"Planet Afrika": Eine Reise durch die Zeit
12. Dezember 2024Lange Zeit glaubte die Wissenschaft, dass sich der moderne Mensch vor etwa 200.000 Jahren entwickelte - in Ostafrika, das als Wiege der Menschheit galt.
Vor kurzem jedoch haben Forschende Hightech-Methoden eingesetzt, um fossile Überreste zu datieren, die in Nordafrika in der Jebel Irhoud-Höhle in Marokko gefunden wurden. Der Schädel, den sie analysierten, war fast identisch mit dem des modernen Menschen - und er war zwischen 300.000 und 350.000 Jahre alt.
Damit wurde die gängige Vorstellung über den Haufen geworfen, die Menschheit sei "in einem 'Garten Eden' irgendwo in Afrika schnell entstanden", sagte Professor Jean-Jacques Hublin vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig, als die Entdeckung 2017 erstmals öffentlich gemacht wurde. "Wir glauben, dass es eine allmähliche Entwicklung war, die den ganzen Kontinent umfasste. Wenn es also einen Garten Eden gab, dann war es ganz Afrika."
Jetzt steht dieser Kontinent mit seiner uralten Menschheitsgeschichte im Mittelpunkt der Ausstellung "Planet Afrika". Zu den zentralen Themen der Schau gehört das komplexe Geflecht familiärer Beziehungen und vielfältiger menschlicher Lebensformen, die es nur in Afrika gab und die sich auf dem gesamten Kontinent entwickelten. Von der Artenvielfalt vor der Entstehung der Menschheit bis hin zu neuen Wegen in der archäologischen Forschung im 21. Jahrhundert wird ein Bogen gespannt, der "mehr als zwei Millionen Jahre Menschheitsgeschichte in Verbindung mit mehr als 200 Jahren Forschungstradition beleuchtet", wie es auf der Website der Ausstellung heißt.
Eine derart komplexe und lange Geschichte in einer einzigen Ausstellung abzubilden, war ein ambitioniertes Vorhaben. Wazi Apoh, Archäologie-Professor an der Universität Ghana und Co-Kurator, erklärte im DW-Gespräch: "Ich hab von Anfang an gesagt, dass fünf Millionen Jahre afrikanischer Geschichte nicht in irgendwelche Kästen gepackt werden können."
Es gebe unzählige Möglichkeiten, die Geschichte Afrikas zu erforschen, fügt Apoh hinzu: "Man kann sie auf einer Seite zusammenfassen, vielleicht auf einer halben Seite. Das kann man machen. Man kann aber auch eine Million Bücher über Afrika schreiben." Für ihn ist die Ausstellung so relevant, weil sie es schafft, eine einfache Geschichte zu erzählen, die die Dinge ins rechte Licht rückt und ein neues Verständnis der afrikanischen Kultur ermöglicht.
Genug Diversität für einen ganzen Planeten
Die ursprüngliche Idee der Ausstellung war es, die wichtigsten Ergebnisse der Deutschen Forschungsgemeinschaft im Rahmen ihres Programms "Entangled Africa" zu zeigen.
Der Titel ist eine Hommage an die reiche Geschichte des afrikanischen Kontinents: "Es gibt so viele Projekte, Programme und Ausstellungen zu Afrika, da dachten wir, wir müssen ein bisschen provozieren, vielleicht mit dem Titel auffallen", erklärt Jörg Linstädter von der Kommission für Archäologie Außereuropäischer Kulturen des Deutschen Archäologischen Instituts, der das Kuratoren-Team leitet. "Planet Afrika" sei "eine Anspielung auf die Idee, dass Afrika einfach so groß ist und eine so natürliche kulturelle Vielfalt hat, dass diese Vielfalt für einen ganzen Planeten ausreichen würde."
Nach der Eröffnungsausstellung in der James-Simon-Galerie in Berlin, wo die Schau bis zum 27. April 2025 zu sehen sein wird, wird "Planet Afrika" durch ganz Deutschland touren, mit Stationen in München, Chemnitz und anderen Orten im Land.
