Rydzek versöhnt sich mit Olympia
20. Februar 2018Mit geballten Fäusten, gefletschten Zähnen und einem gewaltigen Satz springt er auf das Podest: Johannes Rydzek hat lange auf diesen Moment gewartet, nun ist er da. Der 26-Jährige aus dem bayerischen Oberstdorf ist Olympiasieger in der Nordischen Kombination. Sein Triumph von Pyeongchang ist zugleich eine sehr persönliche Wiedergutmachung der eigenen Olympia-Geschichte.
Denn vor vier Jahren bei den Spielen in Sotchi sah Johannes Rydzek noch ganz anders aus. Wenige Meter vor dem Ziel lag er plötzlich im Schnee, abgeräumt von Teamkollege Fabian Rießle in einer Haarnadelkurve kurz vor dem Zielstrich. Schon im Fallen war die Enttäuschung über die verpasste Chance in seinem Gesicht zu lesen. Während Rießle damals Bronze holte, wurden Björn Kircheisen (der ebenfalls von dem Sturz der Teamkollegen behindert wurde) und Rydzek nur Vierter und Achter. Statt drei möglicher Medaillen blieb am Ende nur die aus Bronze und ein fader Beigeschmack. "Wir hatten eine Riesenchance, ein ganz großes Ding zu ziehen. Deshalb tat es ein wenig weh", sagte Bundestrainer Hermann Weinbuch damals.
Im Zielbereich von Sotschi wurde es laut zwischen den Teamkollegen
Jetzt klappt es doch noch mit dem großen Ding: Mit einer furiosen Schlussrunde bringen sich Johannes Rydzek Fabian Rießle und Eric Frenzel im Kombinations-Wettbewerb von der Großschanze in Position. Wieder rasen die drei in aussichtsreicher Position auf die Zielkurve zu, dieses Mal allerdings als die drei Führenden im Rennen. Zwar wird es noch einmal eng zwischen Rießle und Frenzel, doch dieses Mal geht alles gut. Rydzek gewinnt mit einem starken Sprint, Rießle wird Zweiter, Frenzel Dritter - ein historischer Dreifachtriumpf, dessen Entstehung eng mit dem Drama von Sotschi verbunden ist.
Denn damals wurde es im Zielbereich laut zwischen Rydzek und Rießle. In der Emotion des Momentes ging es um Schuld und die verpasste Chance. Doch das deutsche Team, das sich aufgrund der starken Leistungen auch im Weltcup Kämpfe um den Platz an der Sonne liefert, raufte sich wieder zusammen, richtete alles auf das große Ziel Olympia aus. Und nachdem sich Eric Frenzel im Wettbewerb von der Normalschanze bereits Gold holte, macht Rydzek mit seinem Sieg vor den Teamkollegen die Geschichte nun perfekt.
Kaffeeliebhaber und Kind der Berge
"Wir haben immer dran geglaubt. Wir mussten erst wieder ein Team werden", sagte Hermann Weinbuch, der seit 1996 die Nordischen Kombinierer Deutschlands trainiert und als Vater des Erfolges gilt. Er war schon immer ein Förderer von Rydzek. Zwar hatte Deutschlands Sportler des Jahres Eric Frenzel in diesem Dauer-Duell der Teamkollegen die Nase meist vorn. Doch Weinbuch unterstützte auch sein zweites Ass im Ärmel, weil er dessen Potential erkannte: Wohl kaum einer hat eine solche Endschnelligkeit bei den Kombinierern wie Rydzek. Er kann enge Rennen auf der Zielgeraden zu seinen Gunsten drehen.
Eine Qualität, die früh entdeckt wurde. Rydzek stammt aus einer Sportlerfamilie: Sein Vater Michael war Eishockey-Spieler, sein jüngerer Bruder Simon ebenfalls Kombinierer und seine Schwester Coletta Langläuferin. Johannes Rydzek sagt: "Die Berge sind meine Heimat." Und das bedeutet, dass er längst nicht nur skispringt und langläuft. Er steigt auch regelmäßig aufs Mountainbike, fährt Ski und ist auch schon in einem Gleitschirm-Tandem geflogen. Der Tag beginnt für ihn dabei jedoch immer gleich: mit einem Kaffee. Johannes Rydzek ist Kaffeeliebhaber und sagt: "Eine gute Tasse Kaffee, das gehört für mich zum Lifestyle". Der Fan des Bundesligisten FC Augsburg schaffte mit Team-Bronze bei den Spielen in Vancouver seinen Durchbruch, inzwischen kommt er auf sechs Weltmeistertitel. 2017 wurde er zu Deutschlands Sportler des Jahres gewählt. Die Goldmedaille von Pyeongchang ist das i-Tüpfelchen auf seiner Karriere.
Weil man auch in Deutschland vom olympischen Wintersport nicht dauerhaft leben kann, studiert er an der Hochschule Kempten das Fach Wirtschaftsingenieurwesen-Maschinenbau. Mit dem Titel "Olympiasieger" dürfte ihm der Sprung in eine Karriere nach der Karriere aber deutlich leichter fallen. Doch noch liegt sein Fokus ganz auf dem Sport, schließlich hat Rydzek noch ein großes Ziel in Pyeongchang: Im abschließenden Team-Wettbewerb kann sich die deutsche Mannschaft berechtigte Hoffnungen auf Gold machen.