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Strom von der Fensterscheibe

17. Januar 2012

Dass Fensterglas und Papier mit Hilfe der Sonnenkraft Strom erzeugen sollen, oder dass Hausfassaden Energie liefern, klingt nach Science Fiction. Doch moderne Solartechnik kann diese Ideen wahr machen.

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organische Solarzelle
Flexibel und vielseitig anwendbar - so sieht die Zelle der Zukunft ausBild: Fraunhofer ISE

Dass Strom aus der Sonne eine gute Idee sein kann, davon waren die Ingenieure des amerikanischen Forschungsinstituts Bell überzeugt, als sie 1954 die erste Solarzelle aus Silizium entwickelten. Ihre ersten Solarzellen waren kaum größer als eine Rasierklinge und konnten etwa sechs Prozent des Sonnenlichts in Energie umwandeln. Mit der Erfindung begann der Höhenflug der Photovoltaik – der direkten Umwandlung von Sonnenlicht in Strom durch Solarzellen. Im Einsatz ist die Technik beinahe überall - von kleinen Geräten wie Taschenrechnern bis hinauf ins Weltall, wo sie Satelliten mit Energie versorgt.

Starkes Wachstum auf niedrigem Niveau

Heute hat die Photovoltaik in Deutschland zwar einen Marktanteil von nur zwei Prozent – doch mit stark steigender Tendenz. Der Bundesverband Solarwirtschaft vermeldete, dass in Deutschland 2011 beinahe zwei Drittel mehr Solarstrom produziert wurde als im Vorjahr - ein neuer Rekord. So könnte es weitergehen. Denn im vergangenen Jahr hat die deutsche Regierung die sogenannte Energiewende beschlossen. Mit ihr soll der Anteil der erneuerbaren Energien in Deutschland bis 2020 auf 35 Prozent steigen – das ist doppelt so viel wie heute. Um dieses Ziel zu erreichen, soll viel Strom aus Windkraft kommen, aber auch aus Sonnenenergie.

Auch weltweit könnte der Anteil von Solarstrom rasant steigen. Nach Angaben der Schweizer Sarasin-Bank könnten Solarzellen bis 2020 rund 620 Gigawatt Leistung liefern. Das entspricht der Leistung von 440 großen Atomkraftwerken. Zum Vergleich: Ende 2010 lag der Wert bei nur 42 Gigawatt.

Organische Photovoltaik

Taschenrechner
Auch die Silizium-Solarzellen fingen mal klein an – wie hier im TaschenrechnerBild: CC/derekGavey

Bisher sind auf dem Markt Zellen auf der Basis von Silizium vorherrschend, nach Angaben des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme bestehen daraus noch immer etwa 90 Prozent der hergestellten Solarzellen. Mit entscheidenden Nachteilen: Ihre Rohstoffe sind teuer und giftig, das harte Silizium macht sie unflexibel und ihr Recycling ist schwierig. Deswegen tüfteln Forscher überall auf der Welt an Alternativen. "Die Photovoltaik war schon immer von vielen parallelen Ansätzen geprägt", sagt Karl Leo, Direktor des Instituts für angewandte Photophysik (IAPP). Er forscht mit seinem Team an organischer Photovoltaik. Das heißt, die Trägerstoffe, sogenannte Halbleiter, bestehen aus organischen Stoffen. Dazu gehören Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff. Diese findet man überall auf der Welt, und sie sind im Grunde unerschöpflich – und damit auch sehr günstig. Es gebe sehr viele verschiedene Einsatzmöglichkeiten, so Leo. "Dazu gehören beispielsweise Kraftwerke, Hausdächer oder Handys."

Die Zellen, an denen das IAPP forscht, sind sehr flexibel und praktisch auf jede Fläche buchstäblich "aufdruckbar". Zum Beispiel auf Fensterscheiben, Papier, Kunststoffe oder Stoff. So könnte es schon bald Taschen geben, mit denen jeder sein Handy aufladen kann, oder Häuserfassaden und Fenster, die Strom erzeugen. Die Idee ist so gut, dass sie im vergangenen Jahr den Deutschen Zukunftspreis gewonnen hat. Das ist der wichtigste Preis für technische Innovationen in der Bundesrepublik.

Das ganze Lichtspektrum nutzen

Fläschen
Die organischen Solarzellen können aus verschiedenen chemischen Verbindungen bestehen, die in der Herstellung sehr preiswert sindBild: DW

"Das Gegenstück zu unserer Technologie ist die konzentrierte Photovoltaik," sagt Leo. Solarzellen werden hier statt mit einer, mit drei Schichten photovoltaischer Materialien versehen, von der jede auf eine andere Farbe des Lichtspektrums reagiert: die obere auf blaues, die mittlere auf grünes und gelbes und die unterste auf Infrarotlicht. Die Zellen nutzen damit einen Großteil des Lichtspektrums - und erzeugen mehr Energie. Dadurch erreichen sie einen Wirkungsgrad von circa 40 Prozent. Das heißt, sie wandeln fast 40 Prozent der Sonnenstrahlung in Energie. Siliziumzellen erreichen nur rund 20 Prozent, die organischen circa 10 Prozent. Der Nachteil der Konzentrator-Zellen: Ihre Rohstoffe sind teurer als die der Silizium-Zellen.

Solarzellen sind nur umgedrehte LEDs

Solarauto
Sehen so unsere Autos der Zukunft aus?Bild: CC/Beezum

"Wir werden mit der organischen Photovoltaik immer unter dem Wirkungsgrad der Siliziumzellen bleiben. Doch unser Ziel ist es, langfristig nur halb so teuer zu sein wie diese", so Leo. Die organischen Solarzellen sollen spätestens 2013 in die Serienproduktion gehen. Die Technik, an der Karl Leo forscht, kann allerdings noch mehr. Es ist nicht nur möglich, aus Licht Strom zu erzeugen, sondern andersherum auch aus Strom Licht. "Solarzellen sind im Grunde eigentlich nur umgedrehte Leuchtdioden", erklärt der Forscher. Die Materialien unterscheiden sich, aber die Bauelemente der Zellen sind ähnlich. So könnte man die transparenten Zellen schon bald auf Fenster kleben, mit ihrer Hilfe tagsüber Strom erzeugen und sie abends als Lampen nutzen.

Autor: Michaela Führer
Redaktion: Klaus Esterluß