Parallel dazu wird die Ausstellung an sechs verschiedenen Orten des afrikanischen Kontinents präsentiert. Bereits seit November ist sie in Rabat (Marokko) und Nairobi (Kenia) zu sehen, im kommenden Jahr folgen Maputo (Mosambik), Accra (Ghana) und Lobamba (Eswatini).
Digital wird's möglich: Keine Reiseversicherung notwendig
Als die Organisatoren begannen, darüber nachzudenken, wie man die Ausstellung auf Reisen schicken kann - insbesondere in die afrikanischen Länder, in denen die Forschungsprojekte durchgeführt werden -, wurde ihnen "relativ schnell klar, dass es in Afrika technisch schwierig sein würde, die Ausstellung über Grenzen hinweg wandern zu lassen", betont Linstädter. Unter anderem sei es äußerst kompliziert, eine Versicherung für den Transport archäologischer Objekte zu bekommen.
Sie entwickelten daher eine digitale Form der Ausstellung, die leicht in die ganze Welt verschickt werden konnte. In jedem Land sollten lokale Kuratoren Objekte aus ihren eigenen Sammlungen hinzufügen, um die "Planet Afrika"-Ausstellungen zu ergänzen. Die Texte und multimedialen Inhalte stammen von afrikanischen Straßenkünstlern, die Illustrationen und Videos zu den verschiedenen Themenbereichen erstellten.
So wurde etwa das Motiv für den Themenbereich, der sich mit der Bedeutung Afrikas als Wiege der Menschheit befasst, von dem Künstlerkollektiv Maasai Mbili aus Kenia kreiert.
"Die Archäologie ist eine koloniale Disziplin"
Die Ausstellung befasst sich auch mit jüngeren und schmerzhaften Kapiteln der afrikanischen Geschichte: "Die Archäologie ist eine koloniale Disziplin", betont Wazi Apoh, der umfangreiche multidisziplinäre Forschungen zur deutschen Missionierung und Kolonisierung von Togoland (dem heutigen Staat Togo und dem größten Teil der heutigen Volta-Region in Ghana) durchgeführt hat.
Apoh ist an der Universität von Ghana der Hauptpartner für das "Volta-German Shared Colonial Heritage Project". Mit diesem Projekt baut das Deutsche Archäologische Institut ein Forschungsnetzwerk auf, das die Spuren der deutschen Kolonisation im ehemaligen Togoland dokumentieren, erforschen und bewahren soll. Durch die Umwandlung ehemaliger Kolonialstätten in Gedenkorte sollen Bildungsstätten sowohl für die lokale Bevölkerung als auch internationale Touristen geschaffen werden.
Anpassung an den Klimawandel
Ein weiterer Aspekt der Ausstellung, den Wazi Apoh in der heutigen Zeit als wesentlich empfindet, ist die Frage, wie sich die frühen Menschen an Klimaveränderungen angepasst haben.
Ein von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördertes Projekt hat sich mit der Analyse der Sedimente im Chew Bahir-Becken in Südäthiopien beschäftigt. Einst war hier ein großer See, heute findet man nur noch eine ausgetrocknete Salzwüste vor.
Die Daten zeigen, dass die Region dramatischen Niederschlagsschwankungen unterworfen war. Früher lebten hier Jäger und Sammler, die sich an diese klimatischen Veränderungen anpassen mussten. Die Forscher gehen davon aus, dass diese veränderten Verhaltensmuster auch die Entwicklung des anatomisch modernen Menschen maßgeblich gefördert haben.
Für Apoh liefert die Geschichte Denkanstöße für wesentliche Fragen: "Wo haben wir als Menschen Gemeinsamkeiten? Wo haben wir uns auseinanderentwickelt? Welche Rolle hat die Umwelt dabei gespielt, wie haben wir uns angepasst, und wer sind wir heute? Wo stoßen wir auf Barrieren? Warum neigen wir zu Rassismus?" Die Auseinandersetzung mit diesen Themen ist auch heute noch relevant - Millionen Jahre, nachdem die ersten Menschen die Erde bevölkerten.
Die Ausstellung "Planet Afrika" läuft bis zum 27. April 2025 in der James-Simon-Galerie in Berlin. Der Eintritt ist frei.
Adaption aus dem Englischen: Silke Wünsch und Suzanne Cords