"Operation Nachtwache" hat begonnen
8. Juli 2019Die "Operation Nachtwache" ist die umfassendste Untersuchung und Restaurierung des Gemäldes von Rembrandt van Rijn (1606-1669), die es je gab. Das rund 17 Quadratmeter ist das berühmteste Gemälde der Niederlande und befindet sich im Rijksmuseum in Amsterdam. Das monumentale Bild zeigt Schützen der Amsterdamer Bürgerwehr. Deren Kapitän, Frans Banning Cocq, gibt seinem Leutnant den Befehl zum Abmarsch.
Meisterwerk im Glashaus
"Die Nachtwache" (1642) wurde aus dem Rahmen genommen und auf eine speziell angefertigte Staffelei gestellt. Das Gemälde ist nun von einem gläsernen Raum umgeben, in dem Experten auf beweglichen Podesten arbeiten. Das Museumspublikum kann alles beobachten - und wer gerade nicht in Amsterdam ist, kann über die Website des Reichsmuseums ab 17 Uhr im Livestream zusehen.
Es handelt sich tatsächlich um eine Art "Operation", bei der der "Patient" zunächst untersucht wird, bevor die eigentlichen Eingriffe stattfinden: Den Startschuss des Projekts markierte am Montag (08.07.2019) ein erster Scan des Gemäldes. Um die gesamte Oberfläche des rund 17 Quadratmeter großen Bildes vollständig zu erschließen, sind 56 Scans nötig - allein jeder einzelne von ihnen dauert 24 Stunden. In der ersten Arbeitsphase wird das Bild zunächst mit Scannern, Lasern und Mikroskopen analysiert. Die Experten erhoffen sich davon Erkenntnisse über den Schaffensprozess des Bildes, vor allem über die Farben, die der Maler benutzte - von der Grundierung bis zu den verschiedenen Farbschichten.
Lokalisierung von Farbpigmenten
Verschiedene Pigmente im Bild, Übermalungen und Veränderungen, sollen exakt lokalisiert werden. Die Kunsthistoriker möchten so herausfinden, was Rembrandt selbst gemalt hat – und was vielleicht erst zu einem späteren Zeitpunkt hinzugefügt wurde. Die Informationen, die sie sammeln, sollen es ermöglichen, das Bild möglichst originalgetrau wiederherzustellen, ohne es (weiter) zu verändern.
Diese Aufgabe ist aber alles andere als einfach, denn das Gemälde wurde schon mehrfach beschädigt und in Folge dessen erneuert. Allein im 20. Jahrhundert gab es drei Angriffe auf das Bild: 1911, 1975 und 1990. Zuletzt restauriert worden war die "Nachtwache" 1976, nachdem ein psychisch kranker Mann das Bild mit Messerstichen beschädigt hatte. Bei den Arbeiten wurden Retuschen vorgenommen, die jetzt nachdunkeln und erneuert werden müssen, so das Museum.
Restaurieren, nicht interpretieren
Dass Restauratoren auch zum Interpretator des Künstlers werden, sei früher durchaus vorgekommen, so Gregor Weber, Leiter der Abteilung Bildende Kunst des Rijksmuseum, in einem Interview mit Deutschlandfunk Kultur. Im 17. und 18. Jahrhundert seien etwa Licht-Dunkel-Verhältnisse stärker herausgearbeitet worden, um eine bestimmte Stimmung zu verstärken. Heutzutage würden solche Eingriffe allerdings nicht mehr vorgenommen, so der Kunsthistoriker.
Wenn alle bei der Analyse gesammelten Informationen ausgewertet sind, soll damit begonnen werden, die "Nachtwache" nun auch im 21. Jahrhundert - erneut - zu restaurieren. Dabei geht es vor allem um Säuberungen: Rembrandts Meisterwerk ist in den vergangenen Jahrzehnten deutlich gealtert. So zeigt zum Beispiel der Hund, der auf dem Bild zu sehen ist, einen weißlichen Anschlag, der jetzt genau unter die Lupe genommen werden soll. An weiteren Stellen seien Farben verwischt, teilte das Museum mit.
Weltweit bisher einmalige "Behandlung" von Kunst
Jährlich besuchen mehr als zwei Millionen Menschen das Rijksmuseum in Amsterdam. Es beheimatet die weltweit größte Rembrandt-Sammlung. Mit der international bislang einmaligen "Operation Nachtwache" möchte das Museum Kunstliebhabern Einblicke in die üblicherweise geheimen Verfahren bei der Restaurierung von Meisterwerken geben. Diese Arbeiten hinter verschlossenen Türen durchzuführen, sei keine Option gewesen, so Gregor Weber bei Deutschlandfunk Kultur: "Das Publikum möchte gerne wissen, was mit dem Bild passiert, das so viele Leute so sehr mögen und so sehr sehen wollen – da darf es keine Geheimnisse geben." Mit der gewählten "Operation" kämen Kunstliebhaber der "Nachtwache" nun aber sogar näher als jemals zuvor. Die "Behandlung" des Kunstwerkes wird mindestens ein Jahr dauern. Die Kosten werden auf rund drei Millionen Euro veranschlagt.