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Sozialisten ohne Reformer

Marcel Fürstenau22. Oktober 2002

Die PDS hat auf ihrem Parteitag ihre Vorsitzende Gabi Zimmer im Amt bestätigt. Drei Wochen nach der Bundestagswahl, bei der die PDS an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert war, endete damit ein Machtkampf um die Führung.

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Blick nach vorn: Gabriele ZimmerBild: AP

Ein Kandidat, der seiner Konkurrentin schon vor der Abstimmung zum Sieg gratuliert, das hat es wohl noch nie auf einem Parteitag gegeben. Bei der PDS ist es passiert. Roland Claus, der seine Kandidatur für das Amt des Parteivorsitzes erst vier Stunden vor der Wahl angemeldet hatte, gab sich selbst keine Chance und sagte zu den Delegierten, er rechne mit einem Erfolg Gabi Zimmers.

Herausforderer ohne Herausforderung

Dass er die in ihrem Amt bestätigte Parteivorsitzende dennoch herausforderte, begründete der bisherige Bundestags-Fraktionschef unter anderem damit, in Papieren der PDS stünden zu viele Nein-Sätze. Freiheit und Gerechtigkeit seien keine Gegensätze. Man müsse den Menschen auch sagen, was man wolle: "Ich finde, die Gesellschaft ist inzwischen emanzipiert genug, sich auf den Weg zu machen, dies zusammenzubringen", so Claus. "Und insofern stehe ich für originäre sozialistische Politik. Natürlich für einen Sozialismus, den Menschen auch mehrheitlich wollen. Und deshalb stehe ich auch für einen werbenden, der Gesellschaft gegenüber offenen Weg."

Konkurenz statt Solidarität

Die wiedergewählte Partei-Vorsitzende Gabi Zimmer klingt ganz ähnlich, wenn sie davon spricht, die PDS müsse sich der Gesellschaft mehr öffnen. Und doch trennen sie und Claus und erst recht den bisherigen Bundesgeschäftsgeführer Dietmar Bartsch in bestimmten Punkten offenbar Welten. Parteichefin Zimmer jedenfalls hat Differenzen im Politik- und Parteienverständnis ausgemacht und Konkurrenz statt Solidarität beklagt.

Der Name des bisherigen Bundesgeschäftsführers fiel in diesem Zusammenhang zwar nicht, aber nur er konnte gemeint sein. Dietmar Bartsch selbst hatte seine Bewerbung für den Partei-Vorsitz zurückgezogen, nachdem die Delegierten mehrheitlich einen von Gabi Zimmer mitverfassten Antrag gebilligt hatten, in dem die Oppositionsrolle der PDS stärker betont wird als der ausdrückliche Wille, sich an Regierungen beteiligen zu wollen. In ihrer rund 80-minütigen Rede zu Beginn des Parteitages hatte sich das so angehört: "Regierungsbeteiligungen, Tolerieren, Kompromisse sind nicht von vornherien opportunistisch oder unsozialistisch. Aber bedingungslose Regierungsbeteiligung, bedingungsloses Tolerieren, Zustimmung um jeden Preis - das ist Opportunismus!"

Eine Menge Arbeit

Worte, die von etlichen Delegierten als Kritik an der PDS in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern verstanden wurde, wo die Sozialisten an der Seite der SPD mitregieren. Angesprochen fühlte sich auch der Landesverband Sachsen-Anhalt, deren Vorsitzende Rosemarie Hein der Bundespartei und ihrer Chefin Zimmer fehlendes Interesse an der Situation in den Ländern vorwarf. Eine Menge Arbeit liegt vor der wiedergewählten Bundesvorsitzenden Gabi Zimmer. Nimmt man ihre in Gera gemachten Aussagen zum Maßstab, wird der Schwerpunkt ihrer Arbeit darin liegen, was sie "gestaltende Opposition" nennt. Damit meint Gabi Zimmer ein Spektrum, das von außerparlamentarischen Protestformen bis zu Regierungsbeteiligungen reicht. Eine Bandbreite, die Roland Claus und Dietmar Bartsch offenkundig für unrealistisch halten. Die Mehrheit der PDS-Basis ist anderer Meinung und bestätigte Gabi Zimmer mit gut 69 Prozent in ihrem Amt.

Gescheiterte Reformer ohne Ämter

Neuer Bundesgeschäftsführer ist der aus dem Westen stammende Uwe Hiksch, der vor drei Jahren als Bundestagsabgeordneter von der SPD zur PDS gewechselt war. Er kündigte an, zwischen den zerstrittenen Flügeln vermitteln zu wollen. Wie schwer diese Aufgabe wird, darüber macht sich auch Partei-Chefin Zimmer keine Illusionen: "Ich möchte darum bitten, dass wir in dieser Situation gemeinsam nicht zulassen, dass sich jetzt Flügel bilden beziehungsweise dass Menschen sich ausgegrenzt fühlen."

Zimmers Versuch, die gescheiterten Reformer in den Parteivorstand einzubinden, schlug fehl. Keiner war bereit, Ämter zu übernehmen: weder Claus noch Bartsch noch die bisherige Vize-Chefin Petra Pau. Die sitzt als eine von zwei direkt gewählten Abgeordnetinnen im Deutschen Bundestag. Mehr ist von der PDS auf Bundesebene nicht geblieben.