Neuanfang unter Trümmern
In der Stadt Diyarbakir gingen türkische Sicherheitskräfte über Monate gegen kurdische Kämpfer vor. Zurück blieben Berge aus Schutt und Geröll. DW-Korrespondent Diego Cupolo konnte sich ein Bild von der Lage machen.
Eine Stadt aus Geröll
Seit drei Monaten liefern sich türkische Sicherheitskräfte erbitterte Kämpfe mit Anhängern der kurdischen Arbeiterpartei PKK. Einige Ladenbesitzer öffneten am Montag wieder ihre Geschäfte. Bis vor Kurzem herrschte noch eine strikte Ausgangsperre. Während die Truppen aus einigen Bezirken Diyarbakirs abgezogen sind, gehen die Kämpfe in sechs anderen weiter.
Zerstörte Altstadt
Den historischen Stadteil Sur haben die Kämpfe besonders schlimm getroffen. Die Altstadt wird von einer römischen Mauer umgeben (hinten in der Mitte des Bildes), die auch auf der Weltkulturerbe-Liste der UNESCO steht. Die Straßen von Sur sind zu schmal für Militärfahrzeuge. Aus Angst vor Boden- und Luftangriffen verschanzten sich viele kurdische Kämpfer hier.
Ein Hauch Normalität
Einige Anwohner kehren langsam in ihre Stadtteile zurück. Ihre Häuser finden sie völlig zerstört auf. Die schwere Artillerie der türkischen Sicherheitskräfte soll mehr als die Hälfte aller Gebäude in Sur getroffen haben. Die türkische Regierung spricht bisher von 271 getöteten Soldaten, eine Gesamtzahl aller Opfer steht noch nicht fest.
Unruhiges Leben
Auch in der Nacht von Montag auf Dienstag kamen Menschen ums Leben. Truppen der Regierung hatten PKK-Sympathisanten nach einem Gefecht in einem eingestürzten Gebäude überwältigt. Die Menschen gelangten über Korridore wieder in die Stadt. Dabei müssen sie in- und außerhalb von Sur mit Polizei-Kontrollen rechnen. Die bereits angespannte Atmosphäre wird vom Surren der Helikopter noch verstärkt.
Neue Fronten
Trotz einiger Scharmützel haben die türkischen Sicherheitskräfte ihre Aktivitäten zurückgefahren. Aus vielen anderen kurdischen Städten sind die Truppen teilweise komplett abgerückt. Zur gleichen Zeit entstehen aber neue Fronten in der Kurdenregion. So starteten diese Woche Militäroperationen in den Städten Yüksekova, Nusaybin und Şırnak.
Öcalans Erbe
In Sur ist politisches Graffiti genauso gewöhnlich wie Einschusslöcher. Diese Frau geht an einer Aufschrift des PKK-Führers Abdullah Öcalan vorbei. Dieser hatte in den 1970er-Jahren die kurdische Arbeiterpartei PKK gegründet. Die Untergrundorganisation kämpft für die Unabhängigkeit der Kurden und wird von der Türkei, den USA, der EU und Deutschland als Terrororganisation eingestuft.
Kugelhagel
Ein Teenager hält eine Kugel in der Hand, die in der Tür seines Elternhauses einschlug. Der Junge möchte anonym bleiben. Er erzählt, dass viele Wohnungen gezielt zerstört wurden. Die Sicherheitskräfte hätten die Einwohner so für die Unterbringung von "Terroristen" bestrafen wollen - ungeachtet, ob sie wirklich Kämpfer unterbrachten oder nicht.
Die Angst vor Krieg bleibt
"Ohne eine stabile Türkei gibt es auch kein stabiles Europa oder stabile Vereinigte Staaten. Aus diesem Konflikt kann sehr schnell ein Bürgerkrieg werden", sagt Ramazan Tunc, Berater der Kurdenpartei DBP. "Stellen sie sich nur vor, wo die vielen Flüchtlinge eines solchen Krieges hingehen werden."
Ein neues Toledo?
Die Architektur in Sur werde nach Ende der Militäroperationen wieder hergestellt, wie einst im spanischen Toledo, so der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu. Im Februar sagte er zur türkischen Presse: "Unser Kampf wird weitergehen, bis die öffentliche Ordnung in jeder Provinz, in jedem Dorf, jedem Feld, auf jedem Berg, jedem Fluss wieder hergestellt ist."