Was nach dem Tod von Benedikt passiert
31. Dezember 2022Als Papst Franziskus am 28. Dezember um Gebete für den emeritierten Papst Benedikt XVI. bat und erwähnte, wie krank sein Vorgänger sei, begannen sich Vatikanbeobachter auf der ganzen Welt zu fragen: Was passiert jetzt? Eine Frage, die mit dem Tod des ehemaligen Papstes akut und dringlich geworden ist. Benedikt XVI. starb am Silvestertag um 9.34 Uhr im Alter von 95 Jahren.
Zusammen mit der Todesnachricht gab der Vatikan bekannt, dass der Leichnam am 2. Januar im Petersdom in Rom aufgebahrt werden soll. Gläubige können dann Abschied nehmen. Am 5. Januar wird um 9.30 Uhr ein Trauergottesdienst auf dem Petersplatz gefeiert. Der amtierende Papst Franziskus wird die Messe leiten - ein in der zweitausendjährigen Geschichte der katholischen Kirche beispielloser Vorgang, der durch den historischen Rücktritt Benedikts 2013 zustande kommt.
Das Protokoll betritt Neuland
"Dies ist eine völlig neue Situation", sagte Ulrich Nersinger, deutscher Journalist und Autor mehrerer Bücher über den Vatikan und seine Geschichte im Gespräch mit der DW. Selbst für Menschen, "die sich gut auskennen" sei vieles spekulativ, was nach dem Tod von Benedikt geschehen werde.
Das vatikanische Protokoll, das seit Jahrtausenden vorgibt, was im Todesfall eines Papstes zu geschehen hat und das immer weiter verfeinert wurde, betritt Neuland. Es ist mehrere Jahrhunderte her, seit ein Papst das letzte Mal vor seinem Tod in Rente ging und vor Benedikt XVI. gab es keinen Papst, der nach seinem Rücktritt im Vatikan blieb. Das ist in der Kirchengeschichte beispiellos.
Beerdigung als Bischof von Rom
Der Kirchenhistoriker Alberto Melloni ist der Meinung, die Bestattung von Benedikt XVI. werde zumindest formal relativ einfach sein. "Die Beerdigung eines emeritierten Papstes ist die Beerdigung für den emeritierten Bischof von Rom", sagte er der Nachrichtenagentur AP und fügte hinzu, dass Diözesen auf der ganzen Welt seit langem entschieden haben, wie man pensionierte Bischöfe ehrt.
"Eine Sache, die wir sagen können, ist, dass es nicht so passieren wird wie bei einem verstorbenen amtierenden Papst", sagt Vatikan-Kenner Ulrich Nersinger. Dazu gehören bestimmte alte Rituale, wie die offizielle Verkündung des Todes, die Versiegelung der Zimmer des Papstes und die Zerstörung seines Siegelrings. Der wird für jeden Papst individuell angefertigt und ihm nach dem Tod vom Finger genommen, um ihn zu zerbrechen.
Es kommt auf die Details an
Der Siegelring Benedikts wurde nach seinem Rücktritt bereits mit einem "X" unbrauchbar gemacht. "Bestimmte Details sind sehr wichtig", erklärt Nersinger. "Wenn ein verstorbener Papst aufgebahrt wird, ist er in päpstliche Gewänder und das päpstliche Pallium gekleidet - und ich glaube nicht, dass ihm das gewährt wird", so Nersinger.
Auch die neuntägige Trauerperiode, bekannt als Novendiale, verlaufe anders. Normalerweise organisieren die Kardinäle nach dem Tod eines Papstes die Trauerfeierlichkeiten. Sie seien "eine Art Vorbereitung auf das Konklave [wenn ein neuer Papst gewählt würde], und das werden wir nicht haben", sagt Nersinger. "Ich weiß, dass die päpstlichen Zeremonienmeister versucht haben, Pläne zu entwickeln, aber vieles wird davon abhängen, was Benedikt selbst in seinem Testament dargelegt hat".
Ein Wunsch für die Bestattung
Benedikts offizieller Biograph Peter Seewald sagte der Passauer Neuen Presse im Jahr 2020, der pensionierte Papst habe ein Testament geschrieben, das nach seinem Tod veröffentlicht werden solle. Darin soll Benedikt den Wunsch äußern, in derselben Krypta begraben werden zu wollen, in der sein Vorgänger Johannes Paul II. ursprünglich zur Ruhe gelegt wurde. Nach der Seligsprechung 2011 wurden die sterblichen Überreste des polnischen Papstes in eine Kapelle im rechten Seitenschiff des Petersdoms gebracht.
Die vatikanischen Grotten bestehen aus mehreren großen unterirdischen Räumen mit mehr als 160 Papstgräbern. Spannend wird werden, welche politischen Würdenträger zu der Beerdigung anreisen - auch aus Deutschland. Die Entwicklungen rund um jahrzehntelange Missbrauchsskandale in der katholischen Kirche lasten schwer auf dem Leben und Wirken des früheren Papstes. Dies könnte manchen Politiker veranlassen, nicht nach Rom zu reisen.
Unterschiedliche Charaktere
Wie die Trauer und die Beerdigung ablaufen, wird auch vom Nachfolger abhängen. "Papst Franziskus ist ein sehr spontaner Mensch", sagt Nersinger. Er könnte kurz vorher noch etwas Neues sagen und machen. Die Beziehung zwischen dem derzeitigen Papst und dem Ex-Papst, der in den letzten neun Jahren in unmittelbarer Nähe des Vatikans lebte, war selbst Gegenstand vieler Spekulationen (sowie eines Oscar-nominierten Films).
Benedikt hat oft seinen Gehorsam und seine "tiefe Gemeinschaft und Freundschaft" mit seinem Nachfolger unterstrichen und Franziskus hat Benedikt als seinen "Bruder" bezeichnet. Trotzdem gibt es bekannte Unterschiede zwischen den beiden Männern. "Sie sind sehr unterschiedliche Charaktere, aus sehr unterschiedlichen kulturellen Kreisen, und sie haben unterschiedliche theologische Standpunkte", sagt Ulrich Nersinger.
"Sie haben sich hin und wieder getroffen. Wenn Franziskus neue Kardinäle ernannte, besuchte er Benedikt oft mit dem neuen Kardinal." Er glaube aber nicht, dass die beiden Päpste zusammengesessen hätten, um "über Theologie zu plaudern".
Er blieb der "Heilige Vater"
Immer wieder wurde darüber spekuliert, ob bestimmte Entscheidungen, die Benedikt für seinen Ruhestand getroffen hatte, das Verhältnis der beiden Päpste belastet haben könnte. Er trug bekanntlich weiterhin die päpstlichen weißen Roben, behielt den Titel des Papstes (wenn auch mit dem Zusatz "emeritiert") und behielt die päpstliche Art der Ansprache "Heiliger Vater".
"Dies sind Punkte, die viel Unzufriedenheit erzeugt und einige Gefolgsleute verwirrt haben", so Nersinger. "Ich denke aber, dass Benedikt nicht klar war, welche negativen Folgen das haben würde." Es habe auch viele Leute gegeben, die versucht hätten, die beiden Päpste gegeneinander auszuspielen.
Geht auch Franziskus in Rente?
Auch die Tatsache, dass Benedikt von Natur aus formeller ist und während seines Papsttums viel weniger politische Erklärungen abgegeben hat, hat eine gewisse Spannung erzeugt. "Ich persönlich denke, dass sein Rücktritt nicht gut gemacht war", sagte Nersinger. "Wenn du so einen Schritt machst, musst du dich vollständig zurückziehen."
Einige Kirchenbeobachter sind der Meinung, dass Benedikts Rücktritt einen Präzedenzfall geschaffen habe, dem Franziskus folgen könnte. Der amtierende Papst ist inzwischen 86 Jahre alt und hat gesundheitliche Probleme. Vatikan-Kenner Ulrich Nersinger ist anderer Meinung und begründet das mit den Spannungen, die Franziskus erlebt hat. "Ich denke auch, dass er es zu sehr genießt, Papst zu sein, als sich einfach so zurückzuziehen."