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PolitikSyrien

Russische Militärbasen in Syrien: Abziehen oder abwarten?

Roman Goncharenko
10. Dezember 2024

Bleiben oder gehen? Nach dem Sieg der islamistischen Rebellen in Syrien versucht Russland, die Zukunft seiner Militärstützpunkte auszuloten. Vor allem die Marinebasis in Tartus ist wertvoll und kaum ersetzbar.

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Russische Kampfjets und Soldaten auf der Luftwaffenbasis Hmeimim
Den Militärflugplatz in Hmeimim, hier im Jahr 2016, brauchte Russland auch, um Assad gegen die Rebellen beizustehenBild: picture alliance/dpa/Russian Defence Ministry

Wird Russland nach dem Sieg der islamistischen Rebellen in Syrien und der Flucht von Präsident Baschar al-Assad seine beiden Militärstützpunkte dort verlieren? Die Frage ist offen, eine schnelle Entscheidung wohl nicht in Sicht. Der russische Präsidentensprecher Dmitri Peskow sagte am Montag, es sei "verfrüht" darüber zu sprechen. Russische Medien berichteten, dass die in Syrien an die Macht gekommenen Islamisten, angeführt von der Gruppe Haiat Tahrir al-Scham (HTS), Moskau die Sicherheit von Militärstützpunkten zugesichert hätten. Tatsachen sprechen eher dafür, eine Bestätigung aus anderen Quellen gibt es nicht. Russland betreibt zwei Stützpunkte in Syrien – die Marinebasis in Tartus am Mittelmeer, ein Erbe der Sowjetunion, und seit 2015 den Militärflugplatz in Hmeimim.

"Bisher ist zwar die Tätigkeit von Transportmaschinen in Hmeimim zu sehen, aber nicht in dem Ausmaß, dass man von einer vollständigen Evakuierung sprechen kann", sagt Gustav Gressel, ehemaliger Experte beim European Council on Foreign Relations (ECFR). Die russischen Schiffe seien zwar im Mittelmeer "zu Manövern", allerdings nicht weit von Tartus. "Ich schätze hinter den Kulissen wird Russland verhandeln, um die Basen im Land zu behalten", so Gressel gegenüber der DW. "Hätte man sie aufgegeben, würde in der Tat eine Evakuierung laufen."

Experte: Marinestützpunkt in Tartus ist wichtiger   

Der österreichische Militärhistoriker Oberst Markus Reisner glaubt, dass der Marinestützpunkt in Tartus für Russland "strategisch wichtiger" sei, weil man "von dort Kräfte ins Mittelmeer hineinprojizieren" könne. Der Luftwaffenstützpunkt in Hmeimim sei für Moskau notwendig gewesen, um das Regime von Assad gegen Rebellen zu stützen. "Aber das fällt weg", stellt Reisner fest. 

Russischer Raketenkreuzer Moskwa in der Heckansicht
Der russischer Raketenkreuzer Moskwa, hier 2015 vor Tartus, wurde später im Ukraine-Krieg versenkt Bild: Zhang Jiye/Xinhua/IMAGO

Der britische Politologe Mark Galeotti, Autor des Buches "Putins Kriege", glaubt, dass beide Stützpunkte "sehr wichtig für die russischen Aktivitäten im Mittelmeer und in Afrika" seien. "Es ist interessant, wie schnell sie (Russland) versucht haben, eine Vereinbarung mit der HTS zu treffen", sagt Galeotti. Noch vor Kurzem hatte der russische Außenminister Sergej Lawrow die Gruppe als "Terroristen" bezeichnet; am vergangenen Wochenende begann man in Moskau, sie "Rebellen" zu nennen. Schon vor dem Sturz des Assad-Regimes sei der Ton Moskaus gegenüber den islamistischen in Syrien "viel höflicher" geworden, meint Galeotti.

Was kann Moskau den Rebellen anbieten?

