Twitter-Bots mischen im US-Wahlkampf mit
27. Juni 2016Das Internet ist voll von automatisierten Programmen, sogenannten Bots. Häufig wird ihre Anzahl aber unterschätzt: Diese Roboter verursachen ungefähr 50 Prozent des gesamten Internetverkehrs. In ihrer einfachsten Form übernehmen sie harmlose und banale Aufgaben. Etwa wenn sie automatisch die neuesten Schlagzeilen twittern. Die Deutsche Welle und viele andere Medien nutzen Bots genau für diese Zwecke.
Auch die Politik greift auf Bots zurück, um ihre Informationen über soziale Medien zu verbreiten. Aber nicht immer werden Bots gutwillig eingesetzt. Der vermutlich bekannteste gegensätzliche Fall ist der eines mexikanischen Hackers, der behauptet, diverse Wahlen in Lateinamerika mit Bots manipuliert zu haben. Auf Regierungsseiten eingesetzte Bots sollen auch eine Rolle bei den jüngsten Wahlen in Russland gespielt haben.
Angesichts der zunehmenden Perfektion dieser automatisierten Programme überrascht es kaum, dass politische Bots auch im Präsidentschaftswahlkampf in den USA eine Rolle spielen. Immerhin sind die USA die Heimat von Twitter, Facebook und Co.
Fake Follower
"Die Kandidaten haben definitiv einige unechte Follower, die man Bot-Netzwerken oder Bot-Armeen zuordnen kann", sagt Dhiraj Murthy, ein Social-Media-Experte am Goldsmiths, University of London, der ein Buch zu sozialer Kommunikation im Twitter-Zeitalter geschrieben hat. Die Anzahl der Follower sei eine "sehr wichtige Maßeinheit" für die Wähler geworden. Daher sei es wichtig, zu wissen, welche Follower von Trump oder Clinton echt seien.
Dienste wie #link:https://www.twitteraudit.com/:TwitterAudit# und #link:http://truthy.indiana.edu/botornot/:BotOrNot# versuchen herauszufinden, wie viele von Trumps mehr als neun Millionen Twitter-Anhängern und Clintons mehr als sieben Millionen Followern echt oder fake sind - und welche dieser "falschen" Follower nicht nur inaktive Accounts sind, sondern Bots.
Eine kürzlich erschienene Analyse von Andrew McGill in der Zeitschrift "The Atlantic" legt nahe, dass 75 Prozent der jeweiligen Follower der beiden Präsidentschaftskandidaten echte Personen sein könnten. Weniger als vier Prozent der Twitter-Anhänger zeigten "offensichtliches Bot-Verhalten". Diese Zahl mag vergleichsweise klein erscheinen. In absolute Zahlen übersetzt heißt das immerhin: Hinter mehr als 200.000 Twitter-Followern von Trump und Clinton stecken in Wirklichkeit Bots.
Große Reichweite
Und das hat Auswirkungen, erklärt Murthy. "Wenn man sich einen beliebigen Tweet anschaut, den Trump gerade absetzt, und dann beobachtet, wer den Inhalt gleich retweetet, dann sind da immer einige Bots dabei." Denn die Bots seien für diesen Mechanismus programmiert.
Meinungen zu verbreiten und zu verstärken, ist eine Kernfunktion von sozialen Medien, wo Posts oder Tweets schnell von neuen Inhalten verdrängt werden und ganz verschwinden. "Bots sorgen dafür, dass bestimmte Inhalte auf der Agenda bleiben und sie können eine ziemlich große Reichweite erzeugen, je nachdem wie ihre Netzwerke konfiguriert sind", sagt Murthy. Bots spielten auch im Wahlkampf eine wichtige Rolle, wenn es darum geht, Inhalte weiterzuverbreiten.
Aber Bots können auch verwendet werden, um kritische Stimmen zu übertönen, so Philip Howard, der an der Oxford University zu politischen Bots forscht. "Wir wissen, dass sie erfolgreich genutzt wurden, um Debatten im Keim zu ersticken, die unter bestimmten Hashtags laufen", so der Internetwissenschaftler.
Ein Beispiel sei der Anfang des Syrien-Kriegs, als das Assad-Regime eine Firma aus Bahrain angeheuert hatte, um Bots mit dem Hashtag #Syria zu verbreiten. Auf diese Weise, so Howard, flutete das Regime die sozialen Medien mit touristischen Bildern von Stränden, Ergebnissen von Fußballspielen und Geschichten syrischer Seifenopern. "Mehrere Tage lang war es hauptsächlich das, was die Welt draußen - auch Journalisten - an Nachrichten aus Syrien bekommen hat", sagt Howard.
Trumps Rhetorik - Futter für Bots
Im US-Wahlkampf gilt Donald Trump vielen als der unangefochtene Meister der sozialen Medien. Aus gutem Grund, sagt Murthy, denn Trumps provokante Äußerungen liefern reichlich Stoff - nicht nur für Medien, sondern auch für Bots. Es gebe zahlreiche wirklich bösartige Bots im Internet, die gezielt nach sexistischer, homophober und rassistischer Sprache suchen. "Diese Bots finden solche Äußerungen bei Twitter, folgen dann Trump, retweeten seinen Inhalt - und erwähnen ihn", so Murthy.
Natürlich sind nicht alle politischen Bots böse. Es gibt Parodien wie @DeepDrumpf oder @Clinton_Bot, die sich über die Kandidaten lustig machen. Solche Bots machen deutlich, dass dahinter keine echte Person steckt. Schwierig wird es, wenn Bots vorgaukeln, echte Menschen zu sein.
"Eine sehr wichtige Unterscheidung ist, ob Menschen verstehen, dass es sich um einen Bot handelt", meint Cornelius Puschmann vom Alexander von Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft in Berlin. "Wenn der Bot versucht, sich als Mensch auszugeben und das im Kontext von Politik passiert, wird es problematisch."
Roboter auf dem Vormarsch
Wer steckt also hinter Hunderttausenden von Twitter-Bots, die Trump und Clinton folgen? Das ist die große Preisfrage und schwer herauszufinden, sagt Murthy. Es ist auch unklar, ob Bots direkt oder indirekt von den Wahlkämpfern als Teil ihrer Social-Media-Strategie genutzt werden, um mehr Follower und Posts zu haben oder den Gegner zu attackieren. Auf Nachfrage wollten dazu weder die Verantwortlichen der Trump- noch der Clinton-Kampagne etwas sagen.
Klar ist hingegen, dass politische Bots inzwischen aus den sozialen Netzwerken nicht mehr wegzudenken sind - sei es bei den US-Wahlen oder anderswo. "Wir müssen uns daran gewöhnen, dass in den sozialen Medien nicht-menschliche Akteure existieren, und dass das immer üblicher wird", sagt Puschmann.
Politische Bots sind klar auf dem Vormarsch. Umso wichtiger ist es deshalb, über Regulierungen nachzudenken, sagt Howard: "Ich denke, auch für Bots sollten die Regeln gelten, die normalerweise für Wahlkämpfe gelten." Politische Bots müssten klar herausstellen, wer sie bezahlt und zu welchem Lager sie gehören.