Putsch
20. September 2006Nach dem unblutigen Militärputsch in Thailand wollen die Generäle spätestens in zwei Wochen die Macht wieder abgeben. Das Kriegsrecht werde aufgehoben, sobald sich die Lage normalisiert habe, sagte Armeechef Sonthi Boonyaratklin am Mittwoch (20.9.2006) in Bangkok. Voraussichtlich werde es im Oktober 2007 Parlamentswahlen geben.
Verfassung außer Kraft gesetzt
Die Putschisten hatten bereits kurz nach der Machtübernahme in der Nacht zum Mittwoch mit General Surayudh Chulanont einen Vertrauten von König Bhumibol Adulyadej zum neuen Regierungschef ernannt. Zugleich erklärten sie das Kabinett sowie den Senat für aufgelöst und setzten die Verfassung außer Kraft. Während seiner Erklärung wurde General Sonthi von den Chefs von Marine, Luftwaffe und Polizei sowie vom Oberkommandierenden der Streitkräfte flankiert.
General Sonthi hatte am Mittwochmorgen erklärt, es sei nicht seine Absicht, die Macht an sich zu reißen und "Ersatzherrscher" zu sein. Die Streitkräfte seien zum Handeln gezwungen worden, um Korruption, nationale Zerstrittenheit und die Unterwanderung unabhängiger Behörden zu beenden, für die Regierungschef Thaksin Shinawatra verantwortlich sei. Das Auswärtige Amt in Berlin und die großen Reiseveranstalter sehen jedoch keinen Grund für eine vorzeitige
Abreise deutscher Urlauber aus Thailand.
Ruhe am Morgen
In der Hauptstadt Bangkok herrschte am Morgen nach dem Putsch Ruhe. An strategisch wichtigen Punkten der Millionenmetropole standen weiterhin Panzer. Die Weltgemeinschaft äußerte sich besorgt über den Staatsstreich.
Medienberichten zufolge flohen die Familie und Vertraute Thaksins außer Landes. Thaksins Abreise aus New York, wo er zurzeit an der UN-Vollversammlung teilnimmt, stehe bevor, das Ziel sei nicht klar, teilte der thailändische Botschafter in Washington, Virasakdi Futrakul, mit. Die thailändische Zeitung "The Nation" berichtete am Mittwoch in ihrer Online-Ausgabe, Thaksin sei bereits in Großbritannien eingetroffen.
Weltweite Mahnungen
UN-Generalsekretär Kofi Annan rief in New York die Thailänder unterdessen zur Ruhe auf. Die USA mahnten eine friedliche und demokratische Lösung der Krise an. Die EU forderte die Putschisten auf, zurückzustehen und den Weg für die demokratische Regierung freizumachen. Die Bundesregierung riet deutschen Urlaubern in Thailand, vorerst in ihren Hotels zu bleiben.
Annan äußerte am Dienstag in einem Interview mit dem US-Sender CNN die Hoffnung, dass das Land sobald wie möglich wieder zur Demokratie zurückkehren werde. Für eine konkrete Stellungnahme fehlten ihm aber noch die Informationen, sagte er am Rande der UN-Vollversammlung in New York. Die UN würden einen "Regierungswechsel durch demokratische Mittel" immer unterstützen. In einem Putsch sehe er allerdings "keine zu fördernde Praxis", sagte Annan.
Kriegsrecht gilt
Die Putschisten setzten in Thailand das Kriegsrecht ein. So sind unter anderem Versammlungen mit mehr als fünf Personen verboten. Wer dagegen verstoße, könne mit bis zu sechs Monaten Gefängnis bestraft werden, hieß es in einer Erklärung, die am Mittwoch im Fernsehen verlesen wurde. Sowohl für thailändische als auch für ausländische Medien wurde eine strikte Zensur verhängt. Das Kommunikationsministerium habe das Recht, "Desinformationen" über die Militärregierung zu unterbinden, hieß es in der Erklärung weiter. Die Medien wurden aufgerufen, "ehrlich und konstruktiv" zu berichten.
Streit um Thaksin
Der Militärstreich richtete sich vor allem gegen Regierungschef Thaksin Shinawatra. Wie das Militär ist auch die Bevölkerung tief gespalten über den 57 Jahre alten, schwerreichen Ministerpräsidenten. Er hat seine Anhängerschaft vor allem unter den Armen auf dem Lande, während ihm seine politischen Gegner besonders in der Mittelschicht Machtmissbrauch vorwerfen. Anfang des Jahres hatte es in Bangkok wochenlange Massenproteste gegen Thaksin gegeben.
Vertrauter des Königs an der Macht
Der 59-jährige Putschführer Sonthi war 2005 als erster Moslem zum Oberbefehlshaber der thailändischen Armee ernannt worden. Beobachter sahen darin auch einen Versuch der Regierung, den Aufstand im moslemisch geprägten Süden des Landes in den Griff zu bekommen. In jüngster Zeit hatte der Armeechef wiederholt Regierungschef Thaksin öffentlich kritisiert. Nachdem im August Attentatspläne gegen den Ministerpräsidenten bekannt geworden waren, war Sonthi jedoch auch selbst in die Kritik geraten.
Thailand war nach den Parlamentswahlen in der ersten Jahreshälfte in eine tiefe politische Krise gerutscht, nachdem die Opposition die Abstimmung aus Protest gegen Thaksin boykottiert hatte. Deshalb konnte das Abgeordnetenhaus trotz eines Sieges des Regierungschefs nicht zusammentreten. Die Wahl wurde inzwischen annulliert, im Oktober sollte abermals über ein neues Parlament abgestimmt werden. (kap)