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Wim Wenders neuer Film - Perfect Days

Scott Roxborough
20. Dezember 2023

Hommage an Japan: Der deutsche Filmemacher Wim Wenders drehte einen Film über einen Toilettenmann in Tokio.

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Filmausschnitt aus "Perfect Days" von Wim Wenders
Filmausschnitt aus "Perfect Days" von Wim Wenders über einen Toilettenreiniger in TokioBild: Master Mind Ltd

Hirayama, der Protagonist von Wim Wenders' neuem Film "Perfect Days", ist ein Mann mit strengen Routinen. Jeden Tag steht er vor Sonnenaufgang auf, trimmt sorgfältig seinen Schnurrbart, gießt liebevoll seine Pflanzen, die er auf dem Gelände eines nahegelegenen Schreins gepflanzt hat, steigt in seinen alten Van und fährt zur Arbeit. Auf dem Weg dorthin hört er eine Kassette aus seiner umfangreichen Sammlung von Rockklassikern der 1960er und 1970er Jahre, darunter The Rolling Stones, Otis Redding, die Kinks und natürlich, angesichts des Titels des Films, Lou Reed.

Hirayama reinigt beruflich die öffentlichen Toiletten im Shibuya-Viertel von Tokio. Seine Arbeit - all das Schrubben, Bürsten und Wischen - ist nicht glamourös, aber es ist ein wichtiger Dienst, und Hirayama, der von der japanischen Leinwandlegende Kōji Yakusho mit mühelos kühler Würde gespielt wird, geht mit dem gleichen Bewusstsein und der gleichen sorgfältigen Aufmerksamkeit für Details vor, wie er sie in jedem Moment seines Tages zelebriert.

Ein Mann und eine Frau sitzen auf einer Parkbank und schauen in den Himmel
Auf der Suche nach der Schönheit des Augenblicks - Szene aus Wim Wenders Film über einen Toilettenmann in TokioBild: Neon via AP/picture alliance

Die Toiletten selbst sind wunderschön. Eine ist eine strahlend weiße Kuppel, wie ein gelandetes Raumschiff. Eine andere ist ein Labyrinth aus Holzbrettern. Eine hat bunte, aber transparente Wände. Als eine offensichtlich verwirrte Amerikanerin fragt, wie das funktioniert, schlüpft Hirayama wortlos hinein und schließt die Tür ab. Das Glas wird undurchsichtig.

Das Tokioter Toilettenprojekt

Jedes der in "Perfect Days" gezeigten Gebäude ist eine existierende öffentliche Toilette und Teil eines Sanierungsprojekts im Tokioter Bezirk Shibuya. Als die Nippon Foundation 2018 das "Tokyo Toilet Project" ins Leben rief, sagte sie laut Projektkoordinatorin Yamada Akiko auch dem Image öffentlicher Toiletten als "dunkel, schmutzig, stinkend und unheimlich" den Kampf an.

Einige der führenden Architekten des Landes, darunter Ban Shigeru, Gewinner des prestigeträchtigen Pritzker-Architekturpreises, und Kengo Kuma, der preisgekrönte Designer des Victoria & Albert-Museums im schottischen Dundee, hauchten der Idee der öffentlichen Toilette im zeitgemäßen Design neues Leben ein. So enstanden nicht weniger als 17 WCs in Shibuya neu. Sie alle sind als Kunstwerke konzipiert und, mehr noch, für jederman zugänglich, "unabhängig von Geschlecht, Alter oder Behinderung." Das Projekt, so die Nippon Foundation, schreibt Vielfalt groß.

Wim Wenders
Liebe zu Japan: Der deutsche Regisseur Wim Wenders Bild: Shuji Kajiyama/AP/dpa/picture alliance

Damit nicht genug: Das Shibuya-Viertel wandte sich an Wim Wenders mit dem Vorschlag, einen Dokumentarfilm über das Projekt zu drehen. Der deutsche Filmemacher pflegt eine lange und innige Beziehung zu Japan. Wenders nennt "Tokyo-Story" (1953) des japanischen Meisters Yasujiro Ozu einen der Hauptgründe, warum er Filmemacher wurde. 1985 drehte er einen Dokumentarfilm über Ozu, "Tokyo-Ga". Vier Jahre später drehte er "Notebook on Cities and Clothes", einen weiteren Dokumentarfilm über den Modedesigner Yohji Yamamoto, der in Japan spielt.

