Nordkorea will lieber Kontrolle als Lebensmittel
20. Dezember 2005Bereits Ende August 2005 hatte das Regime in Pjöngjang dazu aufgefordert, die ausländischen humanitären Projekte bis Ende des Jahres abzuschließen. Mitte Dezember hatte James Morris, Direktor des Welternährungsprogramms (World Food Programme – WFP), noch zweitägige Gesprächen mit nordkoreanischen Regierungsvertretern geführt - ohne Erfolg.
Zwei Millionen Nordkoreaner verhungert
Dabei gilt das kommunistisch regierte Land als eines der ärmsten weltweit. Mitte der 1990er Jahre waren viele Hilfsorganisationen auf Bitten Pjöngjangs ins Land gekommen. Damals war die staatlich kontrollierte Landwirtschaft zusammengebrochen und es herrschte eine Dürreperiode. Nach Schätzungen sind in der Zeit mehr als zwei Millionen Nordkoreaner verhungert.
Seitdem hat alleine die UN-Organisation WFP im bisher größten Hilfsprojekt ihrer Geschichte nach eigenen Angaben 1,7 Milliarden US-Dollar an Hilfe für das diktatorisch regierte Land geleistet. Laut WFP leiden nach wie vor Zehntausende Nordkoreaner an Unterernährung. Noch heute gilt ein Drittel bis die Hälfte aller Kinder als nicht ausreichend ernährt.
Wünsche an die Helfer
Nordkoreas Führung hatte den Verzicht auf Nahrungsmittelhilfe schon vor einigen Wochen mit einer besseren Ernte und mehr Lieferungen aus Südkorea und China erklärt. Man wolle außerdem verhindern, von ausländischen Spenden abhängig zu werden, hieß es. Laut WFP-Direktor Morris wünsche Pjöngjang zudem, dass die Organisation zukünftig anstelle von Lebensmitteln Entwicklungshilfe bereitstelle.
Hilfsorganisationen und Asien-Experten halten diese Gründe jedoch für vorgeschoben. "Die Entwicklungshilfe für Nordkorea ist erst im Herbst 2002 wegen der zweiten Nuklearkrise in Nordkorea ausgesetzt worden. Weil das Regime in Pjöngjang angab, Atomwaffen zu entwickeln, haben die Geberländer die Hilfe gestoppt und wollen das Geld nicht freigeben", sagt Hanns Günther Hilpert, Ostasien-Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin.
Kontrollen durch Ausländer unerwünscht
Die Hilfslieferungen des Nachbarn Südkorea oder des kommunistischen China sind hingegen willkommen, weil sie von Kontrollen nicht anhängig sind. "Südkorea prüft nicht, ob dessen Hilfslieferungen tatsächlich bei Bedürftigen und nicht beim Militär ankommen", sagt Hilpert. "China hat diese Auflage für seine Lebensmittel gar nicht." Die UN und europäische Hilfsorganisationen überprüfen diese Bedingungen hingegen, und zwar mit Mitarbeitern im Land. Die Kontrollen durch Ausländer sind laut Hilpert der Hauptgrund, warum Pjöngjang auf die fremde Hilfe lieber verzichtet.
Einfluss- und Informationskanal
Bis zu 120 ausländische Mitarbeiter von Hilfsorganisationen sind schätzungsweise noch im Land, 32 davon vom WFP. Sie haben in dem rigoros abgeschotteten Nordkorea durch ihren – wenn auch begrenzten – Kontakt mit der Bevölkerung einen Einfluss- und Informationskanal geschaffen, den Pjöngjang nicht kontrollieren kann.
"Jede westliche Präsenz will man aus dem Land raus haben, damit die völlige Kontrolle bestehen bleibt", sagt auch Thorsten Hinz, Referent im Asien-Referat der katholischen Hilfsorganisation Caritas international. Sie leistet seit Jahren zusammen mit dem WFP Unterstützung in Nordkorea.
Kompromiss gesucht
Doch auch wenn die Frist für das Ende der Nothilfe bis Jahresende auf dem Tisch liegt, scheint das letzte Wort noch nicht gefallen. "Das WFP spricht derzeit mit den Geberländern über die Bedingungen Nordkoreas", sagt Bettina Lüscher vom Welternährungsprogramm. Zwei bis vier Wochen könne es noch dauern, bis die UN-Organisation entscheiden muss, wie sie in dem Land arbeiten will und kann. "Es geht um die Frage, welche Art von Hilfe geleistet werden kann. Aber auch darum, wie viele Leute bleiben können", sagt Lüscher.
Die Deutsche Welthungerhilfe, die eine eigene Niederlassung im Land hat, wartet zunächst ab. Caritas international macht erstmal weiter und zeigt sich zuversichtlich: "Wir denken, dass es noch einen Kompromiss über die Bedingungen der Hilfe geben wird", sagt Asien-Experte Hinz.