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PolitikSlowakei

Slowakei will mRNA-Impfstoffe verbieten

9. Oktober 2024

Der slowakische Regierungsbeauftragte für die Untersuchung der Pandemie, Peter Kotlar, hält mRNA-Impfstoffe für gefährlich und fordert ein Verbot. Er stellt auch die COVID-Pandemie an sich in Frage.

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Eine Hand in einem blauen Schutzhandschuh hält eine Ampulle mit Corona-Impfstoff und zieht eine Spritze auf
Die Slowakei will mRNA-Impfstoffe verbieten, die während der Corona-Pandemie zum Einsatz kamenBild: Sebastian Gollnow/dpa/picture alliance

In der Slowakei ist Gesundheitsministerin Zuzana Dolinkova zurückgetreten. Sie gehört der Partei "Stimme des Präsidenten" an, der gemäßigten Kraft in der populistischen Links-Rechts-Regierung von Ministerpräsident Robert Fico.

Ihr Rücktritt kam nach nur elf Monaten im Amt. Sie begründete ihn mit Meinungsverschiedenheiten über den Haushalt, der tiefe Einschnitte im Gesundheitswesen vorsieht. Ausschlaggebend dürfte aber der Bericht gewesen sein, den der Regierungsbeauftragte für die Untersuchung der COVID-Pandemie, Peter Kotlar, vor einer Woche vorgelegt hatte.

Die slowakische Gesundheitsministerin Zuzana Dolinkova steht hinter einer Batterie von Mikrofonen. Das Bild wurde aufgenommen am 15.05.2024, nachdem Ministerpräsident Robert Fico bei einem Attentat lebensgefährlich verletzt wurde.
Die slowakische Gesundheitsministerin Zuzana Dolinkova gab am 4.10.2024 ihren Rücktritt bekanntBild: Zuzana Gogova/Getty Images

Darin stellt er nicht nur die Pandemie selbst in Frage, sondern fordert auch ein Verbot der Impfung mit mRNA-Impfstoffen, die von westlichen Unternehmen wie Biontech/Pfizer und Moderna entwickelt wurden. Experten widersprechen ihm. Nach ihrer Ansicht trugen diese Impfstoffe dazu bei, die Zahl der Todesfälle durch das Virus und die Folgen der Pandemie erheblich zu verringern.

Genau das bestreitet Kotlar. "Die schwerwiegendste Konsequenz der ganzen erfundenen Operation namens COVID-19-Pandemie ist die Gefährdung der menschlichen Gesundheit und die Bestätigung der Naivität der Weltbevölkerung, unterbewusst gehorsam zu sein", sagte er bei der Vorstellung seines Berichts.

Impfgegner an der Macht in Bratislava

Kotlar, ein Mitglied der regierenden Slowakischen Nationalpartei, hatte sich während der Pandemie zum Beispiel auf YouTube gegen die Maßnahmen der damaligen Regierung und die Impfung gegen COVID ausgesprochen. Das brachte ihm beträchtliche Popularität ein, die ihm half, ins Parlament zu kommen.

Ein Mann mit Bart im dunklen Anzug (der Parlamentsabgeordnete Peter Kotlar) legt bei seiner Vereidigung im slowakischen Parlament die Hand auf die Verfassung der Slowakei
Der Parlamentsabgeordnete und Regierungsbeauftragte für die Untersuchung der Pandemie, Peter Kotlar, im slowakischen Parlament bei seiner Vereidigung am 25.10.2023Bild: Vaclav Salek/CTK/picture alliance

Rückendeckung für seine Forderung nach einem Verbot der mRNA-Impfstoffe bekommt Kotlar von Regierungschef Fico selbst. "Sie alle wissen, dass ich persönlich immer gegen die Impfung mit experimentellen Impfstoffen gegen COVID war", sagte Fico in seiner am Wochenende auf Facebook veröffentlichten Ansprache an die Nation. Er fügte hinzu, dass er "viele Bekannte" habe, die nach der COVID-Impfung erhebliche gesundheitliche Probleme hatten. Und er forderte Kotlar auf, herauszufinden, wer sich in der Slowakei durch den "unnötigen Kauf von medizinischem Material und Impfstoffen" bereichert habe.

Hohe Sterblichkeit während der Pandemie

Die Slowakei gehörte zu den am stärksten betroffenen Ländern der Welt, was die Zahl der Todesfälle im Zusammenhang mit der COVID-Pandemie betrifft. In diesem mitteleuropäischen EU-Mitgliedsstaat mit fünf Millionen Einwohnern starben 21.000 Menschen an den Folgen von COVID. Neben einem schlechten und unterfinanzierten Gesundheitswesen trugen auch Desinformationskampagnen, das Misstrauen gegenüber modernen westlichen Impfstoffen und die Unterschätzung von COVID selbst dazu bei.

