Moskau bewaffnet Milizen an Ukraine-Grenze
Veröffentlicht 3. August 2023Zuletzt aktualisiert 3. August 2023Das Wichtigste in Kürze:
- Russische Milizen an der Grenze zur Ukraine werden bewaffnet
- Polen und Litauen wollen Grenzen gegen Belarus sichern
- Pistorius will weiter keine Taurus-Marschflugkörper an Ukraine liefern
- Russland schränkt Verkehr durch Kertsch-Meerenge bei der Krim ein
- Russland zwingt Ukrainer zum Wechsel der Staatsbürgerschaft
In Russland haben die Gouverneure der an die Ukraine angrenzenden Regionen Kursk und Belgorod die Bewaffnung von "Volksmilizen" angekündigt. Dies geschehe, da seine Region seit Monaten "fast täglich" von "aus der Ukraine kommenden terroristischen Angriffen" getroffen werde, teilte der Gouverneur von Kursk, Roman Starowojt, auf Telegram mit. Starowojt erklärte, nach "mehreren Monaten" Arbeit an der "Frage der Bewaffnung der freiwilligen Volksmilizen" sei nun "ein Mechanismus gefunden" und die erste "Lieferung am Stützpunkt eingetroffen". In "naher Zukunft" werde die Anzahl der Waffen für die Miliz auf 300 erhöht, ergänzte der Gouverneur.
Der Gouverneur von Belgorod, Wjatscheslaw Gladkow, händigte Lokalmedien zufolge persönlich bei einer öffentlichen Zeremonie Waffen an Milizen aus. Auf Bildern war zu sehen, wie Kämpfer zunächst namentlich aufgerufen werden und jedem von ihnen dann ein automatisches Gewehr gegeben wird. In der Region Belgorod waren "freiwillige Volksmilizen" bereits in den ersten Wochen nach Beginn der russischen Offensive in der Ukraine gebildet worden. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow nannte die Ausrüstung der Milizen "rechtmäßig" und "notwendig" aufgrund der "Attentate", die aus dem Gebiet der Ukraine heraus verübt würden.
Die russischen Regionen entlang der Grenze zur Ukraine werden seit Monaten gelegentlich mit Drohnen attackiert. Moskau beschuldigt die ukrainische Regierung, dahinter zu stecken. Kampfhandlungen und Bombenangriffe haben mehrere grenznahe russische Ortschaften erreicht.
Polen und Litauen wollen Grenzen gegen Belarus sichern
Angesichts der Spannungen mit Belarus haben Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki und Litauens Staatschef Gitanas Nauseda bei einem Treffen im polnischen Grenzort Suwalki einen stärkeren Schutz der Grenzen angekündigt. Man verteidige die polnische Grenze gegen Provokationen des belarussischen Machthabers Alexander Lukaschenko und der russischen Wagner-Gruppe, sagte Morawiecki laut der Agentur PAP. Polen schütze seine Bürger durch die Entsendung zusätzlicher Soldaten, Grenzschützer und Polizisten und durch den Ausbau der Grenzbefestigungen. Nauseda schloss nicht aus, dass die Anrainer Polen, Litauen und Lettland koordiniert ihre Grenze zu Belarus schließen könnten.
Sorge bereitet Morawiecki und Nauseda unter anderem die sogenannte Suwalki-Lücke - ein schmaler Landstreifen zwischen dem russischen Kaliningrad und Belarus, der die baltischen Staaten mit Polen und den anderen NATO-Staaten verbindet. Der litauische Präsident sagte, dieser Korridor sei ein potenzielles Ziel für Übergriffe sowohl von Seiten Russlands als auch von Belarus.
Pistorius will keine Taurus-Marschflugkörper an Ukraine liefern
Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius hat sich erneut gegen eine Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine ausgesprochen. "Die Bedenken liegen auf der Hand", sagte Pistorius beim Besuch einer Gebirgsjägerbrigade in Bayern. Er verwies dabei auf die "besondere Reichweite" des Waffensystems von 500 Kilometern. Damit könnten die Taurus-Marschflugkörper auch russisches Staatsgebiet erreichen.
Der ukrainische Botschafter in Deutschland, Oleksii Makeiev, hatte diese Woche um die Lieferung der Marschflugkörper gebeten, da die Ukraine damit auch Stellungen der russischen Streitkräfte weit hinter der Frontlinie angreifen könnte. Politiker von CDU, FDP und Grünen hatten dies unterstützt. Aus der SPD kamen hingegen Warnungen vor einer Eskalation des Konflikts mit Russland, sollte das Waffensystem geliefert werden.
