Tag neun der Kämpfe in Nahost
20. Juli 2006
Im libanesischen Grenzgebiet ist es am Donnerstag erneut zu einem heftigen Feuergefecht israelischer Soldaten mit Milizionären der pro-iranischen Hisbollah-Miliz gekommen. Eine israelische Armeesprecherin teilte mit, dabei seien zwei israelische Soldaten verletzt worden. Am Mittwoch waren bei einem Feuergefecht ebenfalls in der Nähe der Ortschaft Avivim zwei israelische Soldaten getötet worden.
Im Libanon landeten unterdessen am Donnerstag (20.7.06) nach Angaben des US- Nachrichtensenders CNN US-Spezialeinheiten, um die Evakuierung von Amerikanern vorzubereiten. In ersten Fernsehbildern war zu sehen, wie mehrere Dutzend Marineinfanteristen von Booten aus an Land gingen. Sie sollen bei der Evakuierung von Tausenden amerikanischen Staatsbürgern helfen. Es ist das erste Mal seit über 20 Jahren, dass US-Soldaten wieder im Libanon im Einsatz sind.
Der Zwei-Fronten-Kampf
Mit einem massiven Luftangriff auf eine Einrichtung im Süden Beiruts versuchte die israelische Luftwaffe in der Nacht zum Donnerstag, den Hisbollah-Chef Scheich Hassan Nasrallah zu töten. Nach israelischen Geheimdienst-Informationen hielt Nasrallah sich
gemeinsam mit anderen Hisbollah-Führungsmitgliedern in einem Bunker in einem örtlichen Flüchtlingslager auf. Insgesamt seien 23 Tonnen Bomben auf den Bunker abgeworfen worden, meldete der israelische Rundfunk, darunter auch bunkerbrechende Waffen. Die Piloten hätten von "genauen Treffern" berichtet. Hisbollah teilte jedoch mit, keiner ihrer Führer sei verletzt worden.
Die israelischen Streitkräfte haben am Donnerstag zudem mit Angriffen auf palästinensische Wohngebiete gedroht, in denen sie Waffenverstecke vermuten. Die Luftwaffe warf am Morgen Flugblätter über dem Gazastreifen ab. Darin hieß es, wer Waffen in seinem Haus verstecke, müsse sich auf einen Angriff gefasst machen. Es handele sich um eine "neue Politik", verlautete aus Militärkreisen. Die Luftangriffe der vergangenen drei Wochen im Gazastreifen konzentrierten sich auf Regierungseinrichtungen. Auch Orte, von denen militante Palästinenser Raketen auf Israel abfeuerten, wurden attackiert. Dabei handelte es sich jedoch zumeist um offenes Gelände.
Peres bezweifelt Opferzahlen
Israel hat die libanesischen Opferzahlen seiner tagelangen Luftangriffe angezweifelt. "Wir halten die Informationen, die aus dem Libanon kommen, für absolut unseriös", sagte der stellvertretende Ministerpräsident Schimon Peres am Mittwochabend dem US-Nachrichtensender CNN. Selbst nannte er keine Zahl. Der libanesischen Regierung zufolge wurden bei den israelischen Luftangriffen auf Ziele im Libanon seit dem 12. Juli mindestens 299 Menschen getötet. Auf israelische Seite kamen bei Angriffen der libanesischen Hisbollah-Miliz 29 Menschen ums Leben. Peres sagte, das israelische Militär tue alles, um sicherzustellen, dass bei seinen Einsätzen im Libanon "kein Zivilist getroffen und keine zivile Infrastruktur zerstört wird".
Peres wies zudem die Kritik des libanesischen Ministerpräsidenten Fouad Siniora zurück, Israel führe eine rücksichtslose Bombenoffensive. "Warum stoppt er nicht die Hisbollah?", fragte Peres. "Israel hat diesen Krieg nicht angefangen." Auslöser des Krieges war die Entführung zweier israelischer Soldaten von Kämpfern der Hisbollah am Mittwoch vergangener Woche. Israel startete anschließend seine Luftangriffe. Die Hisbollah reagierte darauf mit Raketenangriffen auf den Norden Israels.
Russland fordert Waffenstillstand
Mehr als eine Woche nach Kriegsbeginn in Nahost hat Russland eine sofortige Waffenruhe zwischen der libanesischen Hisbollah-Miliz und Israel gefordert. Ein solcher Schritt sei dringlicher als alles andere, sagte Außenminister Sergej Lawrow in einem Interview der russischen Zeitung "Kommersant" vom Donnerstag. Damit weicht das Land deutlich von der Position der USA ab, die eine Resolution des UN-Sicherheitsrates für eine Waffenruhe ablehnen.
In den diplomatischen Bemühungen zur Lösung des Konflikts ist bislang keine einheitliche Linie zu erkennen. Während sich Frankreich für eine Resolution des UN-Sicherheitsrates einsetzt, in der auf eine Waffenruhe gedrungen wird, sparten die G-8-Länder eine entsprechende Forderung in ihrer Gipfel-Erklärung am Wochenende aus. Auch EU-Chefdiplomat Javier Solana sagte zu Beginn der Woche, für einen Waffenstillstand sei die Zeit noch nicht reif. Alle Parteien seien davon noch weit entfernt. Die USA begründen ihre Haltung damit, dass nach ihrer Ansicht die Hisbollah eine Waffenruhe kaum beachten würde. (kas)