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Pussy Riot: "Unterstützer in Deutschland"

Anastassia Boutsko8. Dezember 2012

Pussy Riot ist mit der "1LIVE Krone" des Westdeutschen Rundfunks in der Sparte "Pop" ausgezeichnet worden. Das sei eigentlich eine Farce, sagen zwei Mitglieder der russischen Künstlergruppe im DW-Interview.

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Mitglieder der Künstlergruppe Pussy Riot (l und M) bei der Preisverleihung (Foto: Henning Kaiser/dpa)
Pussy Riot 1Live Krone 2012Bild: picture-alliance/dpa

Die "1LIVE Krone" gilt als einer der bedeutendsten Popmusikpreise Deutschlands. Mit der Auszeichnung von Pussy Riot würdigte der Sender WDR vor allem das gesellschaftliche und politische Engagement der Künstlerinnen.

Die nach der Aktion in der Erlöserkathedrale in Moskau festgenommenen Pussy-Riot-Mitglieder Nadeschda Tolokonnikova und Marija Aljochina sitzen zur Zeit in russischen Straflagern. Auch Jekaterina Samuzevitsch, deren Strafe zur Bewährung ausgesetzt ist, darf nicht reisen und hatte sich in einem Video für die Unterstützung aus Deutschland bedankt.

Zur Preisverleihung nach Bochum kamen zwei Mitglieder des Künstlerkollektivs, die ihre Identität hinter den Spitznamen Kot ("Kater") und Pulja ("Kugel") verstecken. DW-Reporterin Anastassia Boutsko hat mit den beiden jungen Frauen gesprochen.

DW: Glaubt Ihr, dass dieser Preis irgendwie die Situation in Russland beeinflussen kann?

Kot: Wir wissen nicht, wie ernst diese Geste gemeint ist. Was bedeutet den Preisstiftern das, was in Russland wirklich passiert? Aber ich glaube fest daran, dass es auch in Deutschland Menschen gibt, die unsere Ideen unterstützen, die Ideen der Revolution. Denn die Probleme, mit denen Russland zu tun hat, sind global: von Korruption bis zur Polit-Mafia.

Pulja: Ein Einzelner kann in der heutigen Welt nichts bewegen. Es wäre super, in Deutschland Unterstützer zu finden - ich weiß, dass es welche gibt.

DW: Ihr seid jetzt in der Sparte "Pop" ausgezeichnet worden. Passt Ihr in diese Schublade?

Kot: Eigentlich ist es irgendwo eine Farce...

Pulja: Ja, ziemlich absurd. Aber wir sind Künstler, und Künstler können in unterschiedlichen Kontexten arbeiten. Außerdem sind wir hier nicht als Musikerinnen, sondern als politische Aktivistinnen.

Wenn man von Pussy Riot spricht, denken alle an eine Punkband - seht Ihr Euch überhaupt als Rockgruppe?

Kot: Wir sind ungefähr 15 Personen, darunter gibt es auch Musiker, aber auch andere Künstler. Einer kann singen, der andere schweißen. Vor allem haben wir aber ein gemeinsames Ziel. Was wir machen, ist kollektive Protestkunst.

Pulja: All unsere Gedanken, all unsere Anstrengungen gelten jetzt der Befreiung unserer Mädchen, Nadja und Mascha, die in Straflagern sitzen. Die sind tapfer, aber die Straflager, in die sie verteilt worden sind, gehören zu den härtesten in Russland.

War es für Euch gefährlich, nach Deutschland zu kommen?

"Kot" und "Pulja" von Pussy Riot im Gespräch mit Anastassia Boutsko (DW) (Foto: DW)
"Kot" und "Pulja" von Pussy Riot im Gespräch mit Anastassia Boutsko (DW)Bild: DW

Pulja: Das wissen wir selbst nicht so genau. Einerseits gehen wir davon aus, dass den Geheimdiensten unsere Identität längst bekannt ist. Also, es hat keinen wirklichen Sinn, sich zu verstecken. Andererseits: Jetzt, wo wir nach einer erzwungenen Pause wieder aktiv werden, kann es sein, das auch das Interesse von FSB und Staat an uns erneut erwacht.

Ihr seid gestern im Kölner Dom gewesen. Welchen Eindruck hat die Besichtigung dieser berühmten katholischen Kirche bei Euch hinterlassen?

Kot: Einen gewaltigen! Einfach großartig! Es ist ein so tolles Kultur- und Architekturdenkmal! Und vor allen Dingen: Man kann frei überall hingehen und alles fotografieren!

Also, Ihr selbst hättet im Kölner Dom hier keine Protestaktion veranstaltet?

Pulja: Ich weiß, dass uns unbekannte junge Leute hier auch eine Aktion gemacht haben, um uns zu unterstützen. Und es war wichtig für uns, weil damit gezeigt wurde: In einem westlichen Land wie Deutschland handelt es sich bei einer solchen Tat um eine Ordnungswidrigkeit, mehr nicht.

Kot: Was unsere Aktion in der Erlöser-Kathedrale in Moskau anbelangt, so bedauern wir die keinesfalls. Aber es war eine Aktion, die vom russischen Kontext, von dieser konkreten Kirche nicht zu trennen ist.

Pulja: Man wirft uns vor, wir hätten religiöse Gefühle von gläubigen Omis verletzt. Aber die Erlöser-Kathedrale ist der letzte Ort, wohin sich gläubige Omis verirren würden. Das ist ein Zeichen für den Zusammenschluss des Staates und der Kirche in Russland und ein Monument der Korruption. In dieser Kirche finden offizielle Empfänge statt, es gibt eine Tiefgarage und zweitausend Überwachungskameras!

Das Gespräch führte Anastassia Boutsko.