Gedenken an D-Day
6. Juni 2009"Ungefähr um 6.30 Uhr ging die Welt unter. Das Schiff wurde von mindestens zwei großen Granaten getroffen, vielleicht waren es auch drei", erzählt Grant Gullickson. Der damals 23-jährige Chefmaschinist kann sich noch genau daran erinnern, wie die Deutschen die USS Corry am 6. Juni 1944 versenkten. Anderthalb Stunden hatte der Zerstörer vor Utah Beach seinerseits auf die deutschen Stellungen gefeuert, um die Landung der amerikanischen Truppen vorzubereiten. Doch nach mehreren direkten Treffern zerbrach er in zwei Teile und versank. Gullickson und einige seiner Kameraden konnten sich nach draußen retten. Sie klammerten sich an ein Netz an einem der Rettungsboote. Gullickson wurde schließlich, vom kalten Wasser völlig unterkühlt, von den Matrosen des Schwesterschiffs USS Fitch gerettet. "Wenn Sie den Film 'Der Soldat James Ryan' gesehen haben, den ersten Teil, wo alle im Wasser sind, dann wissen Sie, wie es auf der Corry war."
Geschichtsunterricht aus Hollywood
Der Steven-Spielberg-Film von 1998 mit Tom Hanks ist nur einer in einer Reihe von Spielfilmen, die die Landung der Alliierten in der Normandie zum Thema haben. Es sind diese Filme, Bücher und Dokumentationen, die die Erinnerung an den sogenannten D-Day lebendig halten, sagt der Militärhistoriker Prof. Ronald H. Spector von der George Washington Universität.
Viele Amerikaner wissen nicht mehr, was der D-Day war, aber wenn das Schicksal eines einzelnen Soldaten erzählt wird, wird das gesamte Ereignis wieder greifbar. "Die Faszination liegt zum einen an den Heldentaten dieser Menschen, zum anderen aber auch daran, dass sie im Zusammenhang mit diesem sehr, sehr bedeutenden Ereignis gelitten haben und gestorben sind", erklärt Spector. Vor und nach dem D-Day seien auch viele heroische und verzweifelte Taten unternommen worden, aber sie beflügelten nicht in diesem Maße die Fantasie, meint der Historiker.
Obama erweist Gefallenen die Ehre
Doch nicht nur die Medien nutzen die heroischen Geschichten, auch politisch lässt sich der D-Day verwerten. Es ist eine Gelegenheit, die Freundschaft und Solidarität zwischen den USA und Frankreich zu betonen. Und so ist es nur folgerichtig, dass US-Präsident Barack Obama an den diesjährigen Feierlichkeiten in der Normandie teilnimmt. Doch auch innenpolitisch nutzt es dem Präsidenten, sagt Aaron Elson. Der Redakteur hat rund 200 Veteranen des zweiten Weltkriegs interviewt, darunter viele, die am D-Day teilgenommen haben. "Es ist gut", sagt Elson, "dass Obama dorthin reist. So kann er zeigen, dass er das Militär unterstützt, sich mitfühlend zeigt und Amerikas Vergangenheit in Ehren hält."
Der D-Day, sagt der fast 60-jährige, dessen Vater als Panzerfahrer in der Normandie kämpfte, sei inzwischen für viele zu einem guten Geschäft geworden: "D-Day hat viel mit Tourismus zu tun. Alle können es feiern, Amerikaner, Franzosen, Briten, Kanadier und auch die Deutschen. Es gibt viele organisierte Reisen. Um den D-Day herum hat sich ein eigener Geschäftszweig entwickelt." Und das sei in Ordnung, findet Elson: "Das alles geschieht im Geist der Versöhnung. Ehemalige Feinde können sich treffen und die Hände schütteln, sich umarmen. Sie haben nicht das Gefühl, dass sie sich persönlich beschossen haben. Sie waren nur in der gleichen Gegend, auf unterschiedlichen Seiten."
Auch der Historiker Spector hat nichts dagegen, dass Medien, Filme und die Industrie die Erinnerung an den D-Day am Leben erhalten. "Wie heißt es so schön", sagt Spector, "Geschichte ist viel zu wichtig, als dass man sie nur den Historikern überlassen darf."
Autorin: Christina Bergmann, Washington
Redaktion: Martin Schrader