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PolitikSüdafrika

Südafrikas G20-Vorsitz: Große Pläne in schwierigen Zeiten

7. Dezember 2024

Erstmals hat ein afrikanisches Land die G20-Präsidentschaft inne. Beobachter erwarten eine "afrikanische Präsidentschaft" rund um Klima- und Gerechtigkeitsfragen. Doch der Weg zu Erfolgen könnte kaum steiniger sein.

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Luiz Inacio Lula da Silva und Cyril Ramaphosa vor dem Logo der brasilianischen G20-Präsidentschaft
Cyril Ramaphosa hat den Staffelstab von Brasiliens Präsidenten Luiz Inacio Lula da Silva übernommenBild: Eraldo Peres/AP/picture alliance

Endlich ist Südafrika an der Reihe: Am 1. Dezember hat es für ein Jahr die Präsidentschaft der G20 übernommen, nachdem jedes andere der 19 Mitgliedsländer bereits dran war. Neben diesen Industrie- und Schwellenländern sitzen die Europäische Union und seit 2023 auch die Afrikanische Union am Tisch. Ein Jahr lang koordiniert nun also Südafrika den informellen Austausch in der G20, die keine festen Strukturen wie ein Sekretariat besitzt. Rund 130 Treffen sollen im ganzen Land stattfinden, bevor Präsident Cyril Ramaphosa die Staats- und Regierungschefs im November in Johannesburg empfängt - zum ersten G20-Gipfel auf afrikanischem Boden.

Erste afrikanische G20-Präsidentschaft

"Das ist zwar die erste afrikanische Präsidentschaft, aber sie baut auf vielen Themen auf, die zuvor Indonesien, Indien und Brasilien als Prioritäten gesetzt haben", erläutert Elizabeth Sidiropoulos, Leiterin des Südafrikanischen Instituts für Internationale Angelegenheiten (SAIIA). "Viele von ihnen überlappen mit unseren Prioritäten für Afrika. Die Präsidentschaft wird eine deutliche afrikanische Note haben", sagt Sidiropoulos im Gespräch mit der DW.

 

Melanie Müller, stellvertretende Leiterin der regionalen Forschungsgruppe bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), rechnet damit, dass die G20 auf dem ganzen Kontinent viel Aufmerksamkeit erfahren wird, auch weil Südafrika sich inhaltlich mit den anderen Regierungen abstimmen werde.

Schwerpunkte: Klimakrise, Schulden, Gerechtigkeit

Denn die erklärten Schwerpunktthemen betreffen in unterschiedlichen Ausprägungen den gesamten Kontinent. "Die Klimakrise verschärft sich", sagte Ramaphosa bei der Vorstellung seines Programms, bei der er auch die allgegenwärtige Armut, Ungleichheit und die teils hohe Staatsverschuldung in Afrika zum Thema machte. "Geopolitische Instabilität, Konflikte und Kriege verschärfen das Leid. Das alles geschieht in einer Zeit großer technologischer Umbrüche, die Möglichkeiten und Risiken mit sich bringen."

Zwei Schüler unterwegs in einem Ort, der kniehoch überflutet ist, beide Jungen mit Rucksäcken, einer schiebt ein Fahrrad durch die Fluten
Afrika spürt bereits die massiven Auswirkungen des Klimawandels - Überschwemmungen wie hier im September in Nigeria werden häufiger und heftiger.Bild: Ahmed Kingimi/REUTERS

Auch die Transformation hin zu weniger klimaschädlichen Technologien steht im Fokus der Präsidentschaft. Ramaphosa kann von einem rapiden Ausbau von Solarenergie in seinem Land berichten - auch wenn der größte Zuwachs auf den Dächern von Privatleuten liegt, die nicht mehr unter regelmäßigen Stromabschaltungen wegen überalterter Kohlekraftwerke leiden wollen.

Abbau kritischer Rohstoffe als Motor für Afrikas Entwicklung

Der weltweite Ausbau von Erneuerbaren Energien, E-Mobilität und Digitaltechnologien erhöht auch die Nachfrage nach mineralischen Rohstoffen, von denen viele in Afrika liegen. Zum Beispiel beherbergt die DR Kongo den größten Teil der weltweiten Kobaltvorkommen, die zum großen Teil nach China exportiert werden, während etwa die EU und die USA ihre Marktmacht steigern wollen. "Wir haben in einigen Staaten eine ganz interessante Situation", sagt Melanie Müller, die auch zu Rohstofflieferketten forscht: "Nämlich, dass die sich ihre Handelspartner auch immer mehr aussuchen können und auch nicht unbedingt abhängig sind, nur von chinesischen Arrangements, und das auch positiv sehen. Das gibt ihnen einen gewissen Verhandlungsspielraum, um mit unterschiedlichen Partnern gute Bedingungen auszuarbeiten."

Der Förderturm der Impala-Platinmine bei Rustenburg, Südafrika
In Südafrika werden rund 70 Prozent der weltweiten Platin-Fördermenge erwirtschaftet. Im Zuge seiner G20-Präsidentschaft will Cyril Ramaphosa auch anderen afrikanischen Ländern, die für die Energiewende wichtige Rohstoffe abbauen, zu besseren Marktbedingungen verhelfen.Bild: Implats via AP/picture alliance

Südafrika ist selbst ein wichtiges Bergbauland und speist bedeutende Mengen an Platin, Gold und Chrom in den Welthandel ein. Ramaphosa will seine G20-Präsidentschaft nun dafür nutzen, den Einsatz kritischer Rohstoffe zum "Motor für Wachstum und Entwicklung in Afrika" zu machen.

