Radikale Reformen für Serbien
27. April 2014Die neue serbische Regierung will mit einem radikalen Reformprogramm "die Wirtschaft und die Nation" genesen lassen. Das kündigte der am Sonntag im Parlament in Belgrad mit großer Mehrheit gewählte neue Regierungschef Aleksandar Vucic an. Die wichtigsten Aufgaben seien eine Wirtschaftsreform und der Aufbau des Privatsektors. Außerdem müssten die aus dem Ruder gelaufenen Staatsfinanzen wieder in Ordnung gebracht werden.
Der einst radikal-großserbische Nationalist Vucic, der nach eigener Darstellung heute ein glühender Europäer und Demokrat ist, hatte bei vorgezogenen Parlamentswahlen im März die absolute Mehrheit der Stimmen gewonnen. Obwohl er in der letzten Regierung die Sozialisten (SPS) des damaligen Ministerpräsidenten Ivica Dacic als Reformbremser bezeichnet hatte, sind diese trotz der absoluten Mehrheit der "Freiheitlichen" (SNS) von Vucic auch in der neuen Regierung vertreten.
Die ganze Gesellschaft muss sich wandeln
"Wir brauchen eine Änderung der Mentalität", überschrieb Vucic sein Regierungsprogramm. Wegen der schlechten Arbeitsmoral in Serbien betrage die Arbeitszeit im Öffentlichen Dienst nur bis zu 2,5 und im Privatsektor nur bis zu 5,5 Stunden am Tag, begründete der 44-Jährige seinen Standpunkt: "Die wirtschaftliche Gesundung reicht nicht, wenn sie nicht begleitet wird von einer kulturellen und sozialen Genesung der gesamten Gesellschaft".
In den vergangenen fünf Jahren habe Serbien 7,5 Milliarden Euro mehr ausgegeben als eingenommen, machte Vucic die Misere deutlich. Das Etatdefizit belaufe sich auf acht Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Allein für die rund 150 verlustschreibenden Staatsbetriebe seien jährlich rund 540 Millionen Euro aufgewendet worden. Diese Unternehmen müssten auf gesunde Füße gestellt oder abgewickelt werden.
Nur 350 Euro im Monat
Für den Staat arbeiten derzeit 700.000 der insgesamt 1,7 Millionen Erwerbstätigen in Serbien. In dem Balkanstaat leben 7,2 Millionen Menschen. Serbien kämpft mit einer Arbeitslosigkeit von 20 Prozent, einem aufgeblähten Staatssektor, einem hohen Haushaltsdefizit und verbreiteter Armut. Der Durchschnittslohn liegt noch immer bei umgerechnet nur 350 Euro im Monat. Zudem hat der Balkanstaat massive Probleme mit Korruption.
Wenn es gelinge, das Reformprogramm in seinen vielen Einzelelementen umzusetzen, könne Serbien "bis zum Ende dieses Jahrzehnts EU-Mitglied werden" gab sich Vucic trotz der vielen Probleme zuversichtlich. Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton reist an diesem Montag nach Belgrad, wo sie unter anderem mit Vucic und Präsident Tomislav Nikolic zusammenkommen will.
haz/gmf (dpa, afp, rtr)