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PolitikAsien

Nordkorea: Schaden durch "faschistische Diktatur" in Seoul

Julian Ryall aus Tokio
11. Dezember 2024

Meldungen über politische Unruhe in Südkorea wurden im Norden mehr als eine Woche lang zensiert. Nun bricht Pjöngjang das Schweigen und propagiert seine Sicht der Überlegenheit des Sozialismus.

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Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un
(Archiv) Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un (m.)Bild: Korean Central News Agency/Korea News Service via AP/picture alliance

Neun Tage lang hüllt sich Pjöngjang in Schweigen, trotz gravierender politischer Unruhe im benachbarten Südkorea. Dort hatte Präsident Yoon Suk Yeol für sechs Stunden lang das Kriegsrecht ausgerufen und stürzte das Land ins politische Chaos. Südkoreanische Soldaten umstellten das Parlamentsgebäude in Seoul.

Normalerweise berichten Nordkoreas Staatsmedien gerne über die kleinsten Skandale im Süden. Diese gelten als Beweis für Korruption und Inkompetenz der Führung im demokratischen Süden und für die Überlegenheit des Sozialismus. Aber Pjöngjang blieb letzte Woche ruhig und verspottete seinen Nachbarn und ideologischen Rivalen nicht.

Auf der Medienagenda der staatlichen Nachrichtenagentur KCNA standen in der letzten Woche innenpolitische Themen wie die Eröffnung einer Gewürzfabrik und Jugendgruppen, die dem sozialistischen Regime ewige Treue schworen.

Südkorea kämpft um seine Demokratie – wieder einmal

Warum kein Spott aus dem Norden?

Viele Analysten machten große Augen über die verdächtige Verschwiegenheit. Südkoreas Präsident Yoon wird im Vergleich zu seinem liberalen Vorgänger als Hardliner gegenüber Nordkorea angesehen.

Einige Experten glauben, dass das Regime in Pjöngjang deswegen auf die Berichterstattung verzichtet habe, weil die Sorgen groß sind, dass unzufriedene Bürger Nordkoreas auf die Straße gehen könnten.

Andere Analysten denken, dass der Norden militärische Provokationen durch den Süden befürchte, damit der unbeliebte Präsident Yoon die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit im Süden ablenken könne.

Südkorea Seoul 2024 | Präsident Yoon Suk Yeol gibt Pressekonferenz im Präsidialamt
Südkoreas unbeliebter Präsident Yoon Bild: AP Photo/picture alliance

Eine weitere Theorie für das Schweigen Nordkoreas ist, dass Pjöngjang Südkorea "eindeutig als feindlichen Staat" in der vor Kurzem überarbeiteten Verfassung definiert. Der Machthaber Kim Jong Un strebt nach Berichten von KCNA nicht mehr das langjährige Ziel einer Wiedervereinigung an. Er wolle ein Zwei-Staaten-System, hieß es. Seit den 1950er-Jahren befinden sich beide Koreas formal immer noch im Kriegszustand.

In dieser Situation sei Pjöngjang offenbar der Ansicht, dass es sich nicht zu der politischen Krise im Süden äußern müsse, sagt Andrei Lankov, Professor für Geschichte und internationale Beziehungen an der Kookmin-Universität in Seoul.

Nordkorea | Kim Jong-Un trifft MoonJea-In und  Donald Trump 2019
2019 vermittelte der damalige US-Präsident Trump (m.) ein Treffen zwischen Kim und dem damaligen südkoreanischen Präsident Moon am Grenzpunkt Panmunjom Bild: KCNA/AP Photo/picture alliance

"Nur ein Land wie jedes andere"

"Seit Yoon an der Macht ist, gab es fast jedes Wochenende große Proteste in Seoul gegen seine Regierung", sagt Lankov im Interview mit der DW. "Und jedes Mal, wenn es eine Kundgebung gab, berichteten die nordkoreanischen Medien darüber. Das geschah aber nicht nach den jüngsten Protesten, nachdem Yoon das Kriegsrecht ausgerufen hatte. Ich denke, das lag zum Teil daran, dass der Norden abwarten wollte, was demnächst im Süden passieren würde."

"Aber insgesamt wird die Berichterstattung über Südkorea im Norden reduziert", so Lankov weiter, "das Regime will die öffentliche Aufmerksamkeit nicht auf den Süden lenken. Die Nordkoreaner sollen nun verstehen, Südkorea sei nur ein Land wie jedes andere.

Südkorea | Grenze zu Nordkorea (DMZ) bei Paju | Freedom Bridge
Grenzübergang zwischen Süd- und Nordkorea bei PajuBild: imago stock&people

Goo Gap-woo, Professor für Außenpolitik an der University of North Korean Studies in Seoul, stimmt zu, dass Pjöngjang nun die Politik der Distanzierung verfolge. "Der Norden erwähnt normalerweise sehr schnell das 'Marionettenregime Südkoreas' und so weiter, wenn es soziale Unruhen gibt. Ich war überrascht, dass sie diesmal nichts zu den Demonstrationen gesagt haben", sagt Goo im DW-Interview. "Ich kann mir gut vorstellen, dass Kim Jong Un mit Südkorea nichts mehr zu tun haben will, nachdem er letztes Jahr das Zwei-Staaten-System vorgestellt hatte."

"Insbesondere will Kim nicht in einen Konflikt auf der koreanischen Halbinsel verwickelt werden", fügt Goo hinzu. Die Spannung auf der Halbinsel habe in der letzten Zeit zugenommen, nachdem die US-Medien berichtet hatten, dass Nordkorea Truppen und Munitionen an Moskau für den Ukraine-Krieg geliefert hatte, jüngst offenbar auch schwere Artilleriegeschütze.

Spannungen zwischen Süd- und Nordkorea

Nordkorea bricht doch sein Schweigen

Letztendlich hat Nordkorea jedoch offenbar eingesehen, dass das Regime die Nachrichten aus dem Süden nicht mehr zensieren kann. Viele Überläufer haben noch Kontakte zu ihren Familien in Nordkorea. Und sie berichten schon über die politische Unruhe und lassen Datenträger nach Norden schmuggeln.

Am Mittwoch (11.12.) berichtete KCNA: "Der schockierende Vorfall des Marionettenregimes von Yoon Suk-yeol, das plötzlich das Kriegsrecht ausrief und die Waffen und Messer seiner faschistischen Diktatur einsetzte, ohne zu zögern, richtete in ganz Südkorea verheerende Schäden an."

Südkorea Seoul 2024 | Demo der Demokratischen Partei gegen Präsident Yoon Suk Yeol
Massenprotest in Seoul gegen Präsident YoonBild: Ahn Young-joon/AP Photo/picture alliance

Das südkoreanische Militär sei eine "Gangsterorganisation" und Yoons Handlungen "eine Katastrophe". Deswegen fordere die Öffentlichkeit in Südkorea die sofortige Amtsenthebung.

KNCA veröffentlichte etwa 20 Fotos aus Südkorea. Keines davon zeigt Zivilisten, die sich vor dem südkoreanischen Parlament dem Militär widersetzten - offenbar ein Versuch zu verhindern, dass Nordkoreaner auf ähnliche Gedanken kommen.

Aus dem Englischen adaptiert von Dang Yuan

Freiberufliche Mitarbeiter, Julian Ryall
Julian Ryall Korrespondent und Reporter in Tokio