Ein Mitarbeiter des Gesundheitswesens in Schutzkleidung nimmt während der Corona-Massentests eine Nasenabstrichprobe von einem Kleinkind. Das Kind wird von seiner Mutter an das Fenster gehalten, hinter dem der Gesundheitsmitarbeiter steht.
Covid-Tests während der Pandemie in der SlowakeiBild: Tomas Tkacik/SOPA/ZUMA Wire/dpa/picture alliance

Das Misstrauen führte dazu, dass viele Slowaken die westlichen Impfstoffe ablehnten und sich nur mit dem russischen Impfstoff Sputnik impfen lassen wollten. Im Frühjahr 2021 schickte der damalige Ministerpräsident Igor Matovic eine Regierungsdelegation nach Moskau, um sich mit Sputnik einzudecken. Doch nachdem die EU den russischen Impfstoff nicht anerkannte, wurde er letztendlich auch in der Slowakei nicht angenommen und die Impfdosen mussten vernichtet werden.

Keine Zusammenarbeit mit der WHO 

Trotzdem hält die Regierung von Premierminister Robert Fico an ihrer ablehnenden Haltung gegenüber den mRNA-Impfstoffen und ihren Zweifeln an der Pandemie fest. Als ersten Schritt kündigte sie an, ihre Zusammenarbeit mit der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in der COVID-Frage zu beenden.

"Lassen Sie uns wenigstens gemeinsam die richtige Geste machen, indem wir die Verabreichung von mRNA-Präparaten stoppen, bis Wirksamkeit und Sicherheit nachgewiesen sind", forderte Kotlar bei der Vorstellung seines Berichts. Die gravierendste Erkenntnis sei, dass mRNA-Präparate die menschliche DNA veränderten, behauptet er. Die Impfstoffe seien unzureichend getestet und daher gefährlich. 

Der slowakische Ministerpräsident Robert Fico sitzt auf einem hohen Lederstuhl und spricht in ein an die Knopfleiste seines Hemdes angestecktes Mikrofon
Der slowakische Ministerpräsident Robert Fico ist bekannt für seine Ablehnung von mRNA-ImpfstoffenBild: Slovak Government/AFP

"Das zeigt, wo die Slowakei nach einem Jahr unter der Regierung von Robert Fico angelangt ist", analysiert der slowakische Politologe Grigory Mesezhnikov, Präsident des in Bratislava ansässigen Institute for Research on Public Issues (IVO), der DW. "Immerhin war Fico zum Zeitpunkt der COVID-Epidemie wahrscheinlich der ranghöchste Führer der Anti-Impf-Bewegung nicht nur in der Slowakei, sondern in ganz Europa."

Empörung der Wissenschaftler

"Gegen unwissenschaftliche Fakten kann man nicht ankämpfen", sagte Gesundheitsministerin Dolinkova resigniert, als sie ihren Rücktritt ankündigte. "Die Ideen von Herrn Kotlar finden in der Regierungskoalition nach wie vor Unterstützung, während sie in den wissenschaftlichen Kreisen der Welt keinen Rückhalt haben."

Vor ihrem Einsatz während der Pandemie wurden die mRNA-Impfstoffe von der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) strengen Tests unterzogen. Im Jahr 2023 ging der Medizinnobelpreis an die zwei Forscher Katalin Kariko und Drew Weissmann, die mit der Entdeckung der mRNA-Technologie zu der Entwicklung der Corona-Impfstoffe beigetragen hatten. 

Entsprechend groß ist die Empörung in der Slowakei über den Bericht des Regierungsbeauftragten. Seine Schlussfolgerungen werden selbst von den slowakischen öffentlichen Medien, die immer mehr unter dem Druck der Regierung stehen, als falsch bezeichnet. 

Die Nobelpreisgewinner Drew Weissman (links) und Katalin Kariko stehen nebeneinander in einem Büro. Beide tragen weiße Laborkittel und lächeln in die Kamera.
Erhielten den Nobelpreis für Medizin 2023: Die mRNA-Forscher Drew Weissman und Katalin KarikoBild: Peggy Peterson Photography/Penn Medicine

Noch entsetzter reagieren Ärzte und Wissenschaftler. "Als Wissenschaftler, die sich seit langem mit der Virusforschung befassen, sind wir zutiefst besorgt über die Behauptungen, die Kotlar in der Öffentlichkeit präsentiert hat", erklärte eine Gruppe von Experten auf der Website der Slowakischen Akademie der Wissenschaften. "Die dargelegten Ansichten stellen Fakten in Frage, die von der weltweiten Expertengemeinschaft und den zuständigen Behörden überprüft und akzeptiert wurden, und sorgen für Unbehagen in der Öffentlichkeit."

Auch die Opposition protestiert gegen Kotlars Bericht und seine Schlussfolgerungen. Oskar Dvorak, ein Abgeordneter der größten Oppositionspartei Progressive Slowakei und stellvertretender Vorsitzender des parlamentarischen Gesundheitsausschusses, sagte vor Reportern: "Wenn wir einen Wettbewerb für Nutzlosigkeit hätten, würde Peter Kotlar ihn gewinnen. Der Beauftragte für die Untersuchung der Pandemie hat keine Analysen, keine Beweise, aber er missbraucht sein Amt, um gefährliche Desinformationen zu verbreiten."

Porträt eines Mannes mit blondem Haar, er trägt ein weißes Hemd und ein blau-schwarz kariertes Sakko
Lubos Palata Korrespondent für Tschechien und die Slowakei, wohnhaft in Prag