Japanische Toilettenkultur

Doch für Wenders ging es beim "Tokyo Toilet Project" um mehr als nur um Architektur. Er wollte etwas sichtbar machen, das tief in der japanischen Kultur verwurzelt ist. So entschied er sich anstelle eines Dokumentarfilms für ein Spielfilmdrama - in dessen Mittelpunkt das Tokyo Toilet Project steht.

"Auf der einen Seite gibt es in Japan ein ausgeprägtes Gefühl von 'Dienstleistung' und 'Gemeinwohl'", sagte Wenders kürzlich in einem Interview. "Auf der anderen Seite die schiere architektonische Schönheit dieser öffentlichen Sanitäranlagen. Ich war erstaunt, wie sehr Toiletten Teil der Alltagskultur sein können und nicht nur eine fast peinliche Notwendigkeit."

Japans Toilettenkultur hat zweifellos etwas Einzigartiges. Öffentliche Toiletten sind in Tokio allgegenwärtig. In der Stadt kommen auf 100.000 Einwohner 53 öffentliche WCs. In Berlin, wo sich die Zahl der Toiletten vor kurzem verdoppelt hat, sind es immer noch nur 11,5 je 100.000 Einwohner. Selbst die bescheidensten öffentlichen Anlagen in Tankstellen oder Fastfood-Restaurants sind ein Wunder an anspruchsvoller Hygiene. Japan ist weltweit führend in Sachen Hightech-Toiletten, die in der Regel mit beheizten Sitzen, eingebauten Bidets mit Düsen zum Waschen und Trocknen des Hinterns der Benutzer, automatischer Spülung und oft auch mit einer Musikauswahl zur Überdeckung der Toilettengeräusche ausgestattet sind. Toto, der führende Toilettenhersteller des Landes - und Partner des Tokioter Toilettenprojekts - unterhält ein eigenes Museum, das die Geschichte der Keramikspültoilette erzählt.

Toiletten als kulturelle Metapher

Der Schauspieler Koji Yakusho im Smoking am Mikrofon
Beim Filmfestival in Cannes gefeiert: Koji Yakusho, Hauptdarsteller in Wenders' "Perfect Days"Bild: Eric Gaillard/REUTERS

Für Wenders drücken die Toiletten Tokios etwas Einzigartiges und zutiefst Bewundernswertes der japanischen Kultur aus. Ein Drama über einen Berliner Toilettenputzer, so stellt man sich vor, wäre eine düstere Angelegenheit. "Perfect Days" ist dagegen eher eine Zen-Meditation über die Freuden des einfachen Lebens. Hirayama wirkt wie ein moderner Mönch, seine täglichen Rituale sind eine Form der spirituellen Meditation. Er isst sein Mittagessen jeden Tag auf derselben Bank in einem Tempelgarten. Er fotografiert mit einer analogen Kamera denselben Lichtfleck, der durch die Baumkronen fällt.

In einem Interview hat Kōji Yakusho gesagt, dass der Film, den Wenders gemeinsam mit dem japanischen Drehbuchautor Takuma Takasaki geschrieben hat, auf dem japanischen Konzept des Komorebi basiert, einem Wort, das das Spiel von Licht und Schatten durch die Blätter eines Baumes beschreibt, wo jeder schimmernde Moment kostbar und einzigartig ist.

Die Darstellung ist idealisiert, aber sie ist nicht naiv. Es gibt einen Konflikt. Als Hirayamas sorgfältig ausbalancierte Routine gestört wird - einmal ist er gezwungen, eine Doppelschicht zu übernehmen, um für eine andere Reinigungskraft einzuspringen, die ohne Vorwarnung gekündigt hat -, verliert er in einem seltenen Wutausbruch die Fassung. Eine kurze Szene mit seiner entfremdeten Schwester deutet auf ein Kindheitstrauma hin, dem Hirayama zu entkommen versucht. "Perfect Days" ist kein naiver New-Age-Brei, sondern eine zärtliche Betrachtung der Belohnungen und des Bedauerns über ein fehlerhaftes Leben – sofern es ein solches überhaupt gibt - das ein Mensch sehr bewusst und überlegt lebt.

Adaption aus dem Englischen: Stefan Dege.