Niederländer wählen neue Provinzparlamente
2. März 2011Die Wahlen der Parlamente aller zwölf Provinzen in den Niederlanden haben am Mittwoch (02.03.2011) begonnen. Die Ergebnisse sind ausschlaggebend für die künftigen Machtverhältnisse in der Ersten Kammer, dem Oberhaus des nationalen Parlaments in Den Haag. Sie ist mit Bundesrat in Deutschland vergleichbar. Für die Minderheitsregierung des rechtsliberalen Ministerpräsidenten Mark Rutte sind die Wahlen deshalb von herausragender Bedeutung. Rund 13 Millionen Stimmberechtigte sind seit dem Morgen aufgerufen 566 Provinzabgeordnete zu wählen. "Es geht am 2. März um mehr als um Provinzregierungen, es geht um die nationale Politik der Niederlande", sagt Frits Wester, Kommentator des Senders RTL4.
Umfragen sagten einen knappen Ausgang der Abstimmung voraus. Demnach könnte die erst im Oktober angetretene Mitte-Rechts-Regierung die Mehrheit in diesem Gremium verfehlen. Die Abstimmung gilt daher auch als mögliche Weichenstellung für die Zukunft des Kabinetts, das derzeit mit Unterstützung der PVV (Partij voor de Vrijheid, Partei für die Freiheit) des populistischen Islamgegners Geert Wilders PVV regiert. Wilders Partei sichert der Regierung im Parlament eine knappe Mehrheit. Rutte warnte die Wähler bereits vor einem politischen Stillstand in den Niederlanden.
Minderheitenregierung braucht Wilders
In der Ersten Kammer, auch Senat genannt, hat bislang noch die Opposition die Mehrheit. Wichtige Gesetze werden nur wirksam, wenn auch die Erste Kammer sie billigt. Die beiden Regierungsparteien, die Rechtsliberalen (VVD) und die Christdemokraten (CDA), benötigen im Senat 38 Mandate, um ihre Gesetzesvorhaben dort aus eigener Kraft durchbringen zu können. Im scheidenden Senat verfügen VVD und CDA nur über 35 Sitze.
Die Erste Kammer wirkte daher bislang noch wie ein Bollwerk der Mitte-Rechts-Regierung. Ruttes umstrittene Vorhaben seines Programms "Freiheit und Verantwortlichkeit" – darunter massive Kürzungen im Staatshaushalt, der Ausbau des Polizeiapparates, der Bau neuer Atomkraftkraftwerke und die Verschärfung der Ausländer- und EU-Politik – waren noch nicht oder nur in Ansätzen durchsetzbar. Gestritten wurde in den letzten Wahlkampf-Debatten auch über die von der Regierung angestrebte Kürzung bei Sozialausgaben sowie über ein von Wilders' Freiheitspartei verlangtes Verbot von Kopftüchern als islamisches Symbol.
Die politischen Verhältnisse könnte sich allerdings ändern, wenn Wilders' Freiheitspartei mit einer ausreichend großen Zahl von Senatoren in die Erste Kammer einzieht. Denn dann würde der Rechtspopulist Wilders auch dort die Rolle des politischen Dulders übernehmen, die er bereits im eigentlichen Parlament spielt: In der Zweiten Kammer dient Wilders' PVV, die dort 2010 drittstärkste Partei wurde, der Minderheitsregierung als Mehrheitsbeschaffer.
Grundlage ist ein Duldungsabkommen, bei dem Wilders erhebliche Gegenleistungen durchgesetzt hat. Dazu gehört unter anderem die Reduzierung der Einwanderung aus islamischen Ländern. Wilders lehnt zudem die Erhöhung des Rentenalters und die Lockerung des Kündigungsschutzes ab. Auch dadurch erklärt sich sein politischer Erfolg.
PVV könnte Gewinner werden
Bei den Wahlen wird ein Zuwachs für die rechtspopulistische PVV erwartet, die zum ersten Mal bei Wahlen zu den zwölf Provinzparlamenten der Niederlande angetreten ist. Laut Umfragen könnte die PVV im Senat sogar zweitstärkste Kraft hinter Ruttes VVD werden und gleichauf mit den oppositionellen Sozialdemokraten liegen. Doch während Wilders' Partei in dem 75-Sitze-Gremium auf ein Dutzend Mandate hoffen kann, wird Ruttes Koalitionspartner CDA ein Absturz von 21 auf zehn Sitze prognostiziert.
So könnte die Opposition am Ende eine knappe Mehrheit behalten und das Rutte-Kabinett bliebe flügellahm. Allgemeine Neuwahlen könnten sich anbahnen. Genau darauf hofft die von den Sozialdemokraten geführte linke Opposition. Den "großen blonden Dulder" der Regierung versuchte sie mit einer Video-Kampagne im Internet lächerlich zu machen.
Da die Wahllokale bis 21.00 Uhr geöffnet sind, wird erst am frühen Donnerstag mit Ergebnissen gerechnet. Die 566 Abgeordneten der zwölf Provinzparlamente, "Provinciale Staten", wählen im Mai die 75 Senatoren der Ersten Kammer des Parlaments.
Autorin: Naima El Moussaoui (dpa, afp, rts)
Redaktion: Reinhard Kleber