Rekordzahl!
20. Juni 2012Deutsche Welle: 800.000 Flüchtlinge haben im Jahr 2011 im Ausland Zuflucht gesucht. Noch andere dreieinhalb bis vier Millionen Menschen sind im eigenen Land aus ihrem Zuhause vertrieben worden. Woran liegt es, dass diese Zahlen gestiegen sind?
Melissa Fleming: Wir haben viele Erfahrungen über die letzten 60 Jahre gesammelt. Leider ist Krieg ein Teil unserer Gegenwart. Und Kriege sind immer noch der Hauptgrund, warum es so viele Flüchtlinge gibt. Insgesamt 42 Millionen Leute sind geflohen und sind irgendwo anders als in ihrer Heimat. Das Problem ist, dass die alten Krisen - zum Beispiel in Somalia oder Afghanistan – keine Lösung finden. Die Leute bleiben im Exil. Und dann kommen neue Krisen dazu. Ich denke an Syrien oder an den Südsudan. Und mit den Krisen kommen mehr und mehr Flüchtlinge, die Hilfe brauchen.
Wenn wir jetzt den aktuellen UNHCR-Bericht sehen, dann zählt Syrien immer noch zu den größten Aufnahmeländern, hauptsächlich für Flüchtlinge aus dem Irak. Wie hat sich die Situation für die irakischen Flüchtlinge in Syrien durch die Unruhen geändert?
Auf jeden Fall bleibt Syrien ein sehr großzügiges Land Flüchtlingen gegenüber. Aber natürlich ist die Situation für irakische Flüchtlinge im Moment so schlimm wie für die gesamte Bevölkerung. Es ist eine sehr unsichere Situation und wir glauben, dass um die 15.000 Flüchtlingen bereits aus Syrien in den Irak zurückgegangen sind.
Vier von fünf Flüchtlingen gehen in ein Entwicklungsland. Sind Sie damit zufrieden, wie die internationale Gemeinschaft diesen Entwicklungsländern hilft?
Einerseits sind wir zufrieden, anderseits müssen wir immer sagen, dass es nicht genug ist. Eigentlich ist es unglaublich, was Länder wie Pakistan leisten, die wirklich ihre eigenen Probleme haben mit Armut und Krisen. Pakistan hat 1,7 Millionen afghanische Flüchtlinge aufgenommen. Und in der drittgrößten Stadt Kenias leben eine halbe Million Flüchtlinge aus Somalia. Natürlich brauchen sie Hilfe und mehr Solidarität. Diese Länder sollten für das anerkannt werden, was sie diesen Leuten gegenüber leisten, die Schutz und Hilfe brauchen.
Auch die Zahl der Menschen, die in Industrieländern Asyl suchen, ist im vergangenen Jahr gestiegen. Sind Sie zufrieden mit der Reaktion der reicheren Länder? Nehmen diese tatsächlich mehr Menschen auf?
Es hängt vor allem davon ab, wo ein Flüchtling landet. Wenn er zum Beispiel in Deutschland ankommt, hat er sehr gute Chancen auf einen fairen Asylprozess. Wenn er in Griechenland landet, hat er viel schlechtere Chancen - das liegt an dem Asylsystem des Landes. Aber nach EU-Vorgaben müssen Flüchtlinge in dem Land, in dem sie angekommen sind, um Asyl bitten. Es gibt sehr großzügige, sehr professionelle Länder - und andere, wo ich kein Flüchtling sein möchte.
Melissa Fleming ist die Sprecherin des UN-Flüchtlingshilfswerks.