Spielbericht: Italien ist Weltmeister
10. Juli 2006Vor 69.000 Zuschauern im ausverkauften Berliner Olympiastadion gelang der Mannschaft von Trainer Marcello Lippi trotz der Belastung durch den Fußball-Skandal im eigenen Land mit etwas Glück die Revanche für die Endspiel-Niederlage bei der EURO 2000. Marco Materazzi (19. Minute) hatte für Italien ausgeglichen, nachdem Zinedine Zidane (7.) mit einem frechen Foulelfmetertor (7.) Frankreich in Führung gebracht hatte. Allerdings zerstörte sich Zidane seinen Traum vom perfekten Karriere-Ende selbst durch einen zurecht mit Rot geahndeten Kopfstoß gegen Materazzi (110. Minute).
Dramatischer Beginn
Fünf Tage nach dem 2:0-Erfolg über den WM-Dritten Deutschland ließ Marcello Lippi in seinem 29. Länderspiel als Italiens Coach erstmals in unveränderter Formation beginnen. Obwohl beide Teams wie zu erwarten nur mit einer Sturmspitze agierten, entwickelte sich bei sommerlichen Temperaturen von 28 Grad statt des befürchteten Taktik-Spiels eine dramtische Anfangsphase. Gleich der erste gefährliche Angriff der diesmal ganz in weiß gekleideten Franzosen führte zum Strafstoß. Materazzi legte Florent Malouda, Zidane nutzte die Chance in seinem letzten Spiel als Profi zu einem spektakulären Treffer: Sein lässiger Schlenzer prallte von der Lattenunterkante nach unten, aber klar hinter der Linie auf. Damit ist Zidane nach Pele, Vava und Paul Breitner der vierte Spieler, der in zwei WM-Endspielen als Torschütze in Erscheinung trat.
Für kurze Zeit wirkte Italien geschockt, reagierte dann aber mit verstärkter Offensive. Schon kurze Zeit später konnte Materazzi seine Fehler vom Elfmeter wieder gut machen, als er einen Eckball kraftvoll zum Ausgleich einköpfte.
Gefahr bei Standards
Danach beruhigte sich das Match wieder, der Spielfluss ging etwas verloren. Das lag auch daran, dass die Spielmacher Zidane und auf der anderen Seite Francesco Totti von ihren Gegenspielern wirkungsvoll bekämpft wurden. Die aggressiveren Italiener blieben aber vor allem bei Standards gefährlich: So hatte erneut nach einer Pirlo-Ecke Luca Toni das 2:1 auf dem Kopf, doch der Stürmer traf nur die Latte (36.).
Frankreich stark
Nach dem Wideranpfiff wurden die Franzosen aber die klar spielbestimmende Mannschaft. Bei den Italienern machte sich der Kräfteverschleiß aus dem Deutschland-Spiel bemerkbar. Die von Fabio Cannavaro in dessen 100. Länderspiel meist glänzend organisierte Hintermannschaft wurde durch Thierry Henry (46./50./60.) nach Sololäufen drei Mal vor arge Probleme gestellt.
Zidanes unrühmlicher Abgang
Da die Franzosen ihre Überlegenheit nicht zu Toren nutzen konnten, kam es jedoch zur Verlängerung. Auch hier blieb Frankreich die aktivere Mannschaft und hatte durch Ribery und Zidane auch zwei dicke Chancen - bis es zur Szene kam, die wohl die ganze Fußballwelt entsetzte: Zidane ließ sich in seinem allerletzten Spiel, in der Verlängerung des WM-Finales zu einer üblen Tätlichkeit verleiten: Seinen Kopfstoß gegen Materazzi sah der starke Schiedsrichter Horacio Elizondo aus Argentinien zwar nicht, nach Intervention des Linienrichters blieb ihm aber nichts anderes übrig, als die Rote Karte gegen den Superstar zu ziehen.
Wie schon 1994 musste die Weltmeisterschaft schließlich im Elfmeterschießen entscheiden werden - und die Italiener bewiesen diesmal die besseren Nerven. Alle fünf italienischen Schützen trafen: Pirlo, Materazzi, De Rossi, Del Piero und Grosso. Für Frankreich brachten Wiltord, Abidal und Sagnol den Ball im Tor unter. Der Schuss von David Trezeguet ging dann aber an die Latte - und Italien war Weltmeister.
Die Italiener, die erstmals ein wichtiges Elfmeterschießen gewannen, haben nun hinter dem entthronten Weltmeister Brasilien (5) die meisten WM-Titel gesammelt: 1934, 1938, 1982 und 2006.
Vom Finale in die dritte Liga?
Für manche Profis aus beiden Nationalteams könnte es allerdings schon Anfang der Woche ein böses Erwachen aus dem WM-Traum geben. Denn nunmehr für Dienstag (11.7.) haben die Juristen erste Urteile im italienischen Fußball-Skandal angekündigt. Insgesamt acht Akteure, fünf Italiener und drei Franzosen, stehen bei Rekordmeister Juventus Turin unter Vertrag, dem der Zwangsabstieg in die 3. Liga droht.
Italien: Buffon/Juventus Turin (28/67) - Zambrotta/Juventus Turin (29/58), Materazzi/Inter Mailand (32/32), Cannavaro/Juventus Turin (32/100), Grosso/US Palermo (28/23) - Perrotta/AS Rom (28/31) ab der 61. Iaquinta/Udinese Calcio (29/17), Pirlo/AC Mailand (27/31), Gattuso/AC Mailand (28/47), Camoranesi/Juventus Turin (29/26) ab der 86. Del Piero/Juventus Turin (31/29) - Totti/AS Rom (29/58) ab der 61. De Rossi/AS Rom (22/20) - Toni/AC Florenz (29/24). Trainer: Lippi
Frankreich: Barthez/Olympique Marseille (35/87) - Sagnol/Bayern München (29/45), Thuram/Juventus Turin (34/121), Gallas/Chelsea London (28/47), Abidal/Olympique Lyon (26/14) - Vieira/Juventus Turin (30/94) ab der 57. Diarra/RC Lens (24/11), Makelele/Chelsea London (33/50) - Ribery/Olympique Marseille (23/10) ab der 99. Trezeguet/Juventus Turin (28/66), Zidane/Real Madrid (34/108), Malouda/Olympique Lyon (26/19) - Henry/Arsenal London (28/85) ab der 107. Wiltord/Olympique Lyon (32/87). - Trainer: Domenech
Schiedsrichter: Horacio Elizondo (Argentinien)
Tore: 0:1 Zidane (7., Foulelfmeter), 1:1 Materazzi (19.)
Zuschauer: 69.000 (ausverkauft)
Rote Karten: Zidane nach einer Tätlichkeit (110.)
Elfmeterschießen: 1:0 Pirlo, 1:1 Wiltord, 2:1 Materazzi, Trezeguet schießt an die Latte, 3:1 de Rossi, 3:2 Abidal, 4:2 del Piero, 4:3 Sagnol, 5:3 Grosso