Meister der Skulpturen West-Afrikas
Die Region Elfenbeinküste brachte hervorragende Bildhauer hervor. Doch über ihre Namen war nichts bekannt - sie galten als anonyme Meister. Eine Ausstellung in der Bundeskunsthalle in Bonn erzählt von ihrem Schaffen.
Individuelles Schaffen
Sechs unterschiedliche Ethnien schnitzten im 19. und 20. Jahrhundert an der westafrikanischen Elfenbeinküste Masken. Jahrzehntelang wurde ihre Arbeit nicht als Kunst wertgeschätzt. Die Ausstellung "Afrikanische Meister. Kunst der Elfenbeinküste" (28.06. bis 05.10.2014) holt ihre Schöpfer aus der Anonymität. Sie nennt erstmals ihre Namen. Die sitzende Figur mit Bart stammt vom Vérité-Meister.
Anschauliche Behelfsnamen
Nicht alle Namen der Bildhauer konnten recherchiert werden. Deshalb wurden sie zum Beispiel nach der Region benannt, in der sie aktiv waren. Der Meister der Yasua (s. Bild) lebte in der Guro-Region in der Nähe von Regenwald und Baumsavanne. Andere heißen "Meister der riesigen Hände", "Meister der Sonnenschirme" oder "Meister des Hahnenkamms".
Einzelne Schöpfer
Mehrere Jahre lang dauerten die Vorbereitungen für die Ausstellung, die ihre erste Station im Museum Rietberg in Zürich hatte. Den gründlichen Forschungen der Kuratoren ist es zu verdanken, dass es ein Wissen über die Urheber der grandios gearbeiteten Holzskulpturen gibt. Denn lange wurde davon ausgegangen, dass es Stammeswerkstätten waren und nicht einzelne Schnitzer.
Funktion unbekannt
Beim sogenannten "Meister der Sonnenschirme" sind sich die Forscher nicht ganz einig, wo seine Heimat war. Wahrscheinlich lebte er in der Lagunenregion im Süden nahe der Hauptstadt Abidjan. Seine Figuren sind besonders humorvoll: Sie halten Sonnenschirme in der Hand oder tragen Tropenhelme auf dem Kopf. Sie stammen aus dem frühen 20. Jahrhundert und könnten als Dekoration gedient haben.
Kriegsmasken
Tame hieß der Künstler, der diese prächtigen Masken mit Zottelperücke um 1940 schuf. Er stammte aus der Dan-Region an der Grenze zu Liberia. Die Kriegsmaske mit den Glotzaugen sollte den Menschen Mut und Kraft geben und die Feinde erschrecken. Tame kam aus einer Schnitzerfamilie und lernte bei seinem Vater. In der Ausstellung belegen Filme eindrucksvoll, wie die Masken beim Tanz eingesetzt wurden.
Unterschiede und Gemeinsamkeiten
Die Figuren bringen verschiedene Schönheitsideale zum Ausdruck. Während einige Künstler ihren Skulpturen elegante Gesichter mit spitzen Nasen und lippenlosen Mündern schnitzten, wirkt das Ahnenfigurenpaar des Bildhauers Niokhité voluminöser und archaischer. Trotz großer Unterschiede gibt es viele Parallelen. Das bedeutet, dass die Stilregionen nicht voneinander abgeschottet waren.
Ruhmreiche Künstler
Bei der Umsetzung der Skulpturen wurde dem Schnitzer freie Hand gelassen. Inzwischen wird ihre Leistung auch außerhalb des afrikanischen Kontinents geschätzt. Vor wenigen Wochen wurde eine Holzskulptur eines ivorischen Meisters für 1,5 Millionen Euro versteigert. Begehrt sind vor allem Figuren des Meisters I von Letaha (s. Bild) von 1900. Auffallend ist ihre menschliche Ausstrahlung.
Vielfalt der Stile
Der Meister der Yasua arbeitete wahrscheinlich zwischen 1920 und 1940. Bei ihm ist das Holz dunkel gebeizt. Man erkennt seine Werke am geöffneten Mund. Die Helmmaske (s. Bild) mit der großen Schnauze mit den löffelförmigen Ohren hat etwas von einem Warzenschwein. Insgesamt 300 verschiedene Typen von Holzskulpturen haben die Forscher inzwischen entdeckt.
Fortsetzung der Tradition
Das Wissen der Schnitzmeister lebt weiter. Jems Robert Koko Bi ist der jüngste von vier Bildhauern, die in der Ausstellung in Bonn zu sehen sind. Familär verwurzelt ist er in der Baule-Region. Heute lebt er aber in Essen, wo er mit Holz aus dem Odenwald an seinen Skulpturen arbeitet. "Ahnen" nennt er diese Figuren, mit denen er die Kunst seiner Vorfahren fortsetzt.
Begehrte Skulpturen
Der 2008 verstorbene Emile Guebehi ist berühmt für seine lebensgroßen Figuren. Sie schwanken zwischen Assimilation und Subversion. Hier stellte Guebehi eine Szene nach einem Ehebruch dar. Die weiblichen Figuren, nur mit Lendenschutz bekleidet, scheinen aus einer früheren Zeit zu stammen. Die Männer tragen moderne Shorts. Seine Skulpturen sind auf dem Kunstmarkt inzwischen sehr begehrt.