Totales Versagen von Kapitän Schettino?
16. Januar 2012Nach zögerlichen Zugeständnissen über ein "mögliches menschliches Versagen" steht nach der Schiffskatastrophe in Italien jetzt der Kapitän der "Costa Concordia" absolut im Zentrum der Kritik, sowohl bei der eigenen Reederei als auch bei der ermittelnden Staatsanwaltschaft in Rom.
Der 52jährige Kapitän Franceso Schettino habe die Route des 112.000 Tonnen schweren Luxus-Liners am Freitag "eigenmächtig geändert" und gegen die Regeln des Unternehmens verstoßen, klagte auch der Geschäftsführer der deutschen Filiale von Costa Crociere, Heiko Jensen, vor der Presse in Hamburg.
Keine Zweifel an Sicherheitsstandards
Keinesfalls seien falsche Seekarten schuld an der Havarie gewesen. Die geltenden Sicherheitsstandards seien in Ordnung. Die Reaktion des Kapitäns bei dem Unglück habe aber - so Jensen wörtlich - "nicht den von Costa vorgegebenen Standards" in einem solchen Notfall entsprochen. Die Crew dagegen habe bei der Rettung der mehr als 4000 Passagiere sehr umsichtig gehandelt.
Die italienische Staatsanwaltschaft zeigte sich betroffen "von der Skrupellosigkeit des waghalsigen Manövers", das zu der Katastrophe vor der toskanischen Küste geführt hatte. Das Verhalten Schettinos sei "unentschuldbar", so Staatsanwalt Francesco Verusio in Rom. Man ermittelt wegen fahrlässiger Tötung, vorzeitigem Verlassen des Schiffs sowie Herbeiführung von Schiffbruch.
Jüngste Presse- und Online-Berichte aus Italien nähren Spekulationen, dass Schettino absichtlich so nah an die Küste steuerte, damit Familienangehörige oder der Bürgermeister auf der Insel Giglio von der Reling aus gegrüßt werden konnten.
Passagiere prangern "Chaos an Bord" an
Berichte von Passagieren enthüllen immer neue Details der Situation unmittelbar nach dem Leckschlagen und Kentern des Kreuzfahrtschiffs. Die Crew habe bei der Evakuierung trotz ausbrechender Panik lange Zeit keine Urlauber auf die Rettungsboote gelassen, hieß es übereinstimmend. Zunächst habe man trotz Schieflage des Schiffes von einem Stromausfall gesprochen und Passagiere zurück in die Kabinen geschickt.
Bislang wurden sechs Todesopfer geborgen. Wegen unruhiger See und einem drohenden Absinken des Schiffes hatte man die Rettungsarbeiten zeitweise unterbrechen müssen und die Taucher zurückgezogen.
Bei der Havarie waren laut Angabe von Costa-Geschäftsführer Jensen 566 Menschen aus Deutschland an Bord. Einige der Vermissten seien auf eigene Faust zurückgereist und hätten sich inzwischen gemeldet. Besorgt sei man aber über das Schicksal einer "kleinen zweistelligen Zahl" deutscher Gäste. Allen Opfern wurden Entschädigungen zugesichert.
In Italien wuchs am Montag zudem die Furcht vor einer Ölpest durch auslaufenden Treibstoff.
sc/qu (dapd,dpa,afpe)