Auch die USA liefern keine Marschflugkörper an die Ukraine. Großbritannien hatte im Mai als erstes westliches Land die Lieferung von Marschflugkörpern vom Typ Storm Shadow an die Ukraine angekündigt. Frankreich sagte dann im Juli gleichfalls diesen gemeinsam mit den Briten entwickelten Marschflugkörper zu. Seine Reichweite liegt laut Hersteller bei mehr als 250 Kilometern.
EU weitet Sanktionen gegen Belarus aus
Die Europäische Union hat weitere Strafmaßnahmen gegen Russlands Verbündeten Belarus wegen des Angriffskriegs in der Ukraine in Kraft gesetzt. Die Sanktionen sollen nach Angaben der EU-Kommission unter anderem dazu führen, dass die bereits geltenden Beschränkungen gegen Russland nicht über Belarus umgangen werden können. Demnach verhängten die EU-Länder ein Exportverbot für Technologien, die in der Luft- und Raumfahrtindustrie eingesetzt werden können, wie zum Beispiel Drohnen. Außerdem sind künftig der Verkauf, die Lieferung oder die Ausfuhr von Schusswaffen und Munition verboten. Ausgeweitet wurde zudem das Exportverbot für Güter und Technologien, die sowohl zivil als militärisch genutzt werden können.
Außerdem wurden 38 Personen und drei Organisationen aus Belarus sanktioniert. Sie tragen den Angaben zufolge zur Unterdrückung der belarussischen Zivilgesellschaft bei und sind für Menschenrechtsverletzungen im Land verantwortlich.
Selenskyj will zum Schutz der Häfen mehr Luftabwehr
Angesichts von wiederholten russischen Angriffen auf ukrainische Hafeninfrastruktur und Getreide-Lager hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj erneut mehr internationale Unterstützung bei der Flugabwehr angemahnt. "Gemeinsam mit unseren Partnern tun wir unser Bestes, um die Lieferung von Luftverteidigungssystemen zu steigern", sagte Selenskyj in seiner abendlichen Ansprache. "Jeder Angriff ist ein gemeinsames Problem. Nicht nur für die Ukraine, sondern auch für all diejenigen in der Welt, deren Stabilität Russland zu zerstören versucht."
Mit seinem Angriffskrieg wolle Moskau eine "globale Katastrophe" herbeiführen, sagte Selenskyj. Die russischen Angreifer spekulierten auf Krisen am Lebensmittelmarkt und steigende Preise, von denen sie dann selbst profitieren könnten, fügte er hinzu. "Das sind sehr, sehr gefährliche Hoffnungen."
Russland hatte im Juli unter internationalem Protest ein internationales Abkommen zum Export ukrainischen Getreides aufgekündigt und bombardiert seitdem immer wieder ukrainische Häfen. Erst in der Nacht zum Mittwoch wurde in Odessa am Schwarzen Meer die Infrastruktur des Hafens durch Beschuss beschädigt.
Russland begrenzt Verkehr durch Kertsch-Meerenge
Russland schränkt die Schifffahrt durch die Straße von Kertsch, die das Schwarze Meer und das Asowsche Meer miteinander verbindet, weiter ein. Auch der Luftraum über der Meerenge sei gesperrt, teilte das Verteidigungsministerium mit. In einem als "vorübergehend gefährlich" markierten Bereich sei die Durchfahrt durch die Meerenge für Schiffe verboten - es sei denn, sie seien tagsüber in offiziell empfohlenen Fahrrinnen unterwegs, hieß es. Ausnahmen gelten demnach etwa für Wasserfahrzeuge der russischen Marine und des Grenzschutzes. Eine offizielle Begründung wurde nicht genannt.
Über die Straße von Kertsch führt allerdings die Krim-Brücke, die die von Moskau annektierte ukrainische Halbinsel Krim und das russische Festland miteinander verbindet. Erst vor wenigen Wochen wurde das 19 Kilometer lange Bauwerk beschädigt - Moskau führt das auf einen Drohnenangriff zurück und macht die Ukraine dafür verantwortlich. Die Ukraine will alle okkupierten Gebiete befreien - dazu gehört auch die Krim, die Russland sich völkerrechtswidrig einverleibt hat.
Berlin: Deutlich mehr Kriegsdienstverweigerer
Seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine hat sich die Zahl der Kriegsdienstverweigerungen von Soldaten und Reservisten der Bundeswehr mehr als verdreifacht. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion hervor. Im Jahr 2020 waren es demnach 120 und 2021 186 Anträge, im Jahr 2022 dagegen 673 Anträge auf Kriegsdienstverweigerung, wie die Bundesregierung mitteilte. In diesem Jahr seien bis Ende Mai 306 Anträge eingegangen, hieß es weiter.
