Was tut der Sport in Deutschland gegen Gewalt gegen Frauen?
2. Dezember 2024Alle Formen von Gewalt gegen Frauen sind in Deutschland auf dem Vormarsch. Fast jeden zweiten Tag wird in Deutschland eine Frau von ihrem Partner oder ehemaligen Partner getötet.
UN Women Deutschland ist eines der 13 Nationalkomitees von UN Women weltweit. Die Organisation wurde im Jahr 2010 von den Vereinten Nationen gegründet. Sie setzt sich für die Gleichstellung der Geschlechter und die Stärkung der Rolle von Frauen und Mädchen ein. Ihre aktuelle Kampagne "Orange The World" läuft dem Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen am 25. November bis zum 10. Dezember, dem Internationalen Tag der Menschenrechte. Sie soll das Bewusstsein für das Thema Gewalt gegen Frauen im Land und weltweit schärfen.
"In diesen 16 Tagen des Aktivismus können wir eine Menge Informationen liefern. Überlebende von geschlechtsspezifischer Gewalt können herausfinden, wo sie Unterstützung bekommen und daran erinnert werden, dass sie nicht schuld sind", sagt Elke Ferner, die Vorsitzende von UN Women Deutschland gegenüber DW. Sie ist Politikerin und langjährige Frauenrechtlerin. "Die Debatte hilft und ist eine Chance, das Bewusstsein für das Thema zu verändern."
Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft der Frauen beteiligt sich an der Kampagne mit einem bewegenden Video, in dem die Spielerinnen den Wahrheitsgehalt von Aussagen durch das Durchstreichen von Wörtern offenlegen.
"Die Zahlen zur Gewalt gegen Frauen und Mädchen sind jedes Jahr schockierend", sagte Giulia Gwinn vom FC Bayern München. "Deshalb ist es uns wichtig, in diesem Jahr gemeinsam als Frauen-Nationalmannschaft ein klares Zeichen zu setzen und die Kampagne 'Orange the World' zu unterstützen."
Strukturelle Ursachen für Gewalt gegen Frauen
Elke Ferner ist der Meinung, dass die Arbeit mit Vorbildern von zentraler Bedeutung ist und dass die Kampagne vor allem im Fußballkontext eine große Wirkung hat. Eine Studie der Warwick Business School in Großbritannien aus dem Jahr 2022 ergab, dass häusliche Gewalt um fast 50 Prozent ansteigt, wenn die englische Fußballnationalmannschaft ein WM-Spiel gewinnt, ganz zu schweigen von einer Niederlage. Derzeit gibt es keine Daten über häusliche Gewalt während deutscher Spiele.
Ferner ist zuversichtlich, dass der Sport die Bedeutung des Themas erkannt hat und dass der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) und andere Sportvereine und -organisationen dazu beitragen, das Thema voranzubringen. Im Sport ist dies besonders wichtig angesichts der problematischen Abhängigkeitsverhältnisse, die in einem Hochleistungsumfeld so häufig bestehen.
Tatsächlich ist Gewalt gegen Frauen aber ein gesellschaftliches Problem, das sich nicht nach Klasse, Herkunft, Religion oder gesellschaftlichem Raum wie dem Sport richtet. "Gewalt gegen Frauen hat strukturelle Ursachen, und um das zu ändern, muss man die Strukturen ändern", sagte Ferner. "Man muss es einfach tun. Ich sage immer, es geht nicht um einen Mangel an Wissen, sondern um einen Mangel an Taten."
Männliche Machtstrukturen im Sport
In Deutschland bietet die gemeinnützige Organisation "Safe Sport" unabhängige Unterstützung für Menschen an, die von sexueller, physischer und psychischer Gewalt im Amateur- und Profisport betroffen sind.
"Safe Sport" ist die einzige Organisation mit einem speziellen Fokus auf Gewalt im Breitensport in Deutschland und eine von nur zwei im Profisport in Deutschland. Insgesamt bestehen im Sport Strukturen, die Frauen keine ausreichende Sicherheit bieten.
"Die Geschlechterrollen sind in den letzten Jahren fließender geworden, aber in den Verbänden und Vereinen sind die Führungspositionen immer noch von Männern besetzt, unabhängig von der Sportart", sagt "Safe Sport"-Managerin Ina Lambert gegenüber der DW. "Im Profisport gibt es viel weniger Frauen, die am Training beteiligt sind, und so bleibt der Raum männlich dominiert, und damit auch die Machtstrukturen."
Allerdings seien die Ratsuchende, die sich an "Safe Sport" wendeten nicht nur Frauen. Auch Männer, die Probleme sehen und Veränderungen durchsetzen wollen, seien dabei. "Wir bieten ihnen Unterstützung an, damit sie nicht allein sind", so Lambert. "Aber ob in einem großen Verband oder in einem kleinen Verein - häufig werden die Täter geschützt, Vorfälle werden ignoriert und so werden die Menschen, die Veränderungen durchsetzen wollen, oft daran gehindert."
"Safe Sport", das kostenlose psychologische und rechtliche Unterstützung anbietet, ist seit Juli 2023 im Einsatz. Die Hauptzahl der Hilfeanfragen, die seitdem eingingen, hatten mit psychischer Gewalt im Sport zu tun. Auch sexuelle Gewalt ein großes Problem.
Umfassende Förderung auf den Weg gebracht
"Endlich wird das Problem erkannt und ernsthaft angegangen", sagt Lambert. "Es wird viel in die richtige Richtung gearbeitet, mit vielen guten Konzepten zur Prävention, Intervention und Aufarbeitung von Gewalt, aber auch mit mehr Aufklärung, ganzheitlichem Training und dem Fokus auf den Menstruationszyklus von Frauen."
Das Bundesinnenministerium leitet den Prozess mit Beteiligten aus den Bundesländern, dem organisierten Sport, Betroffenen und der Wissenschaft. Bis spätestens 2026 soll eine zentrale Anlaufstelle geschaffen werden.
Auch "Safe Sport" ist in den Prozess involviert und hofft, dass die von ihnen angebotene Unterstützung bald von umfassenden Strukturen begleitet wird, die eine Untersuchung von Fällen und sogar eine mögliche Sanktionierung ermöglichen.
Neben der Unterstützung führender Persönlichkeiten aus Politik, Gesellschaft und Sport werden vor allem mehr Daten benötigt. Zudem müssen die zugrundeliegenden Probleme, wie soziale Normen und Geschlechterstereotype, angegangen und verbessert werden.
Denn wie die Exekutivdirektorin von UN Women, Sima Bahous, sagt: "Kein Land hat bisher die Gewalt gegen Frauen abgeschafft. Um sie zu beenden, sind transformative Maßnahmen erforderlich - mehr Investitionen, Innovation und ein unerschütterlicher politischer Wille.
Der Textwurde aus dem englischen Originalartikel "Patriarchy a problem in German sports" adaptiert.