Schuster will kein Mahner sein
30. November 2014Josef Schuster ist Arzt aus Leidenschaft. Neben der Arbeit in seiner Praxis engagiert sich der Würzburger Internist auch ehrenamtlich im Rettungsdienst und bei der Wasserwacht. Dort wurde ihm zu Ehren kürzlich sogar ein Rettungsboot auf den Namen "Josef" getauft. Nun wartet eine neue Herausforderung auf Schuster. Am Sonntag wurde er in Frankfurt zum neuen Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland gewählt.
Gar nicht mag er es, wenn vom Verhältnis der Juden zu den Deutschen die Rede ist. "Das führt bei mir immer zu einem leichten Blutdruckanstieg", so der Mediziner. Eine solche Formulierung würde im Umkehrschluss bedeuten, dass Juden keine Deutsche sind.
Moderieren und integrieren
Als eine der größten Herausforderungen betrachtet Schuster die unterschiedlichen Strömungen innerhalb der jüdischen Gemeinschaften in Deutschland. So gibt es in einigen Städten eine Aufspaltung der Gemeinden in einen orthodoxen und einen liberalen Flügel. Schuster unterstützt die Vielfalt, würde es aber begrüßen, wenn diese Strömungen unter einem Dach koexistieren. Frankfurt sei dafür ein positives Beispiel. In der Westend-Synagoge würden ein traditioneller Gottesdienst und eine Etage tiefer ein liberaler Gottesdienst mit einer Rabbinerin stattfinden.
Schuster selbst ist in Würzburg Vorsitzender einer traditionell orthodoxen Gemeinde. Als orthodoxen Juden betrachtet er sich aber nicht, wie er in einem Interview mit dem Deutschlandradio klarstellte. Das sei für ihn jemand, "der wirklich dauernd ein Käppchen trägt, vielleicht sogar Schläfenlocken hat." Negativ findet er das nicht. Sich selbst würde er aber eher als traditionell bezeichnen.
Auch die fortwährende Integration der zahlreichen eingewanderten Juden aus Osteuropa und den Ländern der ehemaligen Sowjetunion, die besonders in den 1990er Jahren die Mitgliederzahlen einiger jüdischer Gemeinden in Deutschland stark in die Höhe getrieben hat, ist Schuster ein Anliegen. "Natürlich ist es auch eine Herausforderung, wenn eine Minorität eine Majorität integrieren will." Insgesamt habe das jüdische Leben in Deutschland von den Einwanderern profitiert. In seiner eigenen Gemeinde stieg die Mitgliederzahl dadurch von 200 auf über 1000.
Lebensfrohe Akzente hervorheben
Schuster richtet seinen Blick auf die Zukunft. Aber: "Die Schoah wird nicht vergessen, jüdische Menschen tragen Sie im Herzen. Aber was jüdisches Leben ausmacht, ist weiß Gott nicht nur die Erinnerung an die Schoah. Jüdisches Leben hat auch sehr lebensbejahende, lebensfrohe Akzente", sagt Schuster in einem MDR-Interview. Und genau die wolle er in seiner Arbeit hervorheben.
Eine mahnende Rolle strebt er daher nicht an: "Am liebsten wäre mir, wenn später mal resümiert würde: Er hat überhaupt nicht gemahnt! Aber ich befürchte, das wird ein Traum bleiben", zitiert ihn der Kölner Stadt-Anzeiger. Die Angst vieler Juden vor antisemitischen Entwicklungen in der Gesellschaft umschreibt er mit einem Beispiel aus der Medizin: "Wer einmal eine Lungenentzündung hatte, misst jedem Husten größere Bedeutung bei."
Vorsitz nicht angestrebt
Wie sein Vorgänger Dieter Graumann hat Schuster die Zeit des Nationalsozialismus nicht selbst miterlebt. Geboren wird er 1954 im israelischen Haifa, nachdem seine Eltern 1938 vor den Nationalsozialisten aus Deutschland geflohen waren. Als er zwei Jahre alt ist kehrt seine Familie nach Würzburg zurück. Dort besucht er dasselbe Gymnasium wie sein Vater und beginnt im Anschluss ein Medizinstudium. Seit 15 Jahren ist Schuster auch im Zentralrat aktiv, zuletzt als Vize-Präsident. Gerne wäre er auch weiterhin Graumanns Stellvertreter geblieben, aber nach dessen überraschendem Rückzug steht er nun selbst im Rampenlicht.
Seinem Beruf als Arzt will Schuster auch weiterhin treu bleiben. Dem Spagat zwischen der Praxis in Würzburg und dem Zentralrat in Berlin sieht er optimistisch entgegen. Man sage ihm ein sehr gutes Zeitmanagement nach.