Viele Ladenbesitzer im Iran streiken
5. Dezember 2022Zahlreiche Geschäftsleute in iranischen Städten haben ihre Läden an diesem Montag nicht geöffnet. Sie folgten damit laut Aktivisten einem Aufruf der Protestbewegung zu einem dreitägigen Generalstreik. In sozialen Medien wie Twitter kursieren Videos, auf denen geschlossene Geschäfte in Innenstädten zu sehen sind, wie etwa im Basar der Hauptstadt Teheran und anderen Städten wie Karaj, Isfahan und Schiraz. Von unabhängiger Seite konnte dies nicht verifiziert werden. Einige Ladenbesitzer im Teheraner Basar sollen Drohungen erhalten haben, dass sie bei einer Schließung mit hohen Geldstrafen zu rechnen hätten.
Revolutionsgarden: Es darf keine Gnade geben
Augenzeugen berichteten von einer massiven Präsenz der paramilitärischen Basidsch-Miliz im Zentrum Teherans. Die iranischen Revolutionsgarden drohten mit einem harten Durchgreifen gegen die Protestbewegung. Sicherheitskräfte dürften keine Gnade zeigen für "Randalierer, Schläger und Terroristen", zitierte die halbamtliche Nachrichtenagentur Tasnim die Eliteeinheit der Streitkräfte, die zu den wichtigsten Stützen des Mullah-Regimes in Teheran gehört. Die Justiz wurde aufgefordert, unter der Anschuldigung der "Verbrechen gegen die Sicherheit der Nation und des Islams" Angeklagte schnell und entschlossen zu verurteilen.
Die halbamtliche iranische Nachrichtenagentur Fars berichtete, ein Juwelier-Geschäft des früheren Fußball-Stars und Bayern-München-Spielers Ali Daei sei von den Behörden abgeriegelt worden. Zuvor soll die Geschäftsleitung mitgeteilt haben, in den kommenden drei Tagen bleibe der Laden geschlossen.
Die kurdisch-iranische Menschenrechtsgruppe Hengaw teilte mit, 19 Städte im Westen des Landes, wo die meisten Kurden leben, hätten sich dem Streik angeschlossen.
Im Iran wird seit Mitte September gegen das Mullah-Regime und für mehr Freiheiten demonstriert. Entzündet hatten sich die Proteste am Tod der 22-jährigen Kurdin Jina Mahsa Amini. Sie war am 16. September in einem Krankenhaus für tot erklärt worden. Die sogenannte Sittenpolizei hatte sie festgenommen, weil sie ihr Kopftuch nicht ordnungsgemäß getragen haben soll.
Nach Einschätzung von Menschenrechtlern wurden seither mindestens 470 Menschen getötet und rund 18.000 festgenommen.
Am Sonntag hatte Generalstaatsanwalt Mohammad Dschafar Montaseri nun die Auflösung der Sittenpolizei verkündet. Aktivisten sind allerdings äußerst skeptisch, auch, weil es bisher hierzu keine offizielle Bestätigung gibt. Die Sittenpolizei untersteht nämlich dem Innenministerium.
Auswärtiges Amt: Es geht um fundamentale Grundrechte
Auch die deutsche Bundesregierung äußerste sich zurückhaltend. Eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes (AA) in Berlin erläuterte, die Ankündigung sei vom Generalstaatsanwalt gekommen, der aber für die Auflösung der Sittenpolizei nicht zuständig sei. "Eine offizielle Bestätigung hat es bisher jedenfalls unserer Kenntnis nach nicht gegeben."
Unabhängig davon gehe es vielen Demonstrierenden nicht allein um die Auflösung der Sittenpolizei oder ein Ende des Kopftuchzwanges, sondern um fundamentale Grundrechte. Daran änderten auch vereinzelte Maßnahmen der Regierung in Teheran nichts. Die Menschen wollten "frei und selbstbestimmt" leben, so die AA-Sprecherin weiter.
se/uh (afp, rtr, dpa, kna)