Auch die Zahl der Kriegsdienstverweigerer bei sogenannten "Ungedienten" habe deutlich zugenommen. Die Zahl der Anträge sei von 22 im Jahr 2020 auf 450 im Jahr 2022 gestiegen. Im laufenden Jahr lägen bereits 366 Anträge vor.
Das Recht auf Kriegsdienstverweigerung geht aus Artikel 4 des Grundgesetzes hervor, in dem es heißt, dass niemand gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden darf.
Borrell warnt Entwicklungsländer vor Abhängigkeit von russischem Getreide
Die Europäische Union hat Entwicklungsländer gewarnt, sich in eine Abhängigkeit von Getreidelieferungen aus Russland zu begeben. "Während die Welt mit Versorgungsengpässen und steigenden Preisen zu kämpfen hat, kommt Russland nun mit bilateralen Angeboten für Getreidelieferungen zu reduzierten Preisen auf gefährdete Länder zu", heißt es in einem Schreiben des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell, das der Nachrichtenagentur Reuters vorliegt. Damit gebe Moskau vor, "ein Problem zu lösen, das es selbst geschaffen hat".
Borrell fügte hinzu: "Das ist eine zynische Politik, bei der Lebensmittel bewusst als Waffe eingesetzt werden, um neue Abhängigkeiten zu schaffen, indem wirtschaftliche Verwundbarkeit und die weltweite Ernährungsunsicherheit verschärft werden." Der russische Präsident Wladimir Putin erklärte vergangene Woche gegenüber afrikanischen Staats- und Regierungschefs, Russland könne die ukrainischen Getreideexporte nach Afrika ersetzen, um seine Rolle bei der globalen Ernährungssicherheit zu erfüllen.
Russland zwingt Ukrainer zum Wechsel der Staatsbürgerschaft
Russland übt einer US-Studie zufolge massiven Druck auf Ukrainer in den besetzten Gebieten aus, um sie zur Annahme der russischen Staatsbürgerschaft zu bewegen. In einem Bericht der Yale-Universität ist von "Bedrohungen, Einschüchterungen, Einschränkungen bei humanitärer Hilfe und Grundbedürfnissen sowie mögliche Inhaftierung oder Abschiebung" die Rede. Die Betroffenen hätten keine andere Wahl, als einen russischen Pass zu akzeptieren, wenn sie überleben wollten, sagte Nathaniel Raymond, Leiter des Humanitarian Research Lab von Yale.
Eine Stellungnahme der Regierung in Moskau liegt nicht vor. Ministerpräsident Michail Mischustin sagte im Mai, seit Oktober hätten fast 1,5 Millionen Menschen in Regionen Donezk, Luhansk, Saporischschja und Cherson russische Pässe erhalten.
Attacke auf ukrainischen Donau-Hafen nahe Rumänien sorgt für Empörung
Rumänien hat empört auf einen russischen Angriff auf den ukrainischen Donau-Hafen in Ismajil reagiert, der an der Grenze zu Rumänien liegt. Der rumänische Präsident Klaus Johannis verurteilte die "anhaltenden Angriffe auf die ukrainische zivile Infrastruktur an der Donau" in der Nähe Rumäniens als "Kriegsverbrechen". Sie beeinträchtigten "die Fähigkeit der Ukraine, Nahrungsmittel an Bedürftige in der Welt zu befördern".
Nach Angaben der Ukraine beschädigten oder zerstörten russische Drohnen einen Getreideaufzug, Getreidesilos und Lagerhäuser in der südlichen Region Odessa, in der auch Ismajil liegt. Dabei seien 40.000 Tonnen Getreide vernichtet worden, erklärte Infrastrukturminister Oleksandr Kubrakow am Dienstag. Die Lieferungen seien für Afrika, China und Israel bestimmt gewesen.
Da die Schwarzmeerroute seit dem Ende des Getreideabkommens zwischen Russland und der Ukraine praktisch blockiert ist, gewinnen die zuvor wenig unbekannten Häfen Ismail und Reni an der Donau für die internationale Nahrungsmittelversorgung an Bedeutung.
kle/bru/se/qu/ww (afp, dpa, rtr, kna)
Dieser Artikel wird am Tag seines Erscheinens fortlaufend aktualisiert. Meldungen aus den Kampfgebieten lassen sich nicht unabhängig überprüfen.