Von Kampfbahn bis Arena
9. Juni 2006Wo einstmals Stadt oder Verein Herr im eigenen Haus waren, hat in diesen Wochen der Weltfußballverband das Regiment übernommen. Und das hat Folgen: Alle WM-Stadien tragen jetzt einen neutralen, etwas langweilen Namen: FIFA WM-Stadion.
Alle? Nicht so ganz. Stadien, die (noch) nicht nach einem Sponsor benannt sind, dürfen ihren Namen behalten: das Olympia-Stadion in Berlin, das Leipziger Zentralstadion, das Fritz-Walter-Stadion in Kaiserslautern und das Franken-Stadion in Nürnberg (wo aufgebrachte Fans die vorgesehene Umbenennung verhinderten). Erstaunlich genug braucht auch das Gottlieb-Daimler-Stadion in Stuttgart seinen Namen nicht zu ändern - obwohl doch ein fernöstlicher Autohersteller offizieller WM-Ausstatter ist.
In allen anderen Stadien aber war Arbeit angesagt: Alle Schriftzüge mit nicht FIFA-genehmen, also falschen Firmennamen mussten verschwinden: Abdecken oder abmontieren (und später wieder anbringen) war angesagt. Ein netter Auftrag für Spezialfirmen, die Kosten (in Hamburg etwa 200.000 Euro) tragen die Vereine.
Stadien mit Psycho-Effekt
Zumindest für einige Wochen sind die "Arenen" also wieder einfache "Stadien". Der gemeine Fußballfan wird dem vorübergehenden Verlust der lukrativen Namenszüge nicht wirklich nachtrauern. Klar: Die Sponsoren bringen dem Verein Geld. Aber Otto Normalgucker wird sich in seinem persönlichen Konsumverhalten wohl nicht davon leiten lassen, zumal er viele Namen, etwa die von Finanzdienstleistern, kaum kennen wird.
Ach, was waren das für unschuldige Zeiten, als Fußballstadien einfach den Namen von Flüssen (Rhein, Weser oder Dreisam), Landschaften (Niedersachsen, Franken) oder Stadtteilen (Müngersdorf oder Dutzendteich) trugen. Vorbei auch die Zeiten, wo Stadien nach gar nicht vorhandenen Bergen (Betzenberg, Bieberer Berg oder gar Bielefelder Alm) benannt wurden um dem Gegner schon verbal klar zu machen: "Hier musst du erst mal hoch."
Eine andere Philosophie: Kampfbahnen
Und nur noch von Hörensagen kennen die meisten die vermeintlich "gute alte Zeit", in der die gehobenen Bolzplätze der Republik "Kampfbahn" hießen, etwa "Kampfbahn Rote Erde", oder, nur unwesentlich frivoler, "Glückauf-Kampfbahn". Da wird schon aus dem Namen die damalige Fußballphilosophie ersichtlich: Es wurde gepflügt und geackert, da wurden Stollen gewetzt, da konnte man noch Knochen splittern hören und es klebte auch schon mal Blut an den Torpfosten, die damals noch aus Kanthölzern bestanden - augenscheinlich stabil, aber auch nicht immer bruchsicher.
Ja, in der Zeit fand man noch über den Kampf zum Spiel. Heutzutage wird auf dem teuren Rollrasen ja eher Samba getanzt: Fußball wird zelebriert. Da liegt es doch nahe, die Kathedralen der Neuzeit sprachlich noch etwas weiter zu entwickeln. Im benachbarten Ausland gibt es sie schon, in den USA natürlich sowieso: Stadien, die nicht mehr "Arena" heißen, sondern "Dome". Der nächste Schritt auf dem Weg zum ultimativen Superlativ könnte dann vielleicht zum "Tempel" führen - dort darf mit Sicherheit zelebriert und auch getanzt werden.