Minihäuser: Neues Heim für Obdachlose
In immer mehr Städten können Obdachlose in Minihäuser ziehen - für viele das erste echte Zuhause nach Jahren auf der Straße. Vor allem Frauen profitieren von einem Rückzugsort, der sie auch vor Gewalt schützt.
Endlich Privatsphäre
Bett, Schrank, Tisch - und doch so viel mehr: Die wohnungslose Anna hat ihr sieben Quadratmeter großes Heim wohnlich eingerichtet. Gemeinsam mit neun anderen Frauen lebt sie in einem Wohncontainer-Dorf in Hamburg, einem gemeinsamen Projekt der Caritas mit der Fachhochschule HAW. Die Frauen haben nach Jahren auf der Straße zum ersten Mal wieder einen Raum für sich - und das Gefühl von Sicherheit.
Sicherheit im Schatten des Campus
Mitten auf dem Uni-Campus der Hochschule für angewandte Wissenschaften stehen die Container der Caritas. Das Minidorf ist bitter nötig. Denn für Frauen ist das Leben auf der Straße oft besonders hart: Sie sind Gewalt und sexueller Ausbeutung ausgesetzt. Zwar ist die Mehrzahl der Obdachlosen männlich - aber auch mehr als 2000 Frauen in Hamburg haben keine Wohnung.
Zusammen die Zukunft ausloten
Gemeinsames Frühstück am Morgen: Die Frauen werden die ganze Woche von einer Sozialarbeiterin und Studierenden des Bachelorstudiengangs Soziale Arbeit betreut. Die Studierenden begleiten die Frauen auch zu Ämtern und haben ein offenes Ohr bei Problemen. Ziel ist es, die Bewohnerinnen wieder in Wohnungen zu vermitteln. Doch rasant steigende Mieten macht dies mittlerweile fast unmöglich.
Sie bietet Härtefällen eine Heimat
"Im Schnitt wohnen die Frauen hier rund drei Jahre", sagt Andrea Hniopek, die bei der Caritas die Abteilung Existenzsicherung leitet und als Dozentin an der Hochschule tätig ist. "Wir nehmen vor allem Frauen, die sonst nirgendwo aufgenommen werden oder woanders rausgeflogen sind." Oft führten Krankheit oder Schulden in die Wohnungslosigkeit.
Passen in kein Raster: Transfrauen
Die 34-jährige Transfrau Rosen kam vor Jahren nach Deutschland, um Arbeit zu finden. Die Bulgarin wurde krank, landete auf der Straße - und wusste nicht, wohin. Insbesondere für Transgender sei es schwierig, in einer Unterkunft für Frauen unterzukommen und unter Männern fühlten sie sich unwohl, sagt Hniopek. "Dort stellt sich dann die Frage: Ab wann bin ich Frau genug für eine Fraueneinrichtung?"
Neuer Stolz für Sarah
"Hier fühle ich mich sicher", sagt Transfrau Sarah. Die 39-jährige Slowakin hat in ihrem Leben schon viel Leid erfahren. Nach einem Unfall musste ihr als Kind ein Bein amputiert werden, mit 15 Jahren landete sie in der Prostitution. Jahrelang lebte sie auf der Straße. "Nun habe ich mein eigenes Bett", sagt sie stolz.
Platz für Habseligkeiten
Jolana aus der Slowakei lebt ebenfalls in einem der Wohncontainer. Genauso wie die anderen Frauen erhält sie sonst keinerlei Sozialleistungen. Das Angebot richtet sich speziell an Frauen, die wegen psychischer Erkrankungen, Sucht, Prostitution oder ungeklärtem Aufenthaltsstatus keinen Zugang zu regulären Hilfen finden.
Spontane Unterstützung
Die Idee, Wohnungslosen ein kleines Haus anzubieten, gibt es auch in anderen Städten. Der Kölner Fotograf Sven Lüdecke sah einen Fernsehbeitrag über kleine Holzhäuser für Obdachlose in den USA. Wenige Stunden später fuhr er in den Baumarkt und kaufte die ersten Materialien für sein Minihaus. "Ziel ist es, den Menschen ein bisschen Normalität zurückzugeben", sagt er.
Kein Haus von der Stange
Lüdeckes Hinterhof ist auch gleichzeitig seine Werkstatt. Rund 600 Euro kostet die Behausung, dazu kommen 255 Euro für den Transport. Die künftigen Bewohner haben sogar Mitspracherecht - und dürfen Farben, Form des Daches und die Anordnung der Fenster bestimmen. Lüdecke hat einen Verein gegründet und finanziert sich durch Spenden. Oft packen die Obdachlosen auch selbst mit an.
Ein Herz für Hunde
Rund 17 Jahre lebte er auf der Straße, nun ist Peter mit seinem Hund in ein Minihaus eingezogen. "Er hat geweint vor Glück", erzählt Hausbauer Lüdecke: "Das Häuschen ist sein größter Schatz." Mittlerweile gibt es 25 solcher Wohnboxen in Köln, weitere stehen in Nürnberg und Berlin. Nicht immer sind die Städte angetan von der provisorischen Behausung. Sie verweisen auf ihre Notunterkünfte.