Warnstreiks im Arbeitskampf
6. März 2012Der Kindergarten hat geschlossen, die Busse bleiben im Depot, die Mülltonne wird nicht geleert. In Hessen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland wurden zu Wochenbeginn Warnstreiks durchgeführt. Es geht um 6,5 Prozent mehr Lohn für die zwei Millionen Beschäftigten von Bund und Kommunen. Mindestens aber sollen 200 Euro zusätzlich gezahlt werden. Auch die Übernahme der Auszubildenden in feste Arbeitsverhältnisse wird gefordert.
Doch die Arbeitgeber seien in einer ersten Tarifrunde auf diese Forderungen nicht eingegangen. Auch hätten sie keine eigenen Angebote vorgelegt, bestätigt Jörg Wiedemuth, Tarifexperte der Gewerkschaft Verdi. "Die Antwort der Beschäftigten im öffentlichen Dienst ist jetzt entsprechend ausgefallen und das bedeutet Warnstreik." Und der wird auch auf andere Bundesländer ausgeweitet. Am Dienstag waren hauptsächlich Schleswig-Holstein, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Baden-Württemberg betroffen, dort waren zehntausende Beschäftigte zu ganztägigen Arbeitsniederlegungen aufgerufen.
Auseinandersetzung ohne Einigung
Der Warnstreik ist ein Mittel des Arbeitskampfes. Er kann von der Arbeitnehmervertretung, meist eine Gewerkschaft, ausgerufen werden. Ein Warnstreik wird durchgeführt, wenn mit der Arbeitgebervertretung keine schnelle Einigung in Tarifauseinandersetzungen erzielt werden kann.
Mit einem Warnstreik soll die Arbeitgeberseite dazu bewegt werden, aktiv zu verhandeln. Er gilt als Aufforderung, "überhaupt ein Angebot vorzulegen oder ein bestehendes Angebot zu verbessern", sagt Wiedemuth.
Gleichzeitig verdeutlicht der Warnstreik den Arbeitgebern, dass die Arbeitnehmer zu weiteren Schritten bereit sind, sollte es zu keiner für sie akzeptablen Einigung kommen. Dr. Adam Sagan, Arbeitsrechtler an der Universität Köln, sieht noch einen weiteren Zweck des Warnstreiks. Er habe auch Wirkung auf die Arbeitnehmerschaft. "Der Warnstreik soll sie dazu mobilisieren, sich die tarifpolitischen Forderungen der Gewerkschaft zu Eigen zu machen, sich damit zu identifizieren."
Kein Warnstreik bei laufendem Tarifvertrag
Ein Warnstreik ist allerdings nicht zulässig, solange noch ein gültiger Tarifvertrag besteht. Erst wenn dieser mindestens seit vier Wochen abgelaufen ist, endet die Friedenspflicht. Ein Warnstreik wäre jetzt möglich, allerdings darf es noch zu keiner neuen Einigung der Tarifparteien gekommen sein. Zeichnet sich aber bei Verhandlungen keine Einigung ab, weil beispielsweise die Lohnvorstellungen zu sehr voneinander abweichen, können die Gewerkschaften Warnstreiks veranlassen.
Der Warnstreik dauert in der Regel nur wenige Stunden, gilt als zeitlich befristet. Er unterscheidet sich vom Erzwingungsstreik, der von den Mitgliedern der Gewerkschaften beschlossen wird. Dreiviertel der Stimmberechtigten müssen sich in diesem Fall auf die Arbeitsniederlegung einigen. Erst dann kann auch längerfristig gestreikt werden. In Deutschland ist das Streikrecht im Grundgesetz verankert.
Konsequenzen für Arbeitnehmer
Wer sich an einem Warnstreik beteiligt, muss nicht mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen rechnen. Das gilt nicht nur für Gewerkschaftsmitglieder, sondern – nach der bisherigen Rechtsprechung – auch für die Arbeitnehmer "die gleichwohl vom Tarifabschluss profitieren", sagt Arbeitsrechtler Sagan. Allerdings wird die Zeit, in der sich ein Arbeitnehmer an einer Maßnahme wie dem Warnstreik beteiligt, nicht bezahlt.
Schwieriger wird es fast für unbeteiligte Arbeitnehmer, die wegen eines Warnstreiks nicht oder erst zu spät zur Arbeit erscheinen können – weil beispielsweise die Busfahrer streiken. Sie haben in dieser Zeit auch keinen Anspruch auf Vergütung. Eine Abmahnung oder gar eine Entlassung sei aber nicht zu befürchten, erläutert Arbeitsrechtler Sagan. Der Arbeitgeber könne nur kündigen "wegen eines Verhaltens, das der Arbeitnehmer zu verschulden hat".
Autorin: Beatrix Beuthner
Redaktion: Andrea Lueg