"Russland hofft wohl auf einen Deal mit der HTS", sagt Galeotti. Aber was kann Moskau anbieten? Die Rebellen würden zwar von der Türkei unterstützt, wollten aber "kein türkischer Proxy (Stellvertreter) sein, sie brauchen Verbündete, Beziehungen", so seine Einschätzung. Da komme Russland ins Spiel. "Die Russen sind ziemlich zynisch und pragmatisch, das könnte der HTS eine Chance geben, ihre Abhängigkeit von Ankara zu diversifizieren", glaubt der britische Experte. In diesem Zusammenhang erinnert er daran, dass Moskau in Syrien nicht nur militärisch präsent ist, sondern auch enge wirtschaftliche Beziehungen unterhält.

Burcu Ozcelik, Nahostexpertin bei der britischen Denkfabrik RUSI, ist nicht davon überzeugt, dass die syrischen Rebellen den Wünschen Moskaus schnell nachkommen werden. "Es ist höchst zweifelhaft, dass die HTS sich beeilen wird, als Verbündeter von (Präsident Wladimir) Putin wahrgenommen zu werden oder grünes Licht für eine langfristige russische Militärpräsenz an der syrischen Mittelmeerküste zu geben", so Ozcelik. "Vor allem vor dem Hintergrund, dass Assad auf russischem Territorium Asyl erhalten hat". Ozcelik sagt lange Verhandlungen voraus, in denen die regionalen Akteure, Russland und Iran, "versuchen werden, ihre Außenpolitik gegenüber Syrien anzupassen."

Wohin wird das russische Militär Syrien verlassen?

Wenn das russische Militär Syrien doch verlassen muss, wenn auch auf Raten, dann wohin? "Sie haben keine guten Optionen", glaubt Mark Galeotti. Seiner Meinung nach ist Syrien unter Assad stark von Moskau abhängig gewesen. Es gibt kein anderes solches Land in der Region.

Assad und Putin geben sich die Hand und lächeln
Lange konnte sich Syriens Machthaber Assad (l.) auf Putin verlassenBild: Kremlin Press Office/Anadolu/picture alliance

Zu den möglichen Optionen, die am häufigsten genannt werden, gehört Libyen, wo Russland Kontakte zu General Chalifa Haftar unterhält. Auf dessen Seite kämpften russische Söldner der "Wagner"-Gruppe. In der westlichen Presse wurde über die Absicht Russlands berichtet, in Libyen einen Marinestützpunkt zu errichten. Dabei könnte es sich um Tobruk handeln, vermutet Markus Reisner.

Mark Galeotti glaubt, dass diese Option nicht schnell realisiert werden kann, da es dort keine fertige Infrastruktur gibt. Das gleiche gelte für den Sudan, mit dessen Regierung Moskau seit Jahren über einen Marinestützpunkt am Rotem Meer verhandelt. "Wo auch immer sie hingehen - Libyen, Mali, Sudan - sie werden keine Lage wie in Syrien haben", glaubt der Experte.

Begrenzte Folgen für den Ukrainekrieg

In diesem Zusammenhang wird noch eine weitere Frage diskutiert: Wenn Russland sein Militär aus Syrien abzieht, was bedeutet das für den russischen Krieg gegen die Ukraine? "Wenn man ehrlich ist, kann man die Auswirkungen vernachlässigen", meint Galeotti. Ihm zufolge ist die Zahl der Kräfte, die Moskau von Syrien an die ukrainische Front verlegen kann, unbedeutend.

Ähnlich sieht es Gustav Gressel. Er stellt fest: "Für die Ukraine sind gute Nachrichten (aus Syrien) beschränkt". Russland habe nicht die Fähigkeit und den Wunsch, eine zweite Front zu eröffnen, während es mit allen Mitteln Krieg gegen die Ukraine führe. "Von der Schwächung des Iran durch Israel wird auch die Ukraine nicht spürbar profitieren können", glaubt der Experte. Die einzige greifbare positive Folge für Kiew könne sein, dass "einige Leute im Westen mutiger werden", und dass "Putins Schwäche Trump beeindrucken könnte", so Gressel. Aber ob dies der Fall sein wird, ist auch für ihn eine offene Frage.