Massenkundgebung
23. November 2006Begleitet von lautstarken Protesten gegen Syrien fand am Donnerstag (23.11.2006) die Beisetzung des christlich-libanesischen Politikers Pierre Gemayel statt. Applaus, Gewehrschüsse und Kirchenglocken begleiteten den Sarg des ermordeten Ministers durch die Straßen von Beirut. In der Menschenmenge wurden Bilder des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad verbrannt.
In der Hauptstadt Beirut kam das öffentliche Leben wegen des Trauerzugs zum Stillstand, Läden, Behörden, Banken und Schulen blieben geschlossen und bis Freitag gilt Staatstrauer. Tausende Soldaten sicherten die Trauerfeier in der maronitischen Kathedrale des Heiligen Georg.
Der sechste Mord in zwei Jahren
Der 34-jährige Gemayel war am Dienstag von einem unbekannten Täter in Beirut in seinem Auto erschossen worden. Der Sohn des früheren Präsidenten Amin Gemayel war innerhalb von zwei Jahren der sechste Syrien-kritische Politiker, der bei einem Anschlag getötet wurde. Die Tat hat die explosive Lage im Libanon weiter angeheizt. Die radikal-islamische Hisbollah und ihre Verbündeten ringen derzeit mit der anti-syrischen Bewegung um mehr Einfluss.
Der Mordanschlag rief international Bestürzung und Sorge um die politische Entwicklung im Libanon hervor. In einer am Mittwoch in Beirut veröffentlichten Erklärung des anti-syrischen Parteienbündnisses hieß es, das "syrisch-libanesische Geheimdienstregime" müsse gestürzt werden. Drusenführer Walid Dschumblatt, der wie Gemayel zur anti-syrischen Regierungsmehrheit gehört, warnte vor neuen Attentaten. "Vielleicht töten sie noch einen Minister", sagte Dschumblatt. Ziel des syrischen Regimes sei es, zu verhindern, dass Präsident Baschar al-Assad von einem internationalen Tribunal eine Verbindung zu dem Mord an dem libanesischen Ex-Regierungschef Rafik Hariri nachgewiesen werde.
Parallelen zum Hariri-Mord
Das Attentat auf Gemayel erinnert in der Tat an die Ermordung Hariris im Februar 2005. Er und 22 weitere Menschen waren bei einem Anschlag getötet worden, an dessen Planung syrische Geheimdienstoffiziere und Sicherheitsleute des Syrien-treuen libanesischen Staatspräsidenten Émile Lahoud beteiligt gewesen sein sollen.
Der Zorn der Trauerversammlung richtete sich am Donnerstag daher auch gegen den Staatspräsidenten: Auf Transparenten wurde sein Rücktritt verlangt. Lahud hielt sich derweil im Präsidentenpalast auf, die Sicherheitsvorkehrungen vor dem Gebäude wurden massiv verstärkt.
Annan sagt Hilfe zu
Währenddessen haben die Vereinten Nationen (UN) dem Libanon Hilfe bei der Aufklärung des Mordanschlags auf Gemayel angeboten. Der Sicherheitsrat billigte am Mittwoch die Hilfe auf Ersuchen der Regierung in Beirut. Demnach soll die internationale Ermittlungskommission, die bereits den Anschlag auf Hariri untersucht, dem Libanon auch bei den Ermittlungen im Fall Gemayel helfen.
Dem Sicherheitsrat lag ein von UN-Generalsekretär Kofi Annan übermitteltes Schreiben des libanesischen Ministerpräsidenten Fuad Siniora vor, in dem dieser um "technische Hilfe zur Untersuchung des Mordes an Gemayel" bat. UN-Generalsekretär Kofi Annan zeigte sich bei einem Treffen mit dem libanesischen Kultusminister Tarek Mitri am Mittwoch in New York "extrem besorgt". Die Lage im Libanon sei "äußerst heikel und sehr zerbrechlich", sagte der UN-Chef. (ina)