Brücken bauen in geopolitisch schwierigen Zeiten

Um derartige Ziele zu erreichen, wird die Präsidentschaft zwischen den sehr heterogenen Interessen der G20-Mitglieder Kompromisse ausloten müssen. Doch sowohl das moderne Südafrika als auch Ramaphosa selbst hätten die dafür nötige Erfahrung, meint SAIIA-Leiterin Sidiropoulos: "Das haben wir vor knapp 30 Jahren gesehen, als Ramaphosa eine wichtige Rolle bei der Ausarbeitung unserer Verfassung von 1996 gespielt hat." Südafrika sehe seine Aufgabe darin, Konsens zu schaffen: "Es geht darum, das Narrativ um die Prioritäten so zu weben, dass man einzelne Blöcke in den G20 nicht verliert, sondern sie zusammenbringt." Denn unter einer weiteren geopolitischen Zuspitzung könnte auch der globale Süden in besonderem Maße leiden.

Konkret bedeutet das auch, zu verhindern, dass die unterschiedlichen Sichtweisen auf die Kriege in der Ukraine oder im Nahen Osten jeglichen Fortschritt torpedieren. Diese werden zwar bei jedem Treffen besprochen werden und in allgemeiner Form sicher auch in der Abschlusserklärung im kommenden November landen, meint Sidiropoulos. "Doch Südafrika wird sicher keine Situation wollen, in der einer der beiden Konflikte das herausragende Thema auf der Agenda wird und alle anderen Themen in den Schatten stellt, die für sich entwickelnde Wirtschaften viel wichtiger sind."

BRICS-Gipfel 2023, Johannesburg: Fünf Männer reichen sich auf einer Bühne vor dem Schriftzug "15. BRICS Summit" die Hände (v.l.n.r.: Luiz Inacio Lula da Silva, Xi Jinping, Cyril Ramaphosa, Narendra Modi, Sergej Lawrow)
Brückenbau statt Blockbildung: Gastgeber Cyril Ramaphosa beim BRICS-Gipfel 2023 mit den Präsidenten Brasiliens, Chinas und Indiens sowie dem russischen Außenminister, der anstelle seines mit IStGH-Haftbefehl gesuchten Präsidenten anreiste.Bild: GIANLUIGI GUERCIA/AFP

Ramaphosa hat seit seinem Aufstieg an die Staatsspitze 2018 viel diplomatische Erfahrung gesammelt, etwa als BRICS-Gastgeber 2023. Sein gutes Verhältnis zu Russland ungeachtet von dessen Krieg gegen die Ukraine sorgt im Westen zwar für Irritation. Doch wird er auch in Europa und Nordamerika als verlässlicher Partner geschätzt. Am 13. Dezember will Ramaphosa den deutschen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier zu Gesprächen über die G20-Agenda empfangen.

Wann wird Südafrikas G20-Präsidentschaft zum Erfolg?

Ambitionierte Ziele treffen also auf schwierige Rahmenbedingungen - wie viel darf man also vom südafrikanischen G20-Vorsitz erwarten? SWP-Wissenschaftlerin Melanie Müller verweist im DW-Gespräch auf die Bilanz der gerade zu Ende gegangenen brasilianischen Präsidentschaft: "Da ist es auch so, dass man eben die Erfolge dieser Präsidentschaft nicht isoliert von Dingen, wie die Geopolitik da reinspielt, betrachten kann. Wie erfolgreich so etwas sein kann, wird auch davon abhängen, wie sich das Verhältnis zwischen den USA und China entwickelt."

G7-Gipfel in Kanada 2018 mit mehreren damaligen Politikern: Bundeskanzlerin Angela Merkel (links-mittig) spricht mit US-Präsident Donald Trump (r), Frankreichs Präsident Emmanuel Macron (2.v.l), Japans Ministerpräsident Shinzo Abe (4.v.r), John Bolton, Nationaler Sicherheitsberater der USA, sowie einige weitere Männer verfolgen das Gespräch, Trump sitzt mit verschränkten Armen vor Merkel (aufgestützt auf einem Tisch), alle anderen stehen drum herum
Dass er die Gipfel-Diplomatie aushebeln kann, wenn er darin Vorteile für "America First" sieht, hat Donald Trump in seiner ersten Amtszeit bewiesen - hier 2018 beim G7-Gipfel in Kanada.Bild: Jesco Denzel/Bundesregierung/dpa/picture alliance

Denn die Wahl Donald Trumps zum nächsten US-Präsidenten verschärft die Unsicherheit. Ende November kündigte er bereits an, als eine der ersten Amtshandlungen im Januar Strafzölle von zehn Prozent auf sämtliche Importe aus China zu verhängen. Allen BRICS-Mitgliedern - also auch Südafrika - drohte er sogar Strafzölle von 100 Prozent an, sollten sie Überlegungen für eine gemeinsame neue Währung weiter vorantreiben.

Der Umgang mit Trump wird also in den nächsten zwölf Monaten auch zur Herausforderung für Ramaphosa. Die USA sind enger als andere in die südafrikanische Präsidentschaft involviert - weil Ramaphosa in einem Jahr den G20-Staffelstab an Trump übergibt.