Familie ist für Jugendliche an Weihnachten das Wichtigste
24. Dezember 2013Wenn Felix Müller den Geruch von Lebkuchen, Zimt und heißem Wein in der Nase hat, dann beginnt für ihn Weihnachten. "Mit Freunden den Glühweinstand umzingeln, einen Reibekuchen essen, sich unterhalten - das ist für mich das schönste an dieser Jahreszeit", sagt der 17-jährige Schüler. "In die Kirche gehe ich nicht, aber das Zusammensein ist mir wichtig."
Deshalb steht Felix bereits am frühen Nachmittag mit Klassenkameraden auf dem Bonner Weihnachtsmarkt. Er hält einen Becher mit dampfend heißem Glühwein in den Händen und lauscht der Musik. Es ist die letzte Woche vor Heiligabend. Über den Köpfen der Gymnasiasten röhren zwei elektrische Rentierköpfe "We wish you a Merry Christmas" - ein bekanntes englisches Weihnachtslied. Die Gruppe stimmt mit ein.
So wie Felix geht es vielen Jugendlichen in Deutschland. Kurz vor dem 24. Dezember strömen sie zu den festlich dekorierten Holzhütten, die in den Stadtzentren aufgestellt worden sind. Sie kaufen letzte Geschenke ein, verbringen mehr Zeit mit ihren Freunden - und geraten ins Grübeln. Was Weihnachten so besonders macht? "Für mich ist das eindeutig das Essen mit der Familie, wenn wir alle um den Tisch herumsitzen und der Tannenbaum leuchtet", sagt Rebekka Fröhlich. "Normalerweise haben wir nicht viel Zeit füreinander. Aber an Weihnachten ist es anders." Deshalb freut sich die 17-Jährige auf die Feiertage.
Familienfest hat hohen Stellenwert
"Weihnachten bedeutet den jungen Menschen in Deutschland viel", sagt Martina Gille vom Deutschen Jugendinstitut (DJI), "vor allem, weil es ein Familienfest ist." Die Diplomsoziologin arbeitet seit Mitte der 1980er Jahre mit jungen Menschen und untersucht, was ihnen im Leben wichtig ist. "Seit den letzten 20 Jahren beachten wir eine Zunahme an traditionellen Werten unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen", sagt Gille. Statt nur an sich selbst zu denken, sei ihnen die Familie wieder wichtig geworden.
Das habe mit den veränderten Arbeitsbedingungen zu tun. "Die Zukunft für viele Schüler und Studenten ist unsicher geworden", sagt die Wissenschaftlerin. Zwar sei die Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland mit 5,3 Prozent deutlich geringer als in anderen Ländern, vor allem im Süden Europas. Aber auch hierzulande würden viele junge Menschen nach der Ausbildung in befristete Verträge geraten. Da sei ein anderer Halt im Leben wichtig. "Und das ist häufig die Familie."
Kirchliche Bedeutung gerät in den Hintergrund
Auch Christoph Tillman wird den Weihnachtsabend mit seinen Eltern verbringen. Anders als viele Klassenkameraden freut sich der 15-Jährige jedoch am meisten auf die Kirche. "Weihnachten ist nun einmal die Geburt Christi, da sollte der Gottesdienst das Hauptevent des Tages sein", sagt der Schüler, der aus einem christlichen Elternhaus kommt. "Es ist auch schön mit dem Krippenspiel in der Kirche. Die Geschenke gibt's danach, aber sie sind nebensächlich."
Mit dieser Ansicht steht Tillman bei seinen Freunden eher allein da. "Ich bin nicht so religiös und drücke mich lieber vor der Kirche", sagt die 16-jährige Elisa Kühr. "Während meine Eltern zum Gottesdienst gehen, sitze ich lieber zu Hause und verbringe einen gemütlichen Abend." Am liebsten hat sie es, wenn Schnee vor dem Fenster liegt und der Geruch vom Weihnachtsbaum das Zimmer erfüllt.
"Die kirchliche Bedeutung des Weihnachtsfestes hat abgenommen", weiß Martina Gille. Untersuchungen wie die Shell-Studie hätten gezeigt, dass Religion im Allgemeinen in Deutschland einen geringen Stellenwert bei Jugendlichen einnimmt. Sie rangiert in Umfragen an letzter Stelle – hinter Politik und Kultur.
Statt des Kirchgangs entwickeln viele Schüler lieber neue Formen, das Fest feierlich zu begehen. "Bei uns in der Familie ist es so, dass wir an Weihnachten ins Kino gehen", sagt Janina Keusch. "Wenn wir zurückkommen, ist das Christkind da gewesen und es gibt Bescherung." Sie selbst habe noch nicht alle Geschenke beisammen. Auf dem Weihnachtsmarkt hofft die 15-Jährige, fündig zu werden.
"Ich liebe es, Geschenke zu machen"
Ein paar hundert Meter weiter vom Hüttenzauber steht Franziska Schirneck mit ihren Freundinnen und wundert sich über das hektische Treiben. "Für viele Jugendliche ist es wichtig, dass sie möglichst große Geschenke erhalten", sagt die 20-jährige Lehramtsstudentin. "Dabei gibt es viele Menschen, die nicht so ein schönes Weihnachten verbringen können wie wir. Deshalb sollten wir das ganze mehr schätzen und uns in Bescheidenheit üben."
Franziska freut sich vor allem darauf, ihren Freunden und Familienangehörigen eine Freude zu bereiten. "Ich liebe es, Geschenke zu machen. Es ist viel schöner als welche zu bekommen." Ihre Einkäufe habe sie vor Wochen gemacht. Nun könne sie sich auf die kommenden Tage vorbereiten – und etwas zur Ruhe kommen.