Neue Streiks bei Amazon
29. März 2016Es ist ein zäher Konflikt, und er dauert schon drei Jahre. Eine der größten Gewerkschaften Deutschlands kämpft gegen den weltweit größten Online-Händler. Die Gewerkschaft Verdi will bei Amazon in Deutschland einen Tarifvertrag für die Beschäftigten durchsetzen - Amazon will mit Verdi nicht einmal reden.
Es ist auch ein ungleicher Kampf. Der Gigant Amazon hat allein in Deutschland 25 Millionen Kunden, weltweit macht er Milliardenumsätze. Aufgerufen von Verdi beteiligen sich manchmal 400, manchmal 700 Beschäftigte an den Streikaktionen gegen Amazon. Insgesamt arbeiten fast 11.000 Menschen in Deutschland für das US-Unternehmen. Von mittlerweile neun deutschen Verteilzentren - 29 sind es in ganz Europa - beliefert Amazon seine Kunden. Da kann man einen Streik irgendwo in Deutschland leicht umgehen. "Glatteis bereitet uns mehr Kopfzerbrechen als Verdi-Aktionen", so wurde Amazons Deutschland-Chef Ralf Kleber in diesem Winter zitiert.
Händler oder Logistiker?
Die Gewerkschaft aber will nicht aufgeben. Ihr geht es zunächst einmal um den Tarifvertrag als solchen. Gegen den wehrt sich Amazon grundsätzlich. Dabei befürwortet auch der deutsche Arbeitgeberverband die sogenannte Tarifpflicht. Sie bringe beiden Seiten mehr Sicherheit und erhöre den Betriebsfrieden, so das Argument.
Verdi geht es aber auch um ein wichtiges Detail für diesen Tarifvertrag: Im eigenen Mutterland, den USA, so Hubert Thiermeyer, Verdi-Gewerkschaftssekretär in München, stufe sich Amazon als Händler ein, in Deutschland aber als Logistikunternehmen. Die Löhne bei den Logistikern sind in Deutschland niedriger als die im Handel. Das Ziel von Verdi also: Tarifverträge nach den Vorgaben für den Einzel- und Versandhandel.
Seit 2013 zieht sich der Konflikt hin, rund hundert Tage wurde bislang gestreikt. Kurz vor Ostern gab es mehrere Streikaktionen in Nordrhein-Westfalen. Am Dienstag wurde in Bayern und Leipzig die Arbeit niedergelegt. Nicht mehr als 270 Beschäftigte der Frühschicht hätten mitgemacht, so Amazon. Die Gewerkschaft nimmt dennoch kleinere Erfolge für sich in Anspruch. Anfangs sei nur an einem Amazon-Standort gestreikt worden, mittlerweile beteiligten sich die Mitarbeiter in sieben Amazon-Zentren an Streiks, sagte Verdi-Chef Bsirske unlängst der Zeitung "Tagesspiegel". "Das zeigt, dass wir vorangekommen sind."
"Auf die Moral eingehen"
Auch die Tatsache, dass Amazon inzwischen die Löhne erhöht habe und Weihnachtsgeld zahle, sei "eine direkte Reaktion auf eine Belegschaft, die ihre Interessen in die eigenen Hände nimmt", sagte Bsirske. Das Unternehmen, das sich als Logistikkonzern sieht, verweist auf eine Bezahlung am oberen Ende des in dieser Branche Üblichen. "Wir konzentrieren uns darauf, dass die Kunden ihre Waren bekommen", heißt es bei Amazon in Deutschland. Ansonsten spreche man mit den Beschäftigten und den Betriebsräten. Das klingt nicht wie ein Angebot an die Gewerkschaft.
Die kann bei solch einem Gegner kaum klein beigeben. Dass es nun überhaupt Betriebsräte in den deutschen Amazon-Zentren gibt, verbucht man bei Verdi als Erfolg der eigenen Aktionen. Die Streiks seien ja "kein Selbstzweck". Auf jeden Fall würden sie weitergehen. "Wenn transnationale Konzerne sich Wettbewerbsvorteile auf dem Rücken der Beschäftigten verschaffen, heizt dies den ruinösen Verdrängungswettbewerb im Handel noch weiter an", sagte Hubert Thiermeyer. Und, so der Gewerkschaftssekretär aus München, "wir werden stärker auf die Moral oder Unmoral des Konzerns eingehen".
ar/iw (dpa, rtr, afp)