertretern statt. Aber Riad hat derzeit den G20-Vorsitz inne. Das Land richtet im November – ob real oder virtuell – das nächste G20-Treffen aus.
Und seit einigen Jahren ist dem politischen Treffen ein "Religionsgipfel", das "G20 Interfaith Forum" vorgeschaltet. Allgemein herrscht der Eindruck, dass die Beiträge, die von Seiten der Religionen an die späteren politischen Treffen weitergeleitet werden, angesichts von Großthemen wie Klimawandel, Gerechtigkeitsfragen, Konfliktvermeidung oder jetzt Corona durchaus relevant sind. Also: Sprecht miteinander!
Religion spielt eine Schlüssel-Rolle
Der Dialog der Religionen ist wichtig, er ist in den letzten Jahren wichtiger geworden. Denn wer miteinander spricht, wer sich auf den anderen einlässt und seinen Zugang zu Religion – vielleicht auch seine Distanz zu Religion – erfährt, der hat sich letztlich von einem exklusiven Alleinanspruch seiner Religion verabschiedet und lernt hinzu. Das entwertet den eigenen Glauben nicht, sondern wertet ihn auf zum Bestehen in einer multireligiösen und postreligiösen Welt. Und das ist um so wichtiger in Zeiten, in denen immer mehr politische Repräsentanten sich verkaufen wie Anführer von Erweckungsbewegungen, die so charismatisch wie autoritär daherkommen. Das ist ein Missbrauch von Religion.
Religionspolitik wird immer wichtiger
Religion und Religionspolitik sind auch politisch relevant. 2017, einige Monate vor seiner Ablösung, lud der damalige deutsche Außenminister Sigmar Gabriel Religionsvertreterinnen und -vertreter ins Berliner Auswärtige Amt und sprach programmatisch von der "Friedensverantwortung der Religionen". Er redete nichts schön. Religion polarisiere, nicht jeder wünsche ihr eine wichtigere Rolle. Religion werde häufig zur Mobilisierung gegen andere missbraucht – wenn wirtschaftliche Motive oder politische Interessen mit religiösen Aspekten zu einem explosiven Gemisch vermengt würden. Aber gerade deswegen muss Religion das Gespräch und die Klärung und Aufklärung suchen.
Religiöse Akteure, sagte Gabriel, seien "in ihren Gesellschaften auch politische Akteure. Jeder, der sich in einem Land religiös engagiert, ist zugleich auch immer Teil der Gesellschaft und des politischen Lebens." Klar – das spricht der Religion Verantwortung zu. Das erinnert sie aber auch an die Verantwortung, die sie hat und die sie wahrnehmen muss. Beispiele gibt es übrigens immer. Zur Zeit am eindrücklichsten ist das beharrliche Werben eines Kardinals und eines wichtigen Imams in der Zentralafrikanischen Republik, die sich einfach dagegen wehren, dass ihre Religion politisch vereinnahmt wird. Das schreibt sich so leicht, aber für beide ist es ein lebensgefährliches Unterfangen.
Aber wer sich (virtuell) zum Dialog in Saudi-Arabien trifft, muss an die Bedeutung grundlegender Rechte und Freiheiten erinnern. Klar – bei einer realen Konferenz vor Ort wäre mehr Platz gewesen für informelle Gespräche am Rande, um diese Fragen anzusprechen. Aber ein Element des "Sprecht miteinander!" muss das "Sprecht zueinander!" sein.
Miteinander sprechen und handeln
Religionsfreiheit bedeutet keine Absage an Religion. Damit verbindet sich die Trennung von Religion und Politik, von Politik und Religion. Und gerade weil derzeit zu viele weltliche Herrscher sich religiös überhöhen – von Trump über Bolsonaro zu Erdogan – muss den Religionsvertretern der Wert der Religionsfreiheit so wichtig sein.
Deshalb: Das interreligiöse Gespräch, das übers Jahr verteilt auf unterschiedlichen Kontinenten seine Foren hat und medial eher selten Aufmerksamkeit findet, gewinnt in global unsicheren Zeiten an Bedeutung: Sprecht miteinander! Und handelt danach!