Schufa exportiert Know How in die Dritte Welt
28. September 2010Kredite sind das Schmieröl der Wirtschaft. Das gilt für Unternehmen und Verbraucher gleichermaßen. Ein funktionierender Markt für Finanzdienstleistungen gehört daher zur Grundausstattung jeder entwickelten Gesellschaft. Eine große Rolle spielen dabei Kreditauskunfteien. Von ihnen erfahren Banken, aber auch Versicherungen oder Handelsunternehmen, ob ein Kreditnehmer zuverlässig und damit kreditwürdig ist. In Deutschland ist es die Schufa, die Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung, die solche Auskünfte erteilt. Aber auch in Entwicklungs- und Schwellenländern wächst die Zahl der Kreditbüros – unterstützt von der staatlichen KfW-Bankengruppe und der Weltbank.
"Wer Kredite vergibt, will wissen, ob der Kreditnehmer in der Lage ist, seine Schulden zu tilgen", sagt Schufa-Vorstand Dieter Steinbauer. Die sei aber nur die eine Seite der Medaille. Denn auf der anderen Seite sei es auch eine Chance für den Verbraucher. "Denn der weiß: Wenn wir die Daten zur Verfügung stellen, die ihn widerspiegeln, dann bekommt er seinen Kredit. Und er weiß, dass er ihn auch einfach bekommt." Seit 1927 gibt die Schufa Auskunft über die Kreditwürdigkeit von Verbrauchern, also darüber, ob diese ihre Rechnungen regelmäßig bezahlen oder nicht. Anteilseigner des Privatunternehmens sind Banken und der Handel, die die Schufa wiederum mit Informationen über das Zahlungsverhalten ihrer Kunden beliefern. Insgesamt verzeichnet die Schufa-Datenbank rund 442 Millionen Einzelinformationen von 66 Millionen Menschen in Deutschland.
Vertrauen transportieren
Einrichtungen wie die Schufa gibt es auch in anderen Industrieländern schon lange. In Schwellen- und Entwicklungsländern sind sie dagegen ein noch recht junger Geschäftsbereich. Ein Bereich, bei dem es allerdings noch weniger darum geht, die Zahl der Kreditausfälle zu minimieren, sondern vielmehr darum, erst einmal Vertrauen zu schaffen und dieses Vertrauen im wahrsten Sinne des Wortes transportierbar zu machen, wie Peer Stein von der Weltbank es formuliert. "Etwa zwei Drittel der erwachsenen Bevölkerung in Entwicklungs- und Schwellenländern haben keinen Zugang zu formellen Finanzdienstleistungen. Deshalb geht es dort darum, Kreditbüros aufzubauen. Wenn man denn schon mal Zugang gefunden hat zu einer Bank oder einem Mikrofinanzinstitut, dann ermöglichen verlässliche Informationen darüber den Zugang zu weiteren Finanzdienstleistungen."
Das ist vor allem für kleine und kleinste Unternehmen wichtig. 70 Prozent von ihnen haben keinen Zugang zu Krediten, obwohl sie solche Finanzdienstleistungen für ihr Geschäft brauchen. Und wenn ein Unternehmer oder ein Privathaushalt Kunde einer Bank ist, dann ist es in der Regel eine Verbindung fürs Leben. "Oft eine unerfreuliche Verbindung", sagt Weltbank-Experte Peer Stein. Denn in Entwicklungsländern sei es üblich, das Geld sehr teuer zu verleihen. "Wenn man keine Möglichkeit hat, seine Kreditwürdigkeit mitzunehmen, sich günstigere Anbieter zu suchen und so Wettbewerb zu erzeugen, dann ist etwas falsch gelaufen." Deshalb seien Kreditbüros ein wesentlicher Bestandteil bei der Entwicklung von Finanzmärkten.
Erfahrung exportieren
In Schwellenländern kommt den Kreditbüros inzwischen aber auch die Aufgabe zu, zu verhindern, dass Kunden zu viele Kredite bei verschiedenen Anbietern aufnehmen und so in eine Schuldenfalle geraten. So schließen sich beispielsweise in Indien zunehmend mehr Mikrofinanzinstitute zusammen, um gemeinsam ein Kreditbüro aufzubauen. Hilfe bei diesem Aufbau leistet unter anderem die Schufa, wie ihr Geschäftsführer Dieter Steinbauer sagt. "Weil wir eines der alten und erfahrenen Kreditbüros sind, sind wir Ansprechpartner, auch im Verbund mit verschiedenen deutschen Institutionen, die in den Schwellenländern Banksysteme aufbauen." Teilweise gehen Schufa-Experten mit in die Entwicklungsländer: "Wir haben zum Beispiel das Kreditbüro in Kirgistan aufgebaut und wir liefern die Infrastruktur für das Kreditbüro der Zentralbank in Palästina."
Das heißt aber nicht, dass die Kreditbüros in diesen Ländern automatisch auch den in Deutschland üblichen Umgang mit kreditrelevanten Daten übernehmen. Die juristischen Grundlagen können im Gegenteil höchst unterschiedlich sein und werden es wohl auch bleiben. Denn einheitliche Regeln zur Kreditauskunft gibt es noch nicht einmal innerhalb der Europäischen Union.
Autorin: Sabine Kinkartz
Redaktion: Rolf Wenkel