Ungarns Defizit verzögert Euro-Einführung
11. Oktober 2005Grund dafür ist die hohe Neuverschuldung des osteuropäischen EU-Mitgliedsstaats. Die Haushaltslage in Ungarn sei sehr Besorgnis erregend, sagte der Vorsitzende des EU-Wirtschafts- und Finanzausschusses, der deutsche Finanzstaatssekretär Caio Koch-Weser. Dies gelte "gerade auch im Hinblick auf die langfristige Entwicklung zum Euro hin, der natürlich jetzt erstmal sehr viel weiter nach hinten verschoben sein wird". In Ungarn gehe es in den nächsten Jahren um ganz andere Prioritäten.
Statt der erwarteten Haushaltskonsolidierung würden in Ungarn Defizite von fünf bis sechs Prozent des Bruttoinlandsproduktes in diesem und dem nächsten Jahr erwartet. Ungarn müsste sein Defizit bis 2008 unter die Drei-Prozent-Marke des Stabilitätspaktes senken, um wie geplant 2010 der Währungsunion beitreten zu können.
"Keine angemessenen Schritte"
Die EU-Kommission will am 20. Oktober neue Empfehlungen zu Ungarn vorlegen. "Ich kann bereits sagen, dass Ungarn keine angemessenen Schritte zur Senkung des Defizits ergriffen hat", sagte der EU-Währungskommissar Joaquin Almunia im Rahmen des Treffens der EU-Finanzminister in Luxemburg.
Da Ungarn die gemeinsame Währung noch nicht eingeführt hat, ist das Land vor Sanktionen im EU-Defizitverfahren sicher. Möglich ist allerdings, dass die EU ihre Regionalförderung vorübergehend aussetzt, um Druck auszuüben. "Dieses Thema könnte durchaus auf den Tisch kommen", sagte Koch-Weser auf die Frage nach einem Einfrieren der Kohäsionszahlungen. Mehrere Diplomaten sagten jedoch, eine solche harte Maßnahme sei unwahrscheinlich. Brüssel überweist im Zeitraum 2004 bis 2006 rund 3,2 Milliarden Euro an das neue EU-Mitglied.
Für Ungarns Regierungschef Ferenc Gyurcsany haben der soziale Zusammenhalt und die Wirtschaftsentwicklung einen höheren Stellenwert als die schnelle Teilnahme an der Währungsunion. "Der Euro kann 2010 eingeführt werden, aber als Ministerpräsident habe ich andere Erwägungen im Blick", gab er zu Protokoll. Ungarn könne die Kosten nicht schultern, um sein Defizit bis 2008 unter drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu senken.
Streit um Inflation und Zins
Zugleich deutete sich bei dem Finanzministertreffen ein EU-interner Streit zu der Frage an, wie die Auswirkungen der durch die hohen Ölpreise angeheizten Inflation einzuschätzen sind. Während die Europäische Zentralbank (EZB) vor so genannten "Zweitrundeneffekten" wie etwa sehr hohen Lohnabschlüssen warnt, sehen die EU-Finanzminister diese Gefahr nicht. Solche Effekte entstehen etwa, wenn ein hoher Lohnabschluss mit den gestiegenen Lebenshaltungskosten begründet wird. Auf diese Weise führt bereits vorhandene Inflation zu weiteren Preissteigerungen. Die Meinungsverschiedenheiten berühren unmittelbar das heikle Thema Zinspolitik: Falls die Zentralbank steigenden Inflationsdruck feststellt, kann sie die historisch niedrigen Zinsen rasch nach oben schrauben.
Finanzstaatssekretär Caio Koch-Weser sagte am Dienstag, auch für Deutschland gebe es keine Gefahr von Zweitrundeneffekten. Die Teuerungsrate der Euro-Zone war im September auf 2,5 Prozent hochgeschnellt. Nur bis 2 Prozent sieht die EZB stabile Preise gewährleistet. EZB-Chef Jean-Claude Trichet hatte in der vergangenen Woche in Athen keinen Zweifel daran gelassen, dass die EZB jederzeit bereit ist, die Zinsen anzuheben. Der wichtigste Leitzins beträgt seit zwei Jahren 2,0 Prozent.
Neue Bankenregulierung verabschiedet
Ebenfalls im Rahmen ihres Treffens verabschiedeten die Finanzminister die lange umstrittenen neuen Eigenkapitalregeln für Banken, die unter dem Stichwort "Basel II" bekannt sind. Mit den Änderungen des bisherigen Regelwerkes müssen Banken bei der Kreditvergabe künftig stärker auf die Zahlungsfähigkeit ihrer Kunden achten. Damit werden Darlehen mit höherer Ausfallwahrscheinlichkeit teurer. Die Regeln sollen ab 2007 gelten.
Die Verabschiedung der Regeln durch die Finanzminister galt als Formsache, nachdem sich sich Ministerrat und Parlament in komplizierten Verhandlungen auf einen Kompromiss geeinigt hatten. Dabei hatte das Parlament gegenüber Vorschlägen der EU-Kommission Erleichterungen für Sparkassen und Volksbanken durchgesetzt. Diese dürfen jetzt unter bestimmten Bedingungen Haftungsverbünde bilden. Sie werden damit ähnlich gestellt wie große Bankkonzerne. Abgeordnete werten dies auch als Erfolg für den Mittelstand. (daw)