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Rechtsradikale Politiker auf der Anklagebank

Jannis Papadimitriou, Athen 29. September 2015

Der Prozess gegen führende Politiker der rechtsextremen Goldenen Morgenröte wird fortgesetzt. Trotz des Strafverfahrens könnte die Partei von der Flüchtlingskrise profitieren. Aus Athen Jannis Papadimitriou.

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Nikolaos Michaloliakos, Vorsitzender der rechtsradikalen Goldenen Morgenröte, wird in Handschellen abgeführt (Foto: Reuters)
Parteichef Nikolaos Michaloliakos wurde 2013 festgenommenBild: Reuters

Die "Stunde der Opfer" ist gekommen, schreibt das Athener Nachrichtenportal To Vima. Denn gleich als erster Zeuge soll Panagiotis Fyssas aussagen. Er ist der Vater des jungen Musikers Pavlos Fyssas, der im September 2013 in der Hafenstadt Piräus von Rechtsextremen erstochen wurde. Dieser Mord gab den Anstoß für das Strafverfahren gegen die offen antisemitische und fremdenfeindliche Partei Goldene Morgenröte.

Der mutmaßliche Täter gab sich angeblich als Mitglied der Goldenen Morgenröte aus - was die Partei lange Zeit bestritten hat. Doch ausgerechnet kurz vor der jüngsten Parlamentswahl sorgte Parteichef Michaloliakos für Empörung, als er in einem Radiointerview die "politische Verantwortung" für den Mord an dem jungen Musiker übernahm.

In einer späteren Presseerklärung versuchte er seine Aussage dann doch wieder zu relativieren: Eben weil der mutmaßliche Täter kein Mitglied, sondern lediglich ein Anhänger seiner Partei sei, habe er in dem Zusammenhang von "politischer Verantwortung" gesprochen. Den Mord habe er außerdem vom ersten Moment an verurteilt und tue dies heute noch, ließ Michaloliakos verlauten.

Zu den Angeklagten im Prozess gehören neben Parteichef Nikolaos Michaloliakos auch frühere und heutige Abgeordnete der Partei sowie weitere Mitglieder und Mitarbeiter der Goldenen Morgenröte. Ihnen wird die Gründung einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen. Bei einer Verurteilung drohen langjährige Freiheitsstrafen.

Der Prozess hatte schon am 20. April begonnen, musste aber immer wieder unterbrochen und vertagt werden - aus prozessualen Gründen, wegen Terminschwierigkeiten beteiligter Anwälte und nicht zuletzt wegen Sicherheitsbedenken oder Protesten in der Nachbarschaft. Doch nun wird es ernst, meint Politikwissenschaftlerin Vassiliki Georgiadou von der Panteion-Universität in Athen. Sie ist in der Initiative Golden Dawn Watch aktiv, die den Prozess kritisch begleitet. "Der zeitraubende Streit über einzelne Prozesshindernisse ist vorbei", sagt sie im Gespräch mit der DW.

"Pavlos Fyssas lebt": Ein Plakat erinnert an den ermordeten Musiker (Foto: DW)
"Pavlos Fyssas lebt": Ein Plakat erinnert an den ermordeten MusikerBild: DW/I. Anastassopoulou

Drittstärkste politische Kraft

Noch am Vortag der jüngsten Parlamentswahl hatte die Mutter des ermordeten Pavlos Fyssas an die Griechen appelliert, der rechtsextremen Partei nicht ihre Stimme zu geben. Wer dies tue, würde "zum Mordkomplizen", mahnte sie in einem Zeitungsinterview.

Trotz aller Empörung in der Öffentlichkeit konnte die Goldene Morgenröte aber mit fast sieben Prozent der Stimmen erneut auf dem dritten Platz landen. Werden sich die Rechtsextremen trotz des laufenden Prozesses weiterhin behaupten können? "Die Goldene Morgenröte ist nun eindeutig zur dritten politischen Kraft avanciert. Es wird deutlich, dass die übrigen politischen Kräfte nichts Wesentliches unternommen haben, um ihr entgegenzutreten, und sie scheinen auch nicht willens oder in der Lage, noch etwas zu unternehmen", kritisiert der Politik-Experte Angelos Athanassopoulos im Nachrichtenportal To Vima.

Immerhin habe die Goldene Morgenröte bei der jüngsten Wahl leichte Stimmverluste erlitten, gibt Vassiliki Georgiadou zu bedenken: "Sie bleibt zwar drittstärkste Kraft, hat jedoch einen Rückstand von über zwanzig Prozentpunkten im Vergleich zur zweitstärksten Partei, womit sie eindeutig zu den kleineren Parteien gehört. Ihr Wahlergebnis ist zudem viel bescheidener als die angeblich zweistelligen Umfragewerte vergangener Jahre."

Einerseits verliere die Goldene Morgenröte in großen Städten und einstigen Hochburgen an Rückhalt, in bestimmten Stadtvierteln Athens habe sie sogar Stimmverluste von bis zu 20 Prozent hinnehmen müssen. Andererseits sei der Zuspruch für die Rechtsradikalen in sämtlichen Inselregionen unerwartet groß - vor allem in der Nord-Ägäis, auf den Kykladen sowie auf der Inselgruppe der Dodekanes im Südosten Griechenlands.

Stimmungsmache gegen Flüchtlinge

Georgiadou sagt, die Goldene Morgenröte habe die im Hochsommer eskalierende Flüchtlingskrise thematisiert und politisch gnadenlos ausgeschlachtet. Sie habe sogar als einzige Partei eine Delegation aus Athen auf die Insel Kos geschickt, um angeblich Präsenz zu zeigen und mit den lokalen Behörden Kontakt aufzunehmen.

Dabei haben die Rechtsextremen gar nicht von "Flüchtlingen", sondern nur noch von "illegalen Einwanderern" gesprochen, um die aktuellen Entwicklungen mit ihrem eigenen politischen Narrativ zu verbinden. "Mit Stimmungsmache gegen Migranten war die Goldene Morgenröte vor fünf Jahren bei der griechischen Kommunalwahl erstmals in Erscheinung getreten. Schon damals konnte sie ihren Parteichef in den Athener Stadtrat wählen", sagt